Fragestellung (Modul 4)
Schweine eines Genotyps, die unter konventionellen Bedingungen die besten Leistungen erbringen, sind nicht zwingend auch am besten an ökologische Systeme angepasst. Forderungen nach Zuchtprogrammen für die ökologische Schweinefleischproduktion basieren auf der Annahme, dass die Leistung von Schweinen, die unter ökologischen Bedingungen gehalten werden, anhand anderer Merkmale bewertet werden muss als bei konventionellen Schweinen. Unter verschiedenen Faktoren, die die Bioschweinehaltung von der konventionellen unterscheidet, hat die Fütterung einen starken Einfluss auf die Leistung, Fleisch- und Fettqualität.
Aufgrund der begrenzten Auswahl an Bioproteinfutterkomponenten und dem Verbot von freien Aminosäurezusätzen, lösungsmittelextrahierten Ölsaatenmehlen und künftig auch konventionellen Nebenprodukten wie Kartoffelprotein, das in Bioqualität nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, kann in Biorationen für Mastschweine kaum eine so effiziente Proteinqualität hinsichtlich des Aminosäuren Profils wie in konventionellem Futter erreicht werden. Daher sind Bioschweinediäten trotz eines höheren Proteingehaltes oft durch ein Defizit der erstlimitierenden Aminosäuren Lysin und Methionin gekennzeichnet, was sich auch auf bestimmte Leistungs- und Schlachtkörpermerkmale auswirken kann.
Bioschweinefleisch unterliegt jedoch den gleichen Qualitätsanforderungen wie konventionell erzeugtes Schweinefleisch. In der Regel werden für die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft die gleichen Genotypen verwendet, die jedoch in unterschiedlichen Systemen aufgezogen werden. Dass es einen relevanten genetischen Einfluss auf die Leistung, Fleischqualität und Fettzusammensetzung gibt, wurde in verschiedenen Untersuchungen bereits gezeigt. Dabei bestimmen die Umweltbedingungen, denen ein Tier ausgesetzt ist massgeblich seine Leistung und körperliche Ausprägung (Phänotypische Plastizität). Die individuelle Anpassungsfähigkeit an die es umgebende Umwelt eines Tieres bestimmt dabei, wie stark es sein genetisches Potenzial entfalten kann. Diese Anpassungsfähigkeit variiert von Tier zu Tier, so dass sich die Leistung von Individuen bzw. Genotypen je nach Umwelt unterscheidet, was durch den Begriff Genotyp-Umwelt-Interaktionen (GUI) beschrieben wird.
Es können sich Differenzen in der Leistung von Genotypen in zwei verschiedenen Umwelten zeigen, die jedoch nicht zwingend eine veränderte Rangierung der Genotypen hinsichtlich ihrer Leistung zur Folge haben. Sind die erreichten Leistungen in verschiedenen Umwelten jedoch so unterschiedlich, dass es zu einer Neu-Rangierung der Genotypen kommt, bedeutet dies, dass der beste Genotyp in der einen Umwelt nicht gleichzeitig der beste Genotyp in der anderen Umwelt ist. Die Leistungen eines Genotyps in der einen Umwelt sind damit nicht übertragbar auf eine andere Umwelt, so dass es ein eigenes Zuchtprogramm für die jeweilige Umwelt bräuchte. Dabei ist das Auftreten von GUI je wahrscheinlicher desto mehr sich die Prüfumwelt (in der selektiert wird) von der Mastpraxis unterscheidet.
Die Prüfumwelten von Zuchtstationen (Stationsprüfung) sind so gestaltet, dass die Tiere ihr genetisches Potenzial bestmöglich ausschöpfen können, so dass die Leistungen der Tiere sehr gut eingeschätzt und die Selektion präzisiert werden können. Die Bedingungen in der Praxis (Management, Haltungssystem, Gruppengrösse, Fütterung, Hygienestatus) unterscheiden sich aber meist von der Prüfumwelt von Zuchtstationen, insbesondere wenn es sich um Biomastbetriebe handelt sind die Unterschiede in verschiedenen Bereichen sehr gross (Fütterung, Raufuttergabe, Auslauf, Umgebungstemperatur, erhöhte Aktivität etc.). Je größer die Unterschiede zwischen zwei Umwelten sind, desto eher ist mit dem Auftreten von GUI zu rechnen, so dass schon oft die Eignung moderner und alter Schweinerassen und die Notwendigkeit einer eigenen Zucht für die ökologische Schweinehaltung untersucht und diskutiert wurde. Es wurde folglich angenommen, dass aufgrund von GUI Mastschweine aus konventionellen Zuchtprogrammen ihr Leistungspotenzial unter ökologischen Produktionsbedingungen nicht voll ausschöpfen können.
Das Auftreten von GUI bei Schweinen unter Anwendung verschiedener Fragestellungen wurde bereits mehrfach untersucht, u.a. die Eignung unter konventionellen Bedingungen gezüchteter Kreuzungen für die ökologische Schweinemast. Dabei waren die Ergebnisse durchgehend konsistent und Neurangierungen bzw. starke GUI, die auf die Notwendigkeit einer eigenen Biozucht schliessen lassen, blieben aus. Zu Genotyp-Futter Interaktionen jedoch gibt es kaum Untersuchungen. Die 100%-Biofütterung stellt eine besondere Herausforderung dar und da die Fütterung einen sehr grossen Einfluss auf die Leistung, Gesundheit und Fleisch-und Fettqualität hat, ergab sich die Fragestellung, ob es Zuchteber gibt, deren Nachkommen besser an ein 100%-Biofutter adaptiert sind als andere, so dass eine präzisere Eberauswahl und damit nachhaltigere Futternutzung angestrebt werden könnte.
Innerhalb eines Versuchs bei der Suisag sollten daher gezielt Genotyp-Futter-Wechselwirkungen hinsichtlich konventioneller und ökologischer Fütterung untersucht werden. Dies sollte zeigen, ob es vorteilhaft ist, Eber unter ökologischen Fütterungsbedingungen zu testen und ob unter konventionellen Bedingungen gezüchtete Eberlinien gleichermaßen für die Produktion von Ferkeln geeignet sind, die unter Biobedingungen gemästet werden sollen, oder ob es Genotyp-Futter-Wechselwirkungen hinsichtlich der Leistungs- und Fleischqualitätsmerkmale gibt.
Forschungsfragen
- Welche Leistungen werden mit einem praxisgerechten 100%-Biofutter in der Stationsprüfung erzielt und zeigen sich Genotyp-Futter Interaktionen?
- Lassen sich daraus allenfalls Hinweise für eine biospezifische Auswahl von Endstufenebern ableiten?
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 20.01.2021