Illustrationen: Marie-Pascale Gafinen
Die Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern |
Das NBFF hat 2021 eine Zukunftswerkstatt gestartet. Ziel ist es, künftige Herausforderungen sowie Möglichkeiten zu erkennen, diesen zu begegnen, um so zur Weiterentwicklung der Biolandwirtschaft in der Schweiz beizutragen. Im interaktiven Austausch mit Mitgliedern und Gästen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Land- und Ernährungswirtschaft werden Themenkreise erarbeitet zu folgenden beiden Fragestellungen:
Die Themenkreise und damit verbundene Fragestellungen werden im ersten Workshop am 10. März 2021 gemeinsam mit den Teilnehmenden formuliert. Im Verlaufe des Jahres werden diese in mehreren interdisziplinären Arbeitsgruppen weiterbearbeitet. Im Rahmen der Schlussveranstaltung im Dezember 2021 werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen präsentiert.
Das NBFF startet im Jahr 2021 mit der «Zukunftswerkstatt» eine vielversprechende Form der Zusammenarbeit. Am 10. März fand der Kickoff-Event statt.
«Was wäre, wenn im Jahr 2035 50 Prozent der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte biologisch wirtschaften würden? Wenn dies gesellschaftlich gewollt wäre, welche Hürden wären zu überwinden?» Mit diesen Fragen lud der Leitungsausschuss des NBFF zum Kickoff-Event vom 10. März der diesjährigen Zukunftswerkstatt ein. 75 Personen aus der landwirtschaftlichen Produktion über Forschung und Wissensvermittlung bis hin zu Beratung, Verarbeitung, Umweltorganisationen, Detailhandel und Gastronomie nahmen am ganztägigen Online-Anlass teil. Damit entstand ein «Mix von Teilnehmenden aus der gesamten Ernährungs- und Landwirtschaftsbranche, der das NBFF zu etwas Speziellem macht» (Balz Strasser, Bio Suisse).
Die Zukunftswerkstatt ist ein Raum, in dem alle eingeladen sind, offen über alle Aspekte der Wertschöpfungskette nachzudenken, neue Fragen zu stellen und dadurch neue Visionen und Lösungsansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung in der Schweiz zu entwerfen. Am Kickoff-Event bildeten sich Arbeitsgruppen zu ausgewählten Themenkreisen. Diese Arbeitsgruppen werden sich im Laufe des Jahres drei weitere Male treffen.
Ziel ist es, zum Abschlussevent am 9. Dezember 2021 Fragestellungen zum Wachstum und Florieren einer nachhaltigen Landwirtschaft gesammelt, bewertet und priorisiert zu haben. Handlungsbedarf und Spannungsfelder werden ausgeleuchtet, überzeugende Ideen entwickelt sowie Pläne entworfen, wie diese Ideen umgesetzt werden könnten. Gleichzeitig soll eine innovative und kollaborative Form der Zusammenarbeit anlaufen.
Die Zukunftswerkstatt wurde konzipiert und wird begleitet von scaling4good, einem Think-and-Do-Tank, der spezialisiert ist auf kollaborative Zusammenarbeit in gesellschaftlichen Transformationen. Die Inhalte und die Art der Zusammenarbeit der beiden Grossanlässe vom März und Dezember werden durch Marie-Pascale Gafinen illustriert. Updates zur Zukunftswerkstatt werden regelmässig auf Bioaktuell.ch publiziert.
Der Handlungsbedarf in Anbetracht der Klima- und Biodiversitätskrise ist gross, und die Landwirtschaft trägt darin «eine besondere Verantwortung» (Lucius Tamm, FiBL). Das NBFF als Verbindung von Forschung und Praxis verfügt über eine breite Basis von Interessierten und vielseitig Tätigen, die einen enormen praktischen, wissenschaftlichen und logistischen Wissensschatz mitbringen. Deshalb setzte sich das NBFF für das Jahr 2021 zum Ziel, Personen aus der ganzen Wertschöpfungskette der Ernährungs- und Landwirtschaft zusammenzubringen, um gemeinsam die wichtigsten, drängendsten und wirkungsvollsten Fragestellungen für Forschung und Praxis zu identifizieren.
