Unter der kompetenten Führung von Judith Frei, Co-Betriebsleiterin des Hofs Rinderbrunnen, und Elvira Zollinger, Anbauleiterin des Blumenfelds «Pflückglück» haben die Teilnehmenden am FiBL Flurgang Zierpflanzen viel Praxiswissen zum Thema Selbstpflückanlage und Bioschnittblumenanbau vermittelt erhalten. Regine Kern Fässler vom FiBL lieferte kurze Inputs zu Richtlinienfragen. Während des Rundganges und auch beim anschliessenden Apéro entwickelten sich rege Fragen, Anregungen und Diskussionen.
Mitglied der «Slowflower»-Bewegung
Seit dem Generationenwechsel im Januar 2023 hat der Hof Rinderbrunnen in Grüt, einem Weiler zwischen Wetzikon und Gossau, den Schritt zur Umstellung auf Bio unternommen. Im autonomen Betriebszweig «Pflückglück» ist die Nachhaltigkeit gleich doppelt besiegelt. Als Mitglied der «Slowflower»-Bewegung, bekennt sich der Betrieb auch zu nachhaltigem Anbau und ebensolcher Vermarktung von Schnittblumen; zu Regionalität, Verpackungen möglichst ohne Einwegplastik, den Verzicht auf Steckmasse für Arrangements und vielem mehr. (Slowflower heisst langsame Blume, eine ähnliche Bewegung gibt es für Ernährung mit Slowfood, Red.)
Der vielseitige Landwirtschaftsbetrieb weist eine bemerkenswerte Vielfalt an autonom geführten Betriebszweigen auf und steht auf vielen Standbeinen. Nebst Gemüsebau, Selbsterntegarten, Ackerbau, Streuobst, Hofladen und Verarbeitung, stechen die Schnittblumenfelder mit Selbstpflückanlage entlang der Hauptstrasse ins Auge.
Minimale Infrastruktur auf dem Feld
Auf dem Blumenfeld, welches in zweiter Generation bewirtschaftet wird, steht eine minimale Infrastruktur: ein Zelt, ein Werkzeugwagen und Tafeln an den Beeten, wo die Besucher*innen eingeladen sind, ihre Blumen selbst zu schneiden. Die Scheren und das Packpapier sowie einige Ideen zum Binden von Blumen stehen bereit. Die breiten sauberen Rasenwege laden ein, durch die Beete zu schlendern.
Die Blumen sind nicht wie üblich in Reih und Glied und nach Pflanzenart sortiert: «Pflückglück» entpuppt sich als Fundgrube aus Mischpflanzungen mit einer bunten Vielfalt an Farben, Strukturen, Formen. Mehrjähriges mischt sich mit Einjährigem, Gräsern und Kräutern; zwischendurch wachsen sogar Gemüse. Überall blüht es.
«Der Blumenstrauss im Beet»
«Der Blumenstrauss im Beet», nennt das die Expertin Elvira Zollinger. Die Mischkulturen sollen die Besucher*innen inspirieren, die Vielfalt in ihren Sträussen zu spiegeln. Aus ursprünglich 15 Pflanzen sind in den letzten Jahren über 200 Arten in vielen Varianten und Sorten zusammengekommen. Die Saison dauert vom frühem März mit den ersten Narzissen und Tulpen bis Mitte November mit dem Abschluss von Chrysanthemen und Nerinen.
«Am grössten ist die Vielfalt im Juni und Juli, von den Sonnenblumen haben wir an gewissen Tagen kaum genug», so Elvira Zollinger. Stauden und Gehölze sind dankbar, da auch Blattwerk, Samenstände oder Früchte geschnitten werden können und beitragen, die Saison zu verlängern.
Die Vorteile der Mischpflanzungen: eher geringer Krankheits- und Schädlingsdruck, beim Verblühen oder Abräumen von Partien entstehen nur kleine Lücken, die Beete sehen immer gefüllt aus und «das Unkraut fällt weniger auf», meint Elvira Zollinger mit einem Schmunzeln.
Keine Importware beim Vermehrungsmaterial
Die Anbauleiterin hat ein klares Ziel, sie will kein Vermehrungsmaterial als Importware aus fernen Ländern. Regionale Jungpflanzen in Bioqualität sind kaum auf dem Markt. «Pflückglück» geht damit pragmatisch um: möglichst viel wird direkt gesät. Zwar ist der Kulturstart mit grossem Aufwand verbunden. Ohne sauberes Jäten der Pflanzreihen gehen die jungen Keimlinge verloren. Später dann entwickeln sich die Pflanzen robuster, sind pflegeleichter und müssen seltener bewässert werden. .
