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Anna und Fritz Baumgartner: Ein starkes Ehepaar schwimmt gegen den Strom

Meldung  | 

Anna und Fritz Baumgartner haben den Biolandbau in der Schweiz gefördert und geprägt. Ein neues Buch erzählt über ihre Wurzeln, ihre Charaktere und die Motivation zum unermüdlichen Kampf für die Sache. Ein unterhaltsames Stück mündliche Biogeschichte.

Ein starkes Paar: Anna und Fritz Baumgartner 2013 vor der Hecke, die sie 1965 angelegt hatten. Foto: Markus Bär

Pferde gehörten auch dazu: Fritz Baumgartner (hinten) beim Aufsetzen von Mistkompost in den 1980-er Jahren. Foto: Privatarchiv

Vor kurzem ist «Anna, Fritz – und ‹die Sache›» erschienen. Die «Gespräche mit Anna und Fritz Baumgartner» sind kein spektakuläres Buch, eher ein diskretes Bändchen mit 130 Seiten und ohne Hochglanz-Umschlag. Umso farbiger der Inhalt: Ein Stück mündliche Biogeschichte, zu Papier gebracht von Anet Spengler Neff und Markus Bär (der englische Fachausdruck für diese Art Geschichtsschreibung lautet Oral History).

Authentizität und guter Unterhaltungswert

Anet Spengler – heute Tierzucht-Forscherin am FiBL – kennt Baumgartners seit den 1980-er Jahren, absolvierte sie doch ein landwirtschaftliches Lehrjahr auf deren Betrieb. Markus Bär, ehemaliger Redaktor des Magazins Bioaktuell ist Fritz vor dem Interview nur ein einziges Mal und Anna gar nie begegnet, war aber sofort beeindruckt von der «Ausstrahlung und Wärme» der Baumgartners.

Zentrales Element des Buchs ist ein langes und in Kapitel unterteiltes Interview mit den Protagonist*innen. Stattgefunden haben die Gespräche an vier Tagen in den Jahren 2012 bis 2014. Beim Abschreiben blieben Spengler und Bär nahe am gesprochenen Wort. Zum Teil haben sie Dialektbegriffe direkt übernommen und fachgerecht übersetzt: Das Stöckli, der Heugümper, das Guschti, die Füllimähre, die Lismete. Man ratiburgeret und rangget, und das allpott, fei e chli… Diese Einsprengsel verleihen dem Interview Authentizität und erhöhen den Unterhaltungswert, der dank vieler Anekdoten ohnehin gut ist.

Es kommen in den Texten zahlreiche Leute vor, wer immer seit 1950 etwas mit dem Biolandbaukuchen zu tun hatte, für den ist das Büchlein ein Schatzkästchen. Für Aussenstehende oder Spätergeborene ist es derweil manchmal etwas schwierig, die Übersicht zu behalten. Für sie gibt es aber ein detailreiches Personenverzeichnis.

Fritz hinterfragte stets kritisch

In den Erinnerungen an seine Eltern geht Fritz Baumgartner, Jahrgang 1929 weit zurück. Der Vater war Mitglied der Jungbauern, ein Gründer von Vieh- und Pferdezuchtgenossenschaft, «ein Kämpfer», wie der Bauernsohn aus Zollbrück im Interview sagt.

Gegründet hatte die Jungbauernbewegung Hans Müller, eine Ikone des Biolandbaus. «Die Jungbauern waren Querulanten gegenüber den Offiziellen», so Fritz. Wenn Müller zu Besuch war, sei er jeweils im oberen Stock am Boden gelegen, um zu lauschen, was sie unten redeten. Der Vater wollte immer Neues probieren, die Mutter versuchte zu bremsen.

Fritz hat vom kämpferischen Vater einiges geerbt. Er war laut eigenen Angaben ein schlechter Sekundarschüler, auch weil er die Lehrer*innen und ihre Aussagen stets kritisch hinterfragte. In der Landwirtschaftsschule drehte er dann auf, war Klassenbester, aber der intuitive Biodynamiker blieb kritisch: «Ich hätte mein Zeugnis zerreissen können, weil ich wusste, dass das, was ich gelernt hatte, nicht stimmt.»