Damit dieses Wissen zur nachhaltigen Landwirtschaft und zum Biolandbau in Zukunft gezielt und wirksam für alle eingesetzt werden kann, braucht es aber «klare Visionen» (Balz Strasser, Bio Suisse). «Denn», wie Eva Reinhard von Agroscope in ihren Begrüssungsworten hervorhob, «wissenschaftliche Resultate sind schon viele vorhanden, jetzt gilt es jedoch, diese Erkenntnisse in die richtigen Kontexte zu stellen.» Vertreterinnen und Vertreter des NBFF sind überzeugt, dass eine Zusammenarbeit zwischen verschiedensten Akteurinnen und Akteuren zielführend ist. Dafür braucht es neue Räume, um mit allen Beteiligten über den eigenen Horizont hinauszudenken. Mit der Zukunftswerkstatt hat das NBFF diese Räume für das Jahr 2021 geschaffen.
Die «Zukunftswerkstatt» ist ein «Experiment» (Lucius Tamm, FiBL) und eine «Lernreise» (Katrin Hauser, scaling4good), damit «die Vision der nachhaltigen Landwirtschaft Realität werden kann» (Eva Reinhard, Agroscope). Mit diesen Worten wurden die Teilnehmenden am Kickoff-Event vom 10. März begrüsst. Das Programm sah Inspirationen, Aktivitäten und sogar kleine Bewegungspausen vor.
Drei Impulsvorträge boten Inspiration:
Eine weitere Inspiration gab es zum Thema Kooperation & Kollaboration durch Anaïs Saegesser von scaling4good. Puzzeln ist Kooperation: Man kann mit einer klaren Arbeitsteilung schweigsam nebeneinander Puzzleteile zusammensetzen. Das Entwickeln einer Bildergeschichte hingegen ist Kollaboration: Man muss sich unterhalten, austauschen erklären. Das ist zwar aufwändiger, aber auch lebendiger und freudvoller. «Es gehe», so Saegesser, «nicht darum zu sagen, dass die erste Arbeitsform (Kooperation) schlechter als die zweite (Kollaboration) ist. Aber man kann aussuchen, welche wann am nützlichsten ist.»
Mit dieser Anregung starteten sieben Gruppen in die Breakout-Sessions. Die Teilnehmenden suchten sich einen Themenkreis, der für sie relevant war. Die Themenkreise fokussierten auf verschiedene Bereiche entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Ernährungs- und Landwirtschaft. Ziel des Tages war es, in diesen Gruppen ein gemeinsames Verständnis des Themenkreises zu finden und die wichtigsten Fragestellungen, Hindernisse und Synergien mit anderen Themen zu entdecken. Der rote Faden der Diskussionen war dabei immer die Hypothese des NBFF: «Was wäre, wenn im Jahr 2035 50 Prozent der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte biologisch wirtschaften würden? Wenn dies gesellschaftlich gewollt wäre, welche Hürden wären zu überwinden?» In vier Schritten formierten sich so im Laufe des Tages sieben Arbeitsgruppen zu sechs Themenkreisen.
Die Kernfragen und Schwerpunkte zu jedem Themenkreis finden sich in den nachfolgenden Illustrationen. Unterstützt wurden die Breakout-Sessions durch Moderatorinnen und Moderatoren sowie Protokollantinnen und Protokollanten aus den drei Organisationen Bio Suisse, FiBL und Agroscope, die durch scaling4good auf ihren anspruchsvollen Einsatz vorbereitet worden waren.
Illustrationen: Marie-Pascale Gafinen
«Alles hängt irgendwie miteinander zusammen!» stellte ein Teilnehmer des Themenkreises «Ernährung und Landwirtschaft in Gesellschaft und Politik» fest. Ja, die Themen sind komplex, vielschichtig miteinander verknüpft und wurden ebenso vielseitig durch die Teilnehmenden beleuchtet. Das bedingte, was auch der Zweck des Kickoff-Events war: Diesen Raum des Vertrauens für neue Fragen und Visionen zu nutzen, sich gegenseitig zuzuhören und auch überraschen zu lassen.
Ein «ganz feines Ohr» und eine kreative Zeichenhand bewies die Illustratorin Marie-Pascale Gafinen, die den ganzen Tag im Hintergrund durch die Breakout-Sessions wanderte und ins Bild brachte, was diskutiert wurde. Ihr Gesamtbild zum Schluss des Tages zeigte sowohl die Inhalte wie auch den Weg auf, den das NBFF mit seiner offenen Vorgehensweise in der Zukunftswerkstatt eingeschlagen hat.