Gesät wird fast das ganze Jahr. Spannend sind sogenannte Cool Flowers: ihre Aussaat erfolgt im September und ein zweites Mal im März. Die einjährig-überwinternden Blumen sind robust und entsprechend früh in der Blüte: Nigella, Papaver, Centaurea und anfangs Jahr die Saaten von Cosmea, Melden, Zinnia, Helianthus, und viele andere gehören dazu.
Kreisläufe schliessen bei den Nährstoffen
Säen ist ausser bei Sonnenblumen Handarbeit. Viele der Samen im Pflückglück findet Elvira Zollinger im Angebot von Bingenheimer Saatgut AG, viele Samen vermehrt sie selber. Ergänzt werden die Direktsaaten mit wenigen Jungpflanzen, welche zugekauft werden. Langsame und wärmeliebende Keimer wie Strohblumen, aber auch frühe Zinnien kommen so sicher aufs Beet.
Die Kreisläufe so weit wie möglich zu schliessen ist das Ziel bei den Nährstoffen. Mulch fällt in grossen Mengen beim Mähen der Wege an und kommt dann in die Pflanzlücken. Als Ergänzung dient alte Grassilage, welche in dicken Schichten unter die Dahlien gelegt wird. Bodendeckung heisst auch, den Druck des Unkrauts etwas einzudämmen.
Verluste gehören dazu
Dazu kommen Untersaaten wie Leindotter oder Phacelia, welche später auch als Schnittblumen genutzt werden können. Auf Folien oder Bändchengewebe verzichtet man bei «Pflanzglück» bewusst. Viel Handarbeit erfordert das Jäten, wobei Hirse und Schnürgras viel abverlangen.
Viel Arbeit ohne Ende? Pragmatische Wege wählt Elvira Zollinger bei Dahlien und Gladiolen: die Knollen bleiben über den Winter im Boden. Verluste wie dieses Jahr bei den Dahlien – verursacht durch die Nässe im Frühling oder bei Gladiolen durch die Mäuse – gehören dazu. Der Boden der Gladiolen wird im frühen Frühling vor dem Austrieb geschält, um das dichte Wurzelgeflecht des Schnürgrases zu öffnen. Und bei den Dahlien ist einfach Glück im Spiel: auf dem Rinderbrunnen im gibt es wenig Schnecken.
Defensiver Pflanzenschutz
Beim Pflanzenschutz verhält man sich bei «Pflückglück» generell defensiv. Auf dem Programm stehen wenige Behandlungen gegen Echten und Falschen Mehltau im frühen Entwicklungsstadium der Pflanzen und einige Behandlungen im Frühling gegen Blattläuse.
Biodiversitätsflächen wiederum sind wichtig: Nützlinge werden durch Hecken gefördert, die Schnittblumenfelder sind von Sträuchern und einzelnen Bäume gesäumt – ein kleines Agroforstprojekt inmitten der vielen Blumenbeete. «Die Vögel helfen uns Raupen wie die Gemüseeulen zu regulieren», so Elvira Zollinger.
Schwierige Fruchtfolge
Was bei Schnittblumen schwierig bleibt, ist die Fruchtfolge. Über die Hälfte der Arten gehören zur Familie der Asteracea (Korbblütler), eine Rotation wird zudem durch die Mischung von Ein- und mehrjährigen Arten erschwert. Im Wechsel stehen Sonnenblumen und Dahlien, andere Lösungen werden durch Mischkulturen und Untersaaten gefunden.
Fertige Sträusse, darunter auch Trockenblumensträusse, sind als festes Angebot im Hofladen und doch wenig gefragt. Hauptvermarktung bleibt der Schnitt ab Feld von Privatkund*innen. Mit Aufwand verbunden und darum weniger praktiziert sind Auslieferungen und Bestellungen von Sträussen. Ein Blumen-Abo sowie ein Kursangebot mit Fokus Blumenanbau ist in Entwicklung.
Beliebte Blumenbar
Beliebt ist die Blumenbar, welche an einem Freitag im Monat geöffnet ist. Das Team von Pflückglück ist in dieser Zeit vor Ort und berät die Kundschaft mit Tipps und Tricks zu Schnitt, Binden und floraler Gestaltung. Die Preisbildung im Selbstschneide-System bleibt eine Herausforderung und es scheint nicht immer klar, was die Kund*innen umsetzten und effektiv in die Kasse legen. Gefragt sind einfache Systeme, wie und was gezählt wird und das Vertrauen, dass ehrlich abgerechnet wird.
Regine Kern Fässler, FiBL
Weiterführende Informationen
Mehr zu Zierpflanzen (Rubrik Pflanzenbau)
Webseite des Betriebs (rinderbrunnen.ch)