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«Ohne Gewichtskontrolle ist Schafzucht nicht möglich»

Weltweit sind Würmer eines der Hauptprobleme in der Kleinwiederkäuerhaltung. Lea Egli und Reto Fivian züchten mit ihren Engadinerschafen gezielt auf Resistenz.

Lea Egli und Reto Fivian stehen am Zaun und beobachten ihre Herde. Rund 220 Mutterschafe tummeln sich auf ihren Weiden im freiburgischen Villarepos. Die beiden Biobauern führen oberhalb des Murtensees mit der Bergerie de Chandossel einen der wenigen Schweizer Betriebe, der sich professionell auf Zucht und Lammfleischproduktion mit dem ehemals vom Aussterben bedrohten Engadinerschaf spezialisiert hat.

Für die zwei ausgebildeten Agronomen heisst das vor allem, konsequent die einmal bestimmte Strategie zu verfolgen und die alte Rasse mit der typischen Rammsnase (siehe Infotext) und den langen Hängeohren züchterisch und punkto Herdengesundheit auf ein höheres Niveau zu bringen. «Im Vordergrund steht dabei für uns die Selektion auf Resistenz gegenüber Magen-Darm-Würmern», erläutert Reto Fivian.

Magen-Darm-Würmer treten weltweit als eines der häufigsten Gesundheitsprobleme bei Kleinwiederkäuern wie Schafen und Ziegen auf. Die Würmer leben auf Kosten ihres Wirtstiers und verursachen so hohe wirtschaftliche Verluste, zum Beispiel wegen verminderter Gewichtszunahmen, Entwicklungsstörungen oder sogar Todesfällen. Oft wird die Leistungsminderung auch zu spät erkannt oder nicht sofort mit dem Parasitenbefall in Verbindung gebracht. Und insbesondere die Weidehaltung fördert den Parasitendruck zusätzlich. Weil aber auf einem Knospe-Betrieb wie der Bergerie de Chandossel der Weidegang und der reduzierte Medikamenteneinsatz explizit ein Teil des Tierhaltungskonzepts sind, braucht es alternative Lösungen. «Unsere Lämmer sollen auf der Weide, ohne Kraftfutter, heranwachsen und dabei möglichst gut mit dem Wurmdruck zurechtkommen», erläutert Lea Egli das Ziel.

Resistenz ist gut vererbbar

Die beiden Biobauern haben darum einen langfristigen Ansatz gewählt: die Selektion auf Parasitenresistenz und auf gutes Wachstum auf der Weide. «Wir züchten nur mit denjenigen Mutterschafen, die bezüglich dieser beiden Kriterien überdurchschnittlich gut sind», sagt Lea Egli. Die anderen Auen würden mit Fleischrasse-Widdern wie Texel, Charollais oder Charmois zu Gebrauchskreuzungen gedeckt. Das sei sinnvoll, erklärt die Bioschafhalterin: «Die Resistenz gegenüber Magen-Darm-Würmern hat bei den Schafen eine hohe Erblichkeit.»

Um die geeigneten Tiere für die Zucht zu finden, wägen die beiden Schafzüchter ihre Lämmer regelmässig, notieren jede Durchfallerkrankung und schicken konstant Kotproben ins Labor. Dort wird die Anzahl Eier von Magen-Darm-Würmern pro Gramm Kot ermittelt (EpG). Diese Massnahme setzen sie mit einer überzeugten Beharrlichkeit um. «Seit 2008 beproben wir alle weiblichen Lämmer, die zur Nachzucht infrage kommen», sagt Reto Fivian. Nur die Tiere mit einem niedrigen EpG-Wert werden dann auch verwendet. Die Proben kosten je nach Anbieter zwischen 20 und 40 Franken. Ähnlich verfährt das Duo Egli/Fivian mit den männlichen Tieren. Wer auf der Bergerie de Chandossel einmal ein Zuchtbock werden soll, wird als Lamm zugekauft und nach gemeinsamer Weidehaltung ebenfalls beprobt. Auch hier werden nur Tiere mit tiefer Eiausscheidung zur Zucht eingesetzt.

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«Wägen hat uns die Augen geöffnet»

Die Zucht geschieht systematisch in 30er-Gruppen; im Herbst werden immer 30 Auen mit einem Bock zusammen gehalten. So bringt der Herdebuchbetrieb die Mutterschafe in der nötigen Zeit trächtig – schliesslich sollen alle saisonal innerhalb eines Monats ablammen. Gleichzeitig kommt so bezüglich der Abstammung kein Zweifel auf. Zusammen mit der Beprobung der Lämmer im Herbst lassen sich laut Reto Fivian auch Einschätzungen über die Vererbung der Parasitenresistenz der Böcke gewinnen. Knapp 20 Prozent des Bestandes werden auf dem Betrieb jährlich remontiert, ausschliesslich mit eigenen weiblichen Zuchttieren.