Die Mitglieder des Leitungsausschusses des NBFF, Lucius Tamm (FiBL), Eva Reinhard (Agroscope) und Balz Strasser (Bio Suisse), diskutierten ebenfalls in den Themenkreisen mit. Den technischen Support für die Online-Instrumente stellte das FiBL zur Verfügung unter der organisatorischen und koordinativen Leitung von Chigusa Keller. Für die Übersetzung ins Französische standen Karine Contat und Birgit Köppen im Einsatz. Dies wurde sehr geschätzt.
Die Arbeitsgruppen haben sich gebildet. Weitere Interessierte haben noch Gelegenheit, in den Jahreszyklus einzusteigen. Facilitatorinnen und Facilitatoren begleiten die Arbeitsgruppen wirkungsvoll. Sie werden von scaling4good auf diese Aufgabe vorbereitet. Regelmässige Treffen der Facilitatorinnen und Facilitatoren werden den Wissenstransfer zwischen den Arbeitsgruppen ermöglichen und erlauben, Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen übergreifend zu nutzen.
Ziel der Arbeitsgruppen ist es, bis zum Anlass am 9. Dezember 2021 diejenigen Fragestellungen formuliert zu haben, die in Forschung, Praxis und entlang der Wertschöpfungskette mittel- bis langfristige Anstösse geben, die zur Weiterentwicklung und Verbreitung einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft verwendet werden können. Die Teilnehmenden erhalten eine Plattform für kollaboratives Erarbeiten von tragfähigen Lösungsansätzen und sollen dazu inspiriert werden, auch in zukünftigen Projekten kontextübergreifende Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.
Neuigkeiten zu den Arbeitsgruppen während des Jahres finden Sie hier auf dieser Website.
Haben Sie Anregungen oder Fragen?
Dann melden Sie sich gerne bei FiBL-Mitarbeiterin Chigusa Keller.
Ariane Tanner, scaling4good
Nationales Bioforschungsforum (Rubrik Aktuell)
www.scaling4good.com (Website scaling4good, englisch)
www.gafinen.com (Website von Marie-Pascale Gafinen)
Die «Zukunftswerkstatt» des NBFF ist mit sieben Arbeitsgruppen gestartet: ein Einblick in diese neue Form der Zusammenarbeit.
Die Zukunftswerkstatt des Nationalen Bioforschungsforums NBFF ist in der Schweiz ein besonderes Format: Die drei Trägerorganisation Agroscope, Bio Suisse und FiBL bringen Forschende sowie Praktiker und Praktikerinnen zusammen, um Fragestellungen und Projektideen für die Zukunft der Landwirtschaft in der Schweiz zu entwickeln. Ein weiteres Ziel der Zukunftswerkstatt ist es, eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteure entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu ermöglichen und zu festigen. Die Trägerorganisationen fördern bewusst die Mitgestaltung, Eigeninitiative und Eigendynamik durch Arbeitsgruppen. Die erwarteten Resultate aus dieser Zusammenarbeit sind Themenschwerpunkte und Fragestellungen für die Forschung oder Projektideen, die für alle Beteiligten relevant sind und auch über die Zukunftswerkstatt hinaus bearbeitet werden sollten.
Die meisten Arbeitsgruppen haben sich zwischen dem Abstimmungswochenende vom 13. Juni 2021 und Anfang Juli erstmals online getroffen. Gerade in den abgelehnten Trinkwasser- und Pestizidfrei-Initiativen sah man, welche starken Interessenkonflikte hervortreten können. Das spricht dafür, dass es kollaborative Gefässe wie die Zukunftswerkstatt braucht, wo die verschiedenen Akteurinnen und Akteure in einem vertrauensvollen Rahmen gemeinschaftlich an innovativen Lösungsansätzen arbeiten können. Bis zum Schlussevent vom 9. Dezember 2021 werden sich die Arbeitsgruppen noch zwei weitere Male (online) treffen. Hier folgen erste Eindrücke.
Eine Werkstatt braucht einen Ort, kundige Leute, geeignete Werkzeuge und Material. Der Ort für die Werkbank und die kundigen Leute wurden bereits am Kickoff-Event vom 10. März 2021 gefunden: Sieben Arbeitsgruppen mit je acht bis vierzehn Personen bildeten sich zu sechs Themenkreisen (vgl. oben). Am Abend des Kickoff-Events hatten sich zudem mehrere Teilnehmende spontan gemeldet, um das Gestalten, Organisieren und Moderieren der Arbeitsgruppentreffen zu übernehmen. Inzwischen haben sich fast überall Zweierteams für diese Gruppenfacilitation gefunden, was sehr geschätzt wird, weil das gemeinsame Vorbereiten und Gestalten der Sitzung nicht nur lehrreich ist, sondern auch mehr Spass macht.
