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Kraftfutter macht aus Kälbern keine Raufutterkuh

Nachzuchtkälber auf Biobetrieben sollen zu langlebigen Kühen mit gutem Raufutterverwertungsvermögen entwickeln. Die Verabreichung von viel Kraftfutter in den ersten Monaten nach der Geburt ist diesem Ziel eher abträglich.

Vor einigen Monaten wurde in der UFA-Revue (Artikel von Ignaz Hutter, Ausgabe 12/2013) eine Empfehlung zur Aufzucht von Nachzuchtkälbern auf Biobetrieben veröffentlicht. Das im Artikel formulierte Ziel ist eine möglichst kurze Aufzuchtzeit (erste Kalbung mit 24 Monaten) mittels einer möglichst intensiven Fütterung mit hohen Kraftfuttergaben. Durch die frühe Kalbung sei der Punkt, an dem sich die Investitionen in das Tier zurückzahlen, früher erreicht, schrieb der Autor.

Futterkosten und Lebensleistung sind entscheidend

Diese Argumentation ignoriert die Einsparungen, die ein Kraftfutterverzicht bei der Aufzucht bringt. Ein späteres Abkalben bringt zwar erst eine spätere Rendite, aber je nach Betrieb können die Futterkosten viel geringer gewesen sein, insbesondere, wenn extensive Flächen oder Alpweiden zur Verfügung stehen. Die Alpung wirkt sich zudem positiv auf die spätere Konstitution der Tiere aus, was die verlängerte Aufzucht in vielfacher Hinsicht wettmachen kann. Ausserdem ist die Dauer nicht der einzige Faktor, der die Aufzuchtkosten bestimmt, sondern sehr wesentlich auch die Nutzungsdauer, welche die Remontierungsrate definiert. In einer breiten Untersuchung in der deutschen Holstein-Population zeigten sich von der ersten bis zur fünften Laktation Leistungsanstiege zwischen 36 und 44 Prozent. Das bedeutet, dass eine Kuh mit jeder zusätzlichen Laktation im doppelten Sinne ihre Aufzuchtkosten zurückzahlt, weil die Milchleistung pro produktivem Lebenstag steigt. Ökonomisch gesehen ist die intensive Milchviehwirtschaft mit oft unter drei Laktationen also alles andere als überzeugend.

Wie schnell muss ein junges Tier wachsen?

Ein Argument für hohe Kraftfuttergaben in der Aufzucht ist, dass ein stetiger Anstieg der täglichen Zunahmen in den ersten Lebensmonaten wichtig sei und hier keine Stagnation eintreten dürfe. Die Wachstumsraten bei wilden Wiederkäuern verlangsamen sich aber von Geburt an mit jeder Lebenswoche. Das bedeutet, dass sich evolutionär ein Wachstumsprinzip entwickelt hat, das dem der intensiven Kälberaufzucht entgegengesetzt ist. Moderne Milchkühe sind keine wilden Wiederkäuer mehr, aber man kann sich immerhin bewusst machen, dass es nicht nur ideal sein dürfte, wenn man die Kälber viel stärker ins Wachstum treibt als es ihrer Veranlagung entspricht. 

Eine wichtige Frage ist auch, wie sehr die Fütterung die Ausbildung des Pansens und damit die spätere Verdauungsleistung beeinflusst. Es ist richtig, dass eine frühe und reichliche Versorgung mit Konzentraten zu einer starken Ausbildung der Pansenzotten führt. Das Problem dabei ist aber, dass stark ausgebildete Pansenzotten ein Merkmal der Konzentratselektierer unter den Wiederkäuern sind (z. B. Damwild oder Ziegen), wohingegen Raufutterselektierer wie das Rind im Pansen nur sehr spärlich ausgebildete Zotten haben. Wenn also ein Kalb mit viel Kraftfutter aufgezogen wird, zieht man hier einen prima Konzentratselektierer heran.

Gute Raufutterverwertung als Ziel

Das Ziel müsste aber eine gute Raufutterverwertung sein. Hier sind Rinder nämlich wesentlich effizienter als Monogastrier; wogegen sie beim Kraftfutter ineffizienter sind als Huhn und Schwein. Angesichts des enormen Produktionsdrucks auf das weltweite Ackerland, sollte die Raufutternutzung bei allen Wiederkäuersystemen vor allem im Biolandbau im Vordergrund stehen. Wie erwähnt, sind positive Effekte auf die Konstitution der Milchkühe zu erwarten, wenn diese als Rinder gesömmert wurden. Hier jedoch kommt das gegenteilige Prinzip zu einer intensiven Fütterung mit Konzentraten zur Anwendung: Die Tiere ernähren sich – zeitweise – von strukturreichem, langsam verdaulichem Weidefutter. Das verzögert zwar ihr Erstkalbealter, tut ihnen aber offenbar gut. Hier können sie ihre Fress- und Verdauungs­funktionen so ausbilden, wie sie beim Rind eigentlich angelegt sind: für die optimale Verwertung von Raufutter.

Florian Leiber, FiBL

Dies ist ein Artikel, der in der Ausgabe 6|2014 von Bioaktuell Magazin erschienen ist.

Weiterführende Informationen

Artikel (Magazin Bioaktuell 6|2014)
Kälber ohne Kraftfutter aufziehen: geht das? (Meldung vom 01.04.2019)
Kuhgebundene Aufzucht (Rubrik Rindvieh)

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