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Schorf und Russfleckenkrankheit an Kernobst erfolgreich bekämpfen

Schorf ist weltweit für die grössten Pflanzenschutzprobleme im biologischen Kernobstanbau verantwortlich. Dank der ständig wachsenden Auswahl an schorfresistenten Sorten kann ein Grossteil der Behandlungen gegen diese Krankheit mittlerweile eingespart werden (siehe erstes Bild). Genauer gesagt, sind die sogenannten «resistenten» Sorten jedoch nur «tolerant» gegenüber der Krankheit. Deshalb sind Behandlungen besonders in den Zeiträumen, in denen das Infektionsrisiko erhöht ist, oftmals weiterhin erforderlich, um die Qualität des Ernteguts zu garantieren und die geringe Anfälligkeit der Sorte langfristig zu erhalten. Zudem führt die Förderung der Toleranz gegenüber einer bestimmten Krankheit in der Regel zu einer Anfälligkeit für andere Pathogene.

Die Kernobstsorten, deren Früchte insbesondere von den Grossverteilern am stärksten nachgefragt werden, sind hingegen immer noch sehr anfällig für Schorf.

Ausserdem sind alle späten Apfelsorten mehr oder weniger anfällig für die Russflecken- und die Fliegenschmutzkrankheit, zwei durch pilzliche Erreger verursachte Erkrankungen.
Die Russfleckenkrankheit äussert sich durch mehr oder weniger ausgedehnte oberflächliche schwarze Flecken (zweites Bild).
Bei der Fliegenschmutzkrankheit handelt es sich um kleine, runde schwarze Flecken, die oft in Gruppen auftreten (drittes Bild).
Verschiedene seit mehreren Jahren durchgeführte Praxisversuche haben es ermöglicht, die Pflanzenschutzempfehlungen zu optimieren und Behandlungsstrategien zu entwickeln, die die Bekämpfung dieser Krankheiten abdecken.

Risikovermeidung

Verursacht werden die verschiedenen Schorfarten durch Pilze: Apfelschorf durch Venturia inaequalis und Birnenschorf durch Venturia pyrina. Beide Krankheiten führen zu schwarzen oder braunen Flecken auf der Oberfläche der Blätter, Knospen oder Früchte und manchmal sogar auf dem Holz, besonders bei Birnbäumen. Beide Schorfarten sind stark von den meteorologischen Bedingungen abhängig: Das Infektionsrisiko steigt mit der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit. Deshalb ist es in erster Linie entscheidend, die Prognose von RIMPro zu berücksichtigen, um das Infektionsrisiko zu ermitteln und vorbeugende Massnahmen zu ergreifen, und nur als letztes Mittel auf kurative Behandlungen zurückzugreifen.

Behandlungsempfehlungen

  • Kupfer (200-700 g Reinkupfer/ha) alleine – Achtung: 4 kg/ha/Jahr nicht überschreiten – oder
  • Kupfer (100-200 g Reinkupfer/ha) + Netzschwefel 80 % (3,2 kg/ha) oder
  • Myco-Sin (8 kg/ha) + Netzschwefel 80 % (3,2 kg/ha) oder
  • Armicarb* (3,2 kg/ha) + Netzschwefel 80 % (3,2 kg/ha) oder
  • Vitisan* (5 kg/ha) + Netzschwefel 80 % (3,2 kg/ha) oder
  • Curatio** (18-25 L/ha)

*Armicarb und Vitisan haben eine stoppende Teilwirkung bis zu 12-24 Stunden nach Regen.

**Curatio hat eine stoppende Teilwirkung bis maximal 24 Stunden nach der Infektion, bei einer Durchschnittstemperatur von 12-13 Grad.

Kupfer

Kupfer kann von der ersten Behandlung bis zum Mausohrstadium oder sogar bis zum Stadium Grüne Knospe verwendet werden, sofern eine leichte Berostung in Kauf genommen werden kann. Der Begriff Berostung bezeichnet eine leicht raue, verkorkte Fruchthaut, deren Farbe bei Äpfeln gewöhnlich von grünlich Braun über gelblich Braun bis hin zu rötlich Grau reicht. Die Berostung ist manchmal sortentypisch, kann aber auch andere Ursachen haben; so kann sie z. B. auf eine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen sein. Einige Sorten vertragen bis Ende Juli nämlich nur sehr schwache Dosen. Nichtsdestotrotz ist das Berostungsrisiko erhöht, und auf feuchten oder schlecht gereiften Früchten kann eine Phytotoxizität auftreten. Das Risiko für Verbrennungen ist bei kaltem, feuchtem Wetter grösser. Zudem sollte eine Bewässerung in der prallen Sonne vermieden werden. Bei kaltem Wetter (<15 °C) und vor der Blüte ist Kupfer nichtsdestotrotz Schwefel vorzuziehen.