Die ersten Impulse und die geeigneten Werkzeuge für die Facilitation der Arbeitsgruppentreffen wurden von scaling4good bereitgestellt.
Illustration: Marie-Pascale Gafinen
Wenn neue kundige Leute rund um eine Werkbank stehen, bringen sie selbstverständlich auch ihre eigenen Werkzeuge mit: So richtete zum Beispiel ein Facilitator für alle Gruppen eine Online-Kommunikationsplattform auf wechange.de ein, wo die wichtigsten Dokumente zur Zukunftswerkstatt zu finden sind, aber auch News ausgetauscht und gemeinsame Termine gefunden werden können. Ein anderer Gruppenfacilitator entwickelte ein eigenes Online-Board, mit dem er besser arbeiten konnte. Die Gruppenleitungen begannen also, sich selbst zu organisieren und gestalteten die konkrete Sitzung so, wie es für sie stimmte. Damit transportieren sie die Idee des NBFF, möglichst alle Interessierten teilhaben zu lassen und zu integrieren, bereits weiter. Das eigene Experimentieren mit kollaborativen Arbeitsformen wird von scaling4good immer wieder angeregt, da proaktives Handeln und Ausprobieren ein Schlüssel für selbstverantwortliche Veränderung ist.
Kein Wunder also, dass die Facilitatorinnen und Facilitatoren beim ersten Austauschtreffen mit scaling4good gerne zurückmeldeten, was gelungen sei: «Mer händ kreativ chöne schaffe, es isch sehr toll gsii.» Es hätte gute Stimmung geherrscht, die Teilnehmenden seien motiviert gewesen, ein fairer Austausch sei gepflegt worden und die Gruppe hätte gut zusammengefunden. Weitere wichtige Erfahrungen waren, wie eine Facilitatorin besonders hervorhob, dass es sich sehr gelohnt habe, der Gruppe nochmals Zeit zu geben, eine gemeinsame Sprache zu finden: Was ist genau unser Themenbereich? Bedeutet er für uns alle dasselbe? Was sind die wichtigsten Fragen für uns? Sind es noch dieselben wie am Kickoff-Event oder möchten wir sie anpassen?
Das heisst, das Materiallager der Werkstatt wurde neu bestückt. Die Arbeitsgruppen diskutierten, um ihre wichtigsten Anliegen zu formulieren und einen gemeinsamen Fokus zu finden. Das ist ein Resultat der Zukunftswerkstatt an und für sich, oder wie es ein Facilitator ausdrückte: «Das ist für mich ein Hauptziel: Herauszufinden, wie die Zusammenarbeit funktionieren kann.»
Einen Beweis dafür, dass offene Räume kreativ und wertstiftend genutzt werden, erbrachten auch die ersten Ideen für Resultate der Arbeitsgruppen. Von Seiten der Projektleitung standen zunächst Forschungsfragestellungen und Projektideen im Raum. Nun wurden an den verschiedenen Werkbänken bereits erste Rohlinge entwickelt: Soll es ein Input aus der Praxis werden oder eine Handlungsempfehlung an Institutionen? Könnte es auch die Entwicklung von Szenarien sein oder sogar ein Whitepaper? Aber vor allem - wer soll die Ergebnisse lesen oder hören?
Das wird die nächste grosse Aufgabe der Arbeitsgruppen sein: Sie dürfen und müssen entscheiden, was im Rahmen der Zukunftswerkstatt ein realistisches Resultat ist, wie es aussehen soll und an wen es sich richtet. Sie werden entscheiden, welches Material und welche Materialbearbeitungen dafür nötig sind, und ob sie noch weiteres Knowhow durch externe Experten und Expertinnen hinzuziehen wollen. Dieser Prozess ist im Moment voll im Gange. Man darf darauf gespannt sein.
Ariane Tanner, scaling4good
Beteiligung heisst, verschiedene Interessengruppen in einen Entscheidungsprozess miteinzubeziehen. Durch Beteiligung wird die Einflussnahme demokratisiert und Wirkungsmacht dezentralisiert.
