Bioschwein 100.0: Projektübersicht
Die Einführung einer 100%-Biofütterung bei Nichtwiederkäuern ist seit langem ein Thema. Bei den Schweinen wurde die 100% Biofütterung nun umgesetzt. Die Ferkel sind noch ausgenommen.
Entsprechend der Verordnung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF über die biologische Landwirtschaft endeten die Übergangsbestimmungen für den Einsatz von konventionellen Futtermitteln Ende 2022. Dasselbe schreiben die Richtlinien von Bio Suisse (Ausgabe 2020) vor.
Bedarfsgerechte Versorgung mit Aminosäuren
Als wichtigste konventionelle Proteinkomponente wurde das Kartoffelprotein zur Optimierung von Rationen für Bioschweine eingesetzt, das eine sehr günstige Aminosäuren-Zusammensetzung hat. Es fällt als Nebenprodukt der Herstellung von Kartoffelstärke an und ist in Bioqualität nicht in ausreichender Menge verfügbar. Mit der Erwartung an diese Änderung wurden die Herausforderungen indentifiziert, mit den verfügbaren Biokomponenten weiterhin eine bedarfsgerechte Versorgung mit Aminosäuren zu gewährleisten. Bei Ferkeln wurde eine Unterversorgung mit Aminosäuren befürchtet, die zu Wachstumsdepressionen, geschwächtem Immunsystem und damit zu einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten und Absetzdurchfall führen könnte.
Als Herausforderung in der Mastschweinefütterung, sieht die Branche vorallem die Fettqualität im Rückenspeck. Da in der Biofütterung vor allem Ölkuchen als Proteinträger eingesetzt werden, war damit zu rechnen, dass durch den Verzicht auf Kartoffelprotein höhere Anteile Ölkuchen eingesetzt werden. Weiterhin wurde angenommen, dass der in Biorationen ohnehin bereits höhere Rohproteingehalt (verglichen mit konventionellen) ebenfalls steigt, da mehr Proteinträger eingesetzt werden müssen um angemessene Gehalte der Aminosäuren Lysin, Methionin und Cystein zu erreichen. Dies hat neben einer verschlechterten Proteineffizienz auch höhere Stickstoff-Ausscheidungen zur Folge und der Stoffwechsel der Tiere wird belastet.
Einhaltung der Anforderungen für die Fettqualität
Zu hohe Gehalte an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) im Speck führen zu monetären Abzügen bei den Schlachterlösen. Erste Abzüge nach der gängigen Abzugsmaske der Abnehmer gibt es bei PUFA-Gehalten die 15.5 Prozent übersteigen.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren machen Fett weicher, und bei zu hohen Anteilen wird dieses «schmierig» und ist hinderlich für den Verarbeitungsprozess. Zudem ist PUFA-reiches Fett auch oxidationsanfälliger und wird schneller ranzig, was sich auf die Haltbarkeit der Produkte und die sensorische Qualität auswirken kann. Da der Verzicht auf Kartoffelprotein eine Erhöhung des Sojakuchenanteils zur Futteroptimierung nach sich zieht, welcher zudem sehr PUFA-reich ist, wurde eine Erhöhung der PUFA-Gehalte im Speck erwartet.
Trotz der Einführung einer 100%-Biofütterung bei Schweinen soll ein weiterhin reibungsloser Ablauf der gesamten Prozesskette vom Ferkel bis zur fertigen Salami gewährleistet werden können, ohne dass Nachteile für die Produzenten und Produzentinnen, Abnehmer sowie Konsumenten und Konsumentinnen entstehen. Deshalb gab es vor der Umsetzung dringenden Forschungsbedarf. Das Projekt Bioschwein 100.0 (2017 – 2020) hat daher den Einfluss einer 100%-Biofütterung auf die Leistung, die Fleisch- und Fettqualität sowie auf Genotyp-Futter-Interaktionen bei Schweinen untersucht. Dabei wurden alle Stufen der Prozesskette, einschliesslich Verarbeitung und Konsumentenakzeptanz des Produktes miteinbezogen.
Trotz des umfassenden Ansatzes des Projektes Bioschwein 100.0, konnten folgende Fragen nicht bearbeitet werden:
- Wie wirkt sich eine 100%-Biofütterung bei Ferkeln auf Fettqualitätsparameter beim (späteren) Mastschwein aus?
- Welche Auswirkungen hat die 100%-Biofütterung auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Zuchtsauen?
- Welche Verbesserung der Stickstoff-Effizienz wäre bei einer Zulassung von isolierten Aminosäuren zu erwarten und welche Kompromisse wären dafür einzugehen?
