Was hat mein Morgenkaffee mit der Stickstoffdüngung zu tun?
Am Morgen giesse ich Kaffee in die Tasse, langsam füllt sie sich, dann ist sie voll. Aber ich giesse weiter Kaffee hinein, ein Viertel geht daneben, die Sauerei ist gross. Weshalb tue ich das? Das weiss ich auch nicht. Vielleicht, damit ich ganz sicher sein kann, dass genug Kaffee in der Tasse ist. Und damit die Kanne danach leer ist, bereit für neuen Kaffee.
Etwa so läuft es mit der Düngepraxis in der Schweiz. Gut 35 Kilogramm Stickstoff zu viel landen im Schnitt auf jeder der gut 1‘000‘000 Hektaren Landwirtschaftsland – wenn wir die Sömmerungsflächen beiseitelassen und die 55‘000 Tonnen Stickstoff, die schon beim Lagern und Ausbringen von Mist verlorengehen nicht rechnen. Rechnen wir die auch, dann wären wir bei fast 90 kg. Bei einem Normbedarf von 120 kg pro Hektare für Sommerweizen zum Beispiel sieht das also aus wie bei meiner Kaffeetasse. Die Sauerei auf dem Tisch sind das Nitrat im Gewässer und das Lachgas und Ammoniak in der Luft. Die Verschmutzung könnte viel kleiner sein, wäre nur nicht so viel Stickstoff im System.
Also sollte ich weniger Kaffee in die Tasse schütten und vor allem weniger Kaffee machen, sodass die Menge zur Tasse passt. Für uns heisst das also, weniger Stickstoff zu düngen. Weniger Mist zu produzieren, der verteilt werden muss, da er sonst im Weg ist. Und weniger Tiere zu halten, die jährlich Mist mit 130‘000 Tonnen Stickstoff darin produzieren, und den Mist mit geringen Verlusten zu lagern. Die 50-55‘000 Tonnen Mineraldünger, die wir in der Schweiz verwenden, machen die Stickstoffbilanz auch nicht besser, 34‘000 Tonnen Stickstoff aus der biologischen Fixierung kommen noch dazu und ganz gratis regnen im Schnitt schon fünfzehn bis zwanzig Kilogramm Stickstoff auf jede Hektare, total 27‘000 Tonnen.
Klar, man muss auf die Erträge schauen. Bei 35 kg Überschuss pro Hektare – oder 90 kg inklusive der Verluste – ist aber eine Veränderung möglich. Weniger Tiere zu halten ist natürlich nicht von heute auf morgen umzusetzen. Das braucht gute Planung und Zeit. Aber was bleibt anderes übrig? Klimaschutz und Nachhaltigkeit können manchmal so klar sein. Für heute habe ich den Kaffee schon verschüttet. Morgen mache ich das nochmals, da ich aus Gewohnheit nicht daran denke, es anders zu machen. Aber übermorgen wird alles besser.
Adrian Müller, Jürn Sanders, Andreas Gattinger, Matthias Meier
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 03.10.2016