Zwei Dinge sind immer Voraussetzung für das Gelingen von Beteiligungsprozessen: Erstens müssen alle eine hohe Bereitschaft zum aktiven Mitgestalten, Lernen und zur Selbstreflexion mitbringen; zweitens braucht es eine Projektleitung und Moderation, die Räume für Co-Kreation eröffnen. Diese Grundsätze lassen sich auf verschiedene Formen von Mitwirkung übertragen, so auch auf das Nationale Bioforschungsforum (NBFF) und die «Zukunftswerkstatt».
Die Zukunftswerkstatt ist solch ein partizipatives Projekt im Rahmen des NBFF und läuft nun schon seit dem 10. März 2021.
Seit dem Kickoff-Event haben sich die meisten Arbeitsgruppen zweimal getroffen und werden noch ein drittes Mal zusammenkommen, ehe am 9. Dezember die Abschlussveranstaltung stattfindet. Der Think-and-Do-Tank scaling4good hat die Facilitatorinnen und Facilitatoren der Arbeitsgruppen ebenfalls bereits zweimal virtuell getroffen und Fragen, Zwischenresultate und Probleme während des Prozesses besprochen.
Zwei Themen stachen bei der letzten Zusammenkunft Mitte Oktober 2021 besonders hervor: Zum einen wie unerschrocken und lösungsorientiert sich die Facilitatorinnen und Facilitatoren bisher den Herausforderungen gestellt haben, zum anderen die von ihnen geäusserten Sorgen in Bezug auf die Wirkung der Arbeitsgruppen, das heisst die Frage: Was braucht es, damit die Ergebnisse der Arbeitsgruppen nicht in einer Schublade landen und verstauben? Beide Themen sind typisch für partizipative Projekte.
Ohne eine engagierte und gut instruierte Begleitung können Arbeitsgruppen nicht funktionieren. Die Facilitatorinnen und Facilitatoren leisten einen unabdingbaren Beitrag zur Zukunftswerkstatt, der auch zeitlich bei ihnen zu Buche schlägt, gilt es doch, organisatorische, inhaltliche und menschliche Aspekte zu bewältigen. «Eine gemeinsame Sprache» oder eine «gemeinschaftliche Definition von Begriffen» zu finden, wie das von verschiedenen Facilitatorinnen und Facilitatoren geschildert wurde, ist alles andere als trivial, aber legt die Basis für eine gegenseitige Verständigung.
Auch bewiesen die Facilitatorinnen und Facilitatoren viel Phantasie darin, mögliche Unvereinbarkeiten zu überwinden. Eine Gruppe begab sich ins Feld und liess sich zeigen, wie regenerative Landwirtschaft funktioniert, um vor Ort ihre Fragen zu diskutieren. Dadurch entdeckten sie zum Beispiel, dass es in ihrer Gruppe gut begründete, aber doch unterschiedliche Auffassungen davon gibt, was «Humus» ist.
Aber ein Arbeitsgruppentreffen ist mit der Vorbereitung und der Durchführung noch nicht getan. Jeweils im Anschluss ist die Facilitation damit beschäftigt, einen «roten Faden zu finden», der die vielfältigen Ideen und Diskussionsstränge wieder zusammenfasst, um beim nächsten Arbeitsgruppentreffen zurückzuspiegeln, was bisher erarbeitet wurde, und einen Schritt weiter zu kommen.
Diese inhaltliche Auseinandersetzung ist intensiv. Hinzu kommt in allen Arbeitsgruppen das Bewusstsein auf, wie wichtig Wissenstransfer untereinander ist und wie man diesen gut gestalten kann. So verwundert es nicht, dass Fragen dringlich werden, wie dies auch in Zukunft geschehen könnte: Wie schafft man Sichtbarkeit für die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, wenn die Zukunftswerkstatt Ende Jahr abgeschlossen ist? Wie lassen sich die Erfahrungen während diesem Jahr für das NBFF verstetigen? Wie kann sich aus den Erkenntnissen Wirkung entfalten? Das führt direkt zum zweiten Thema, das zurückgemeldet wurde.
Beteiligung ist immer aufwändiger als Top-Down-Entscheide, aber nachhaltiger, wenn ihre Wirkung verstetigt wird. Erfolgreiche Projekte erzielen immer eine Wirkung über sich selbst und über die ursprüngliche Dauer hinaus. Sie etablieren neue Herangehensweisen und eine Form der Zusammenarbeit; sie setzen neue inhaltliche Schwerpunkte, führen zu Nachfolgeprojekten oder erlauben es, mit neuen Partnerinnen und Partnern zusammenzuarbeiten.
