Mit der Kuhfamilienzucht zur standortsangepassten Milchviehherde
Biobetriebe brauchen Tiere, die zu ihrem Standort und ihrer Futtergrundlage passen. Mit alternativen Zuchtverfahren können Betriebe selbst aktiv werden und die Tiere an ihre individuellen Betriebsbedingungen anpassen. Die Kuhfamilienzucht bietet diese Möglichkeit: Im eigenen Betrieb oder in einem Kooperationsbetrieb werden besonders geeignete Kuhlinien ausgewählt, aus denen weibliche und männliche Zuchttiere nachgezogen werden.
Leistung und Körperbau der Tiere müssen zu den individuellen Bedingungen auf dem Betrieb passen. Standortangepasste Tiere können ihre Leistung auf Basis von betriebseigenem Futter und im Wesentlichen von Grundfutter erbringen.
Gewünschte Erbeigenschaften stärken
Die systematische Paarung von verwandten Tieren aus mehreren Linien hat zum Ziel, dass die erwünschten Erbanlagen bei den Nachkommen gehäuft auftreten. Um zu hohe Inzuchtgrade zu vermeiden, sollten gemeinsame Ahnen der anzupaarenden Tiere mindestens drei Generationen zurückliegen.
Die Kenntnis über möglichst viele Ahnen und Eigenschaften aus dem Stammbaum von einem Zuchttier hilft dabei, gute Eigenschaften zu verstärken und das Auftreten von erblich bedingten Krankheiten zu vermeiden.
Natursprung bei Bedarf kombinieren
Für die Kuhfamilienzucht kommt eine Kombination von Natursprung und künstlicher Besamung oder ausschließlich der Natursprung in Frage. Um standortangepasste Tiere zu züchten, muss sich die Wahl der Rassen und Linien und das Zuchtziel beim Rind weitgehend an der betrieblichen Futtergrundlage orientieren.
Was die Kuhfamilienzucht auszeichnet
- Es wird mit mindestens drei verschiedenen, nur wenig miteinander verwandten Linien (Kuhfamilien) von einem Betrieb oder mehreren Partnerbetrieben gezüchtet.
- Die Linien gehen meistens aus Stammkühen hervor, die unter den Bedingungen auf ihrem Betrieb hervorragende Leistungen erbracht haben.
- Weibliche und männliche Nachkommen dieser Linien werden untereinander gepaart. Dadurch ist die Zuchtpopulation wesentlich kleiner als bei klassischen Zuchtbetrieben, welchen die ganze Rasse als Population dient.
- Mit der Zeit sind alle Tiere der Herde untereinander verwandt, aber nicht sehr eng, da nie ganz nah verwandte Tiere angepaart werden.
- Aus einer gezielten Kuhfamilienzucht mit mehreren Linien resultiert in der Regel eine sehr homogene Nachzucht.
- Es werden mehrere Deckstiere aus den ausgewählten Kuhlinien für den Natursprung auf dem eigenen und/oder Partnerbetrieben gehalten.
- Auf künstliche Besamung wird nach Möglichkeit verzichtet.
- Ein Tierzukauf erfolgt immer unter Berücksichtigung der eigenen Zuchtziele und der Umweltbedingungen (vor allem der Fütterung) auf dem Herkunftsbetrieb.
Welche Möglichkeiten es gibt
Für die Umsetzung der Kuhfamilienzucht gibt es je nach Betriebsgrösse und -voraussetzungen verschiedene Varianten:
Kombiniertes Verfahren: Teilweiser Einsatz der künstlichen Besamung
Dieses Verfahren ist besonders für Betriebe geeignet, die neu in die eigene Stierhaltung und die Kuhfamilienzucht einsteigen. Die künstliche Besamung (KB) ist aber auch mit jedem anderen Verfahren kombinierbar.
Ein eigener Stier ist in der Regel ein Jahr lang im Deckeinsatz und deckt die mit ihm nicht nah verwandten Kühe. Die nah verwandten Kühe werden künstlich mit möglichst gut zum Betrieb passenden Stieren besamt.
Einfaches Verfahren: Halbjährlicher Wechsel des Stiers
Viele Züchter*innen halten lieber wenige männliche Tiere, weil sie über zu wenig Stallplätze verfügen, die Futterflächen knapp sind und die Haltung in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Arbeitssicherheit anspruchsvoll ist.
Das «Sechs-Monate-Prinzip» kommt diesem Bedürfnis entgegen und ist für Milchviehbetriebe geeignet, welche während mindestens fünf Jahren ausschließlich mit eigenen Stieren züchten wollen.
Es ist jeweils nur ein Deckstier aus der eigenen Zucht während circa sechs Monaten im Einsatz. Dieser deckt die Kühe und/oder Jungrinder, mit denen er nicht nah verwandt ist. Danach rückt ein Jungstier aus einer anderen Linie nach und deckt wiederum während der folgenden sechs Monate die mit ihm nicht nah verwandten Kühe.
Klassisches Verfahren: Haltung mehrerer deckfähiger Zuchtstiere
Beim klassischen Verfahren der Kuhfamilienzucht hält der Betrieb mehrere deckfähige Zuchtstiere. Dieses System gilt vor allem aufgrund der stallbaulichen Voraussetzungen für die Haltung der Stiere als das anspruchsvollste Verfahren.
Es werden mehrere Stiere verschiedener Kuhfamilien in separaten Buchten gehalten. Die zu deckenden Kühe aus nicht zu nah mit ihnen verwandten Kuhfamilien werden den Stieren zur Paarung zugeführt. Die Aufzucht der Jungstiere erfolgt in der Regel auf dem Betrieb.
Kooperatives Verfahren: Zusammenarbeit in Stierenringen
Wenn weder die gleichzeitige Haltung von mehreren Zuchtstieren noch der halbjährliche Wechsel möglich sind oder wenn ein Betrieb nur wenige Tiere hat, kann die Zusammenarbeit mit anderen Betrieben die Kuhfamilienzucht ermöglichen.
Mehrere Zuchtbetriebe arbeiten zusammen und tauschen ihre besten Stiere untereinander aus. Sie werden jeweils mit nicht nah verwandten Kühen und/oder Jungrindern gepaart. Von einem eigenen Zuchtstier, der auf einen anderen Betrieb verstellt oder verkauft wurde, kann nach zwei bis drei Generationen wieder ein männlicher Nachkomme als Zuchtstier auf den eigenen Betrieb geholt werden.
Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Merkblatt Kuhfamilienzucht.
Weiterführende Informationen
zum Merkblatt (FiBL Shop)
Rindviehzucht (Rubrik Tierhaltung)
Bio-KB-Stiere (Plattform Zuchtstiere für den Biolandbau)
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 12.12.2024