Nebst dem EpG-Wert erheben die beiden Biolammzüchter auch regelmässig das Gewicht der Tiere: bei der Geburt, nach dem Absetzen und mit 40 Tagen. «Das Wägen hat uns die Augen geöffnet», erzählt Reto Fivian. Da merke man schnell, welche Weide sich im Herbst noch eigne und ob die Schafe wirklich gesund seien. Mit Ökoheu bringe man keine Gewichtszunahmen hin. «Heute weiss ich: Schafe züchten ohne Wägen, das geht nicht.» Die Gewichtszunahmen werten Lea Egli und Reto Fivian in Form eines Indexes aus. «Wir können so auf die genetische Qualität der Lämmer und deren Eltern schliessen.» Langfristig soll so die Wurmanfälligkeit des Bestandes massiv sinken und die Fähigkeit, sich von einem Wurmbefall zu erholen, deutlich steigen.

Muttertiere werden entwurmt

Aber nicht nur die Zucht hilft, das Wurmproblem anzupacken, auch das Fütterungs- und Weidemanagement ist fester Bestanteil der Prävention in der Bergerie de Chandossel. Besonders wichtig ist dem Duo Egli / Fivian eine gehaltvolle Fütterung der Muttertiere nach dem Ablammen im März. Zu diesem Zeitpunkt erhalten sie auch etwas Kraftfutter zugefüttert. Trotzdem ist die Parasitenbelastung für das Muttertier während dieser Zeit am höchsten: Alle Energie fliesst in die Milch, nur wenig in die Parasitenabwehr. Darum werden sämtliche Muttertiere direkt nach dem Ablammen entwurmt.

«Sorgen machen uns die zunehmenden Resistenzen der Würmer gegenüber den Medikamenten», erklärt Lea Egli. Anfang Juni nehmen die beiden Biobauern die Lämmer von den Muttertieren weg und bringen sie auf Flächen, deren Aufwuchs zuvor siliert oder geheut wurde. Auf diesen ist der Parasitendruck klein und die Lämmer können sich entwickeln. Die Galtauen hingegen werden auch auf vorher geweidete Parzellen aufgetrieben – sie haben dann wieder mehr Energie für die Wurmbekämpfung.

Stephan Jaun

Dieser Artikel ist im Bioaktuell 7|2015 erschienen (Link siehe weiterführende Informationen)

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Alle Tiere direkt vermarktet

Die rund 360 Lämmer der Bergerie de Chandossel vermarkten Lea Egli und Reto Fivian direkt. Neben den privaten Kunden beliefern sie zwei Restaurants, mehrere Kantinen sowie regionale Manor-Filialen. Von August bis Dezember fahren sie dafür wöchentlich die vorbestellte Anzahl Lämmer nach Avenches ins Schlachthaus. An Gastronomie und Manor liefern sie gleich die ganzen Tierhälften. Für die Privatkunden hingegen machen die geschlachteten Lämmer einen Umweg über Schwarzenburg BE, wo sie die Metzger von der biozertifizierten Schärer & Julmy GmbH zerlegen und zu einer grosse Vielfalt an Produkten verarbeiten.

Das Engadinerschaf

Typisch an den Engadinerschafen sind ihre Rammsnasen und die langen Hängeohren. Die Tiere sind fuchsbraun und schwarz. Sie eignen sich für die extensive Haltung und sind bekannt für ihre hohe Fruchtbarkeit mit 2,5 bis 3 Lämmern pro Jahr. Der Gang ist lebhaft und geräumig, die Klauen sind hart und wenig anfällig. Die Widerristhöhen liegen bei Auen zwischen 65 und 75 cm, bei Widdern zwischen 75 und 83 cm. Die Gewichte liegen bei Auen zwischen 60 und 85 Kilogramm, bei Widdern zwischen 80 und 100 Kilogramm. Seit den 80er-Jahren setzen sich engagierte Züchter und die Organisation Pro Specie Rara für die Rasse ein, die damals nur noch im Unterengadin gehalten wurde. Das Engadinerschaf wird heute in der ganzen Schweiz gezüchtet.

Weiterführende Informationen

Artikel  (146.3 KB)«Ohne Gewichtskontrolle ist Schafzucht nicht möglich» (Magazin Bioaktuell 7|2015)
agneau-bio-lamm.ch (Website von Lea Egli und Reto Fivian)
Parasitologielabor FiBL (Website von FiBL)

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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 17.09.2024

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