Wirkungsentfaltung hiesse dann im Beispiel der Zukunftswerkstatt, darüber nachzudenken, wie die wertvollen Erfahrungen der Partizipation weitergepflegt werden können; das heisst es muss auch darüber nachgedacht werden, welche Ressourcen es für eine institutionelle Verstetigung und einen erfolgreichen Wissenstransfer sowie eine Übersetzung in die Praxis benötigt.
Um dem grossen zeitlichen und energetischen Aufwands der Facilitatorinnen und Facilitatoren und der Teilnehmenden der Arbeitsgruppen Rechnung zu tragen, soll es am Abschlussevent vom 9. Dezember 2021 eine Sequenz zu Sichtbarmachung und Wirkungsentfaltung geben – eine Frage, die das NBFF über die Zukunftswerkstatt hinaus beschäftigen wird, zu deren Beantwortung die Arbeitsgruppen bereits reichlich Erfahrungen gesammelt und eigene Vorstellungen entwickelt haben. Man darf also gespannt sein auf den Schlussevent der Zukunftswerkstatt vom 9. Dezember 2021.
Ariane Tanner, scaling4good
Wenn Biolandbau neu gedacht wird, werden Forschungslücken sichtbar und es entstehen neue Möglichkeiten zum Handeln, zur Zusammenarbeit und für zukünftige Projekte. Das bewies die «Zukunftswerkstatt» 2021 des Nationalen Bioforschungsforums (NBFF), die am 9. Dezember mit rund 65 Teilnehmenden im Kulturzentrum Schützi in Olten ihren Abschluss fand. Ein Tag für die Würdigung der Ergebnisse aus sieben Arbeitsgruppen sowie für die Weiterbearbeitung und Vertiefung der Themen vor Ort.
Sind Akteurinnen und Akteuren entlang der Wertschöpfungskette Ernährung und Landwirtschaft eingeladen, um Kernfragen für Forschung und Praxis einer nachhaltigen Landwirtschaft zu entwerfen, dann wird es sofort komplex – aber auch konkret. «Komplex», weil sich zeigte, dass die biologische Landwirtschaft ein Ausgangspunkt ist, um über ökologische Zusammenhänge, wirtschaftliche Entwicklung, ethische Werte und soziokulturelles Zusammenleben nachzudenken. Mit der biologischen Landwirtschaft kommt das Gesamtgefüge unseres Lebens in den Blick, von Arbeit und Ernährung über Soziales und Wohlbefinden hin zu Wissen und Forschung.
«Konkret», weil es in Gruppen von so kundigen Personen möglich ist, die Folgen von einzelnen Veränderungen innerhalb der ganzen Wertschöpfungskette schnell abzuschätzen und Zielkonflikte zu benennen. Die Beteiligten schafften es, ihren Wissens- und Erfahrungsschatz für die Entwicklung von Handlungsempfehlungen und Lösungsvorschlägen einzusetzen.
In sieben Arbeitsgruppen mit Mitgliedern aus den drei Trägerinstitutionen FiBL, Bio Suisse und Agroscope und weiteren Akteurinnen und Akteuren der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft wurden 8 Monate lang verschiedene Kernfragen nachgedacht und konzeptionell bearbeitet. Am Morgen des ganztägigen Schlussevents wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen auf der grossen Bühne der Schützi präsentiert, am Nachmittag die Fragen des Publikums an die Arbeitsgruppen aufgenommen und im «World Café»-Format diskutiert. Die detaillierten Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen werden voraussichtlich im Frühling 2022 im «Werkstattbericht» erscheinen. An dieser Stelle sollen vier übergreifende Ergebnisse des Tages zusammengefasst werden:
Für den agrarökologischen Bereich gibt es hohen Handlungsbedarf im Bodenkontext. Im Bodenkontext kommen die Fragen von biodiversitätsschädigenden Praktiken sowie Verminderung von Umweltschäden klar zum Ausdruck. Gleichzeitig geht es hier um ganz praktische Fragen hinsichtlich regenerativer landwirtschaftlicher Techniken. Eindrücklich wurde beschrieben, wie es gelingen kann, die Regenwürmer auf dem Feld mit aufbereitetem Hofdünger zu füttern, mit dem Ziel resiliente Böden aufzubauen. Landwirtinnen und Landwirte schilderten erfolgreiche Praktiken und erörterten zusammen mit Forschenden, welche offenen Fragen es noch zu klären gibt. Währenddessen konnte das Publikum an zwei verschiedenen Behältern mit Erde riechen und erfühlen, was es heisst, wenn krümeliger Humus durch die Finger rieselt.