Begnadete Bäckerin und Milchverarbeiterin

Anna Baumgartner, 1936 geborene Leuenberger war unweit von ihrem späteren Ehemann im Frittenbach im tiefen Emmental aufgewachsen. Sie waren keine zwingende Paarung. Anna ist tanzbegeistert und leutselig. Fritz war in ihrer Erinnerung «ein Ernster und er guckt immer in die Sterne». Nachdem ihre Mutter jung gestorben war, sei sie «im Leid» gewesen, berichtet Anna. Erst dadurch und dank einem wild gewordenen Pferd habe sie sich für Fritz erwärmen können. «Da war ein Mann, mit dem man über wichtige Sachen reden konnte», so die Bäuerin.

Fritz startete schon vor der Eheschliessung mit dem Besuch von biodynamischen Kursen, in Deutschland aber auch in der Emmentaler Metropole Langnau, wo der sogenannte Gotthelf-Zweig aktiv war. Anna brauchte etwas länger, bis sie mit an Bord war. Dann aber war sie voll dabei, macht sich an der Seite von Fritz rasch einen Ruf als starke Partnerin sowie begnadete Bäckerin und Milchverarbeiterin. 1964 zogen die beiden westwärts und leiteten bis 1996 den Betrieb La Branche im waadtländischen Mollie-Margot. Hier übernahmen die beiden auch heilpädagogische Aufgaben, war der Betrieb doch einem Heim angegliedert.

Ein Powercouple avant la lettre

Von 1974-1982 kehrten Baumgartners der Westschweiz temporär den Rücken und zogen ins baselländische Oberwil. Hier stellten sie den Bruderholzhof auf die biodynamische Wirtschaftsweise um, diente er doch als Versuchs- und Musterbetrieb des FiBL, das 1973 gegründet worden war. Fritz Baumgartner war einer der Gründer der FiBL-Stiftung und arbeitete danach 34 Jahre lang im Stiftungsrat mit.

Anna und Fritz kehrten 1982 auf La Branche zurück, bildeten hier wie schon in den Jahren zuvor zahlreiche junge Menschen aus und setzten sich für die Verbreitung der Biodynamik ein. Sie waren ein Powercouple bevor es diesen Englischen Begriff für ein Ehepaar mit grossem Einfluss gab. Den Lebensabend verbringen sie – der Kreis schliesst sich – im Emmental. Fritz ist 2017 gestorben, weshalb die Autor*innen die Überarbeitung des Buches mit Anna Baumgartner abgeschlossen haben.

Man spürt die Leidenschaft

Für Leute wie mich, die Baumgartners bisher nicht gekannt haben, werden sie durch die lnterviews zu Menschen aus Fleisch und Blut. Man spürt die Leidenschaft für den Biolandbau und die Biodynamik, das Engagement und die komplexen Charaktere. Sie waren beziehungsweise sind nicht die bequemsten Zeitgenossen. Sie eckten an und kämpften für ein Anliegen, für das sie eigentlich ein bisschen zu früh waren. Genau solche Menschen brauchte es aber, um den Biolandbau zu etablieren. Deshalb ist das Büchlein auch wertvoller Anschauungsunterricht für alle, die heute von der Vorarbeit von Baumgartners und anderen Pionier*innen profitieren.

Bibliographische Notizen

Spengler Neff, Anet; Bär, Markus. Anna, Fritz – und «die Sache»: Gespräche mit Anna und Fritz Baumgartner. Olten 2024, 131 Seiten, ISBN: 978-3-9524758-2-9
Erhältlich für Fr. 18.– plus Versandkosten über www.demeter.ch > Shop oder über den Buchhandel. 

Adrian Krebs, FiBL

Weiterführende Informationen

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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