- Wie kann eine vom Bund geforderte stickstoffreduzierte Phasenfütterung unter der 100%-Biofütterung umgesetzt werden?
Institutionen und Projektmitarbeitende
- FiBL: Barbara Früh (Projektleitung), Regula Bickel, Florian Leiber, Hanna Stolz,
Claudia Meier, Nele Quander, Bennan Tong - Agroscope: Giuseppe Bee, Helena Stoffers, Peter Stoll
- HAFL: Diana Hartig-Hugelshofer, Eugenia Harms
- Suisag: Martin Scheeder
- ABZ Spiez: Sascha Fliri
Zu den Ergebnissen der einzelnen Versuchsmodule
Modul 1: 100%-Biofütterung bei Ferkeln - on farm, FiBL
Modul 2: 100%-Biofütterung bei Mastschweinen – Exaktversuch, Agroscope
Modul 3: 100%-Biofütterung bei Mastschweinen - on farm, FiBL
Modul 4: Stationsprüfung zur Ermittlung der Genotyp–Futter-Interaktion, Suisag
Modul 5: Verarbeitung von Biofleisch, Agroscope/FiBL/ABZ Spiez
Ausblick
Um das Projekt zum Erfolg führen zu können, wurde von der Planung über die Umsetzung bis zum Projektabschluss, die Branche einbezogen. Bearbeitet wurden die kritischen Bereiche der Fütterung mit den Futtermühlen. Berücksichtigt wurden die Fettqualitätsansprüche der Abnehmer, Metzger und Verarbeiter. Erfasst wurden auch die Wünsche der Konsumentinnen und Konsumenten. Für die Bioschweineproduzenten und -produzentinnen ist jedoch ausschlaggebend, dass die Schweine artgerecht gefüttert werden können, das heisst auch mit Komponenten die natürlich, vielfältig und rohfaserreiche sind.
Anhand der Futterrationen die im Ferkel- und den Mastversuchen eingesetzt wurden, konnten den Futtermühlen Beispielrationen erläutert werden, die eine 100%-Biofütterung ermöglichen. Die Verarbeitungsversuche zeigten Verarbeitern Möglichkeiten, mit welchen Antioxidantien auf Gewürzbasis gearbeitet werden kann und wie ausschlaggebend die Einhaltung der guten fachlichen Praxis ist.
Nach Abschluss aller Versuche im dritten Quartal 2020 wurden die Ergebnisse den Abnehmern der Schlachtschweine in mehreren bilateralen Sitzungen präsentiert. Um ein einheitliches Vorgehen zu ermöglichen, wurde ein zusätzliches Branchengespräch mit den Abnehmern geführt. Infolgedessen konnte vereinbart werden, dass die Bioschweineproduzenten und -produzentinnen, die auf die 100%-Biofütterung umstellen, zwar bei den gleichen Grenzwerten Abzüge erhalten, die Abzugshöhe aber zur herkömmlichen Bezahlungsmaske nach unten versetzt wird.
Grenzwerte und Abzugsstufen (seit 1. Juli 2014):
- 15.6 - 16.5 % PUFA oder Jodzahl 70.1 - 72.0: - 0.10 CHF / kg SG
- 16.6 - 17.5 % PUFA oder Jodzahl 72.1 - 74.0: - 0.40 CHF / kg SG
- ab 17.6 % PUFA oder Jodzahl 74.1: - 1.-- CHF / kg SG
Die Bezahlungsmaske für zwei Jahre ab Start der 100%-Biofütterung (Jodzahl wird noch angepasst):
- 15.6 - 16.5% PUFA Abzüge von -0.01 CHF
- 16.6 - 17.5% -0.10 CHF
- 17.6 - 18.5% -0.50 CHF
- 18.6 - 19.5% -0.70 CHF
- Ab 19.6% -1 CHF
Die Ergebnisse aus dem Projekt und den Absprachen mit den Abnehmern wurden am Branchentreffen im November 2020 diskutiert. Durch die Verschiebung der Einführung der 100%-Biofütterung von zu Projektbeginn Anfang 2019 auf aktuell Anfang 2023 gewinnen die Produzenten und Produzentinnen sowie Abnehmer Zeit, die genutzt werden soll. Deshalb werden die gesonderten Qualitätsbezahlungen auf zwei Jahre nach Start mit 100%-Biofütterung begrenzt.
Weiterführende Informationen
Beitrag im Bioaktuell 1/2021 (150.4 KB) (Magazin Bioaktuell)
Ist eine Ferkelfütterung mit 100% Biokomponenten möglich? (Artikel Agrarforschung Schweiz)
Bioschweine (Rubrik Tierhaltung)
Tierhaltung (ganze Rubrik)
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 12.06.2023