An konkreten Erfahrungen und Praktiken knüpfte auch ein zweiter Schwerpunkt des Tages an: Wissenstransfer. Es hatte sich auch in den Arbeitsgruppen gezeigt, dass Mehrwert und bessere Lösungen entstehen, wenn man fachliche Silos aufbricht und die Welt der Landwirtinnen und Landwirte mit dem Forschungslabor in Kontakt kommt und umgekehrt Forschende Gummistiefel anziehen und eine Stallvisite machen.
Das zeigt ein Beispiel aus Luzern eindrücklich: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren vor Ort um zu verstehen, was die Anliegen der Bauern und Bäuerinnen waren und konnten im Gegenzug ihr Wissen zum Thema Tiergesundheit anbringen. In einem anderen Fall, als es um pfluglosen Anbau von Silomais ging, wurde dies in der Praxis mehrfach erprobt, jedoch fehlte die wissenschaftliche Begleitung bzw. der Transfer in die Forschung und Auswertung .
Vielen Arbeitsgruppen war es ein Anliegen, diese Schnittstelle in Zukunft besser zu gestalten. Das Thema «Wissenstransfer» zog sich durch den ganzen Tag, wie man auch auf der Illustration von Marie-Pascale Gafinen («Graphic Recording») sehen kann, die aufs Neue die Zukunftswerkstatt zeichnend begleitete. Das Stichwort «partizipative Forschung» ist im Zusammenhang des Wissenstransfers ebenfalls wichtig. Eine Arbeitsgruppe führte aus, wie sie sich das vorstellt: Ein Gremium solle gebildet werden, zu dem auch Landwirtinnen und Landwirte gehören, damit gewährleistet wird, dass Themen von Relevanz für die Praxis gesammelt werden. Die Landwirtinnen und Lanwirte sollten auch bei der Priorisierung und Auswahl der Forschungsfragen mit dabei sein. Es wurde empfohlen, dem Druck der Spezialisierung entgegenzuwirken, um der Komplexität der Herausforderungen gerecht zu werden, die auch Klimafragen und den Biodiversitätsschwund zu adressieren erlaubt. In der Praxis werden solche vernetzten Ansätze schon vielfach erprobt; was oft fehle, sei die wissenschaftliche Begleitung. Diese sei aber nötig, «selbst wenn die Wissenschaft nicht auf jede Frage eine Antwort hat.»
Ein dritter Schwerpunkt des Tages waren so genannte Hürden: Wie kann man Hürden oder Hindernisse abbauen, damit mehr Landwirtinnen und Landwirte in den Biobereich wechseln? Zum Beispiel zeigte eine Arbeitsgruppe auf, dass das Problem der Umweltschäden nicht ausschliesslich produktionsseitig angegangen werden kann. Es gelte, auch die passenden Marktstrukturen zu fördern und die Konsumentinnen und Konstumenten miteinzubeziehen; man müsse «gemeinsam Verantwortung für die Ökosystemdienstleistungen übernehmen». Vielleicht wäre es auch gut, schlug eine andere Gruppe vor, man würde im Übergang zwischen konventioneller Landwirtschaft und Biolandbau «Pflicht» von «Kür» unterscheiden. Das erlaube einerseits einen einfacheren Einstieg und kein so langes Warten auf die höheren Marktpreise. Anschaulich machte dies die Arbeitsgruppe mit einer Leiter, woran sie die verschiedenen Anpassungen und Massnahmen Schritt für Schritt wörtlich anbrachten.
Ein wichtiges Instrument, um Hürden und Hindernisse zu begegnen, sind Pilotprojekte. Der Tenor aus verschiedenen Arbeitsgruppen war denn auch, dass es zum Beispiel bezüglich Bodenbearbeitung, Richtlinien, Ethik oder Verarbeitung nicht darum gehe, den ganz grossen Wurf zu machen. Besser könne man sich vorstellen, sofort mit kleinen Projekten zu diesen inhaltlichen Themen zu starten.
Eine Form davon ist ein «regionales Reallabor». In Biel könne man beobachten, wie sich jetzt Institutionen zu einer nachhaltigen Ernährung verpflichteten. Zunächst in den Altersheimen, bald sollen die Kinderbetreuungsstätten hinzukommen. Auf diese Weise, lokal und regional, kann schneller etwas erreicht werden als auf eine gesetzliche Grundlage zu warten.
Eine der grössten Hürden sind Preise bzw. Margen. Die Forderung, dass es hier Transparenz brauche, wurde von mehreren Arbeitsgruppen geäussert. Kostenwahrheit ist hier ein Schlüsselwort, aber auch das Bewusstsein dafür, dass der biologische Landbau darauf abstützt, höhere Preise zu erzielen wie der konventionelle. Diese Hürde hat auch stark mit der Sensibilisierung und der Kommunikation zu tun, dem vierten Schwerpunkt des Tages:
Wie schafft man in einer breiten Bevölkerung das Bewusstsein für den Wert von Nahrungsmitteln und den Wert von landwirtschaftlicher Arbeit? Auf dem Weg zu mehr Biolandwirtschaft und gesellschaftlicher Akzeptanz ist Kommunikation ein Schlüssel, betonte eine Arbeitsgruppe, und zwar nach innen und nach aussen: Man müsse den Menschen näherbringen, «wie die Biowelt funktioniert». Zielkonflikte müsste man erklären können, «auf einfache Art und Weise, und es darf auch einmal witzig sein». In diesem Sinne spürte man den ganzen Tag eine grosse Energie und ein Riesenengagement. Es war spürbar, dass vor allem die Veränderungen weiter verfolgt werden sollten, die für die gesamte Wertschöpfungskette ein Gewinn sind. Man möchte neue Wege einschlagen, diese aber demokratisch legitimiert wissen.
Durch den Tag führte Katrin Hauser von scaling4good mit einer gewohnt einladenden, gut informierten und humorvollen Moderation. Sie war das ganze Jahr über fester Ankerpunkt der «Zukunftswerkstatt» und Ansprechperson für alle Anliegen der Facilitatorinnen und Facilitatoren sowie für die Arbeitsgruppen gewesen. Sie begrüsste auch zum Abschluss Lucius Tamm, Eva Reinhard und Balz Strasser für eine Podiumsdiskussion.
Der Leitungsausschuss des Nationalen Bioforschungsforums nahm nicht nur das Vertrauen und die begeisterte Energie der Beteiligten wahr, sondern hörte auch ihre Handlungsempfehlungen und Forschungsanliegen. Er sei froh, sagte Balz Strasser von Bio Suisse, dass sie diese Zukunftswerkstatt gemacht hätten, weil man dadurch besser sehe, «wie der Link zwischen Praxis und Forschung gestärkt» werden kann. Für die Zukunft sollten Gefässe gefunden werden, um die Diskussion fortzuführen. Eva Reinhard von Agroscope freute sich, dass sie an diesem Tag «eine grosse Offenheit» erlebt habe, sich mit Wissen auseinanderzusetzen.
Und Lucius Tamm vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL hielt fest, dass es jetzt herauszufinden gelte, wie Forschungsanliegen aus der Praxis direkter in die Institutionen gelangen. Er sei begeistert, dass dazu von den Teilnehmenden völlig neue Ansätze genannt wurden, wie zum Beispiel die virtuellen Wertschöpfungsverbünde. Es gelte auch immer, sich selbst zu beobachten und weiterzuentwickeln, damit das Bioumfeld auch Neues aufnehmen könne zum Beispiel aus der regenerativen Landwirtschaft, aber auch im konventionellen Landbau gäbe es Ansätze, die Bio sich zu eigen machen könne. Der Gratulation an die Teilnehmenden von Balz Strasser, der beeindruckt war «von der Breite der Themen und den verschiedenen Flughöhen», aus denen man ihnen begegnete, schlossen sich alle an.
Die «Zukunftswerkstatt» hatte im Konjunktiv begonnen. «Was wäre, wenn im Jahr 2035 die Hälfte der Landwirtinnen und Landwirten biologisch produzieren würde?» An diesem Tag des NBFF wurde vielfältig aufgezeigt, wie die Möglichkeitsform der Ausgangsfrage in die Wirklichkeitsform übersetzt werden könnte.
Januar 2022, Ariane Tanner, scaling4good
Nationales Bioforschungsforum (Rubrik Aktuell)
www.scaling4good.com (Website scaling4good, englisch)
www.gafinen.com (Website von Marie-Pascale Gafinen)
Werkstattbericht: NBFF Zukunftswerkstatt 2021 (2.5 MB)
Schlussbericht NBFF (483.6 KB) vom 13.01.2022
Fragen an FRC und Konsumentenschutz (435.0 KB)
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 30.06.2022