Um die Milbenpopulationen zu schützen und eine Anreicherung von Kupfer im Boden zu vermeiden, ist bei der Verwendung des Metalls jedoch Vorsicht geboten.

Schwefel

Schwefel hat in Kombination mit Kupfer oder Kaliumbikarbonat eine präventive Wirkung. Er schafft eine Barriere gegen die Sporen: Beim Kontakt mit den Blättern oxidiert das Element nämlich und verbrennt so die Sporen. Seine Wirkung ist von kurzer Dauer und bei starkem Infektionsdruck oft zu schwach. Deshalb wird empfohlen, Schwefel nicht alleine zu verwenden. Seine Wirksamkeit ist nur bei ausreichend hohen Temperaturen gewährleistet. Auf Früchte und Blätter hat Schwefel hingegen eine phytotoxische Wirkung, besonders bei heissem Wetter. Seine Verwendung wird nur bei Temperaturen zwischen 10 und 28 Grad empfohlen. Bestimmte, insbesondere rote, Kulturvarietäten sind sehr anfällig für die Phytotoxizität von Schwefel.
Schwefel ist ausserdem schädlich für einige Nützlinge wie Wanzen, Raubmilben und parasitisch lebende Hautflügler. Seine Anreicherung im Boden kann zudem zu dessen Versauerung führen.

Tonerde

Myco-Sin (schwefelsaure Tonerde + Schachtelhalmextrakt) dient nicht nur der Bekämpfung von Schorf, sondern auch von Echtem Mehltau, Feuerbrand, Marssonina und Lagerkrankheiten. Das Produkt wirkt präventiv, über die Freisetzung von Aluminiumionen in einer wässrigen Lösung, die die keimenden Pilzsporen inaktivieren. Myco-Sin wirkt auch bei kaltem Wetter. Je nach Spritzmaterial kann seine Verwendung jedoch heikel sein.

Folgende Vorgehensweise wird empfohlen: Das Produkt in reichlich Wasser auflösen, dem man im Vorfeld etwas Zitronensäure beigemischt hat; den Spritztank zur Hälfte mit Wasser füllen, dann das Präparat bei laufendem Rührwerk beimischen und schliesslich das restliche Wasser hinzufügen.
Myco-Sin darf ausschliesslich mit Netzschwefel gemischt werden, alle anderen Schwefelpräparate kommen nicht in Frage.

Bikarbonat

Kaliumbikarbonat ist nicht nur gegen Schorf wirksam, sondern auch gegen die Russfleckenkrankheit, die Fliegenschmutzkrankheit und Echten Mehltau. Durch eine Veränderung des osmotischen Drucks führt das Bikarbonat zur Auflösung der Sporen. Im Handel sind folgende zwei Produkte erhältlich: Armicarb und Vitisan.

Aufgrund seiner Formulierung hatte Armicarb zu Beginn eine schlechte Presse, da auf den Blättern leichte Verbrennungen festgestellt wurden. Versuche und zahlreiche praktische Erfahrungen haben es seither ermöglicht, die Pflanzenschutzempfehlungen für dieses Produkt zu optimieren. Um eine Anreicherung des Mittels zu vermeiden, ist es wichtig, die Behandlungen nicht in zu kurzen Abständen zu wiederholen (mehr als 8 Tage). In Kombination mit Netzschwefel kann die Dosis auf 3,2 kg/ha reduziert werden, um das Risiko einer Phytotoxizität zu verringern. Aber Achtung: Auf keinen Fall flüssige Schwefelformulierungen verwenden! Nichtsdestotrotz wurden zwischen 2006 und 2008 in Frick, Remigen, Pfyn, Sulgen und Aubonne sortenspezifische Anfälligkeiten für Blattnekrosen beobachtet.

Anwendung von Armicarb

Anfälligkeit der Sorten für Blattnekrosen  (Beobachtungen in Frick, Remigen, Pfyn, Sulgen und Aubonne, 2006-2008) 

Sorte

Anfälligkeit für Nekrosen

Ecolette stark
Elstar stark
Glockenapfel stark
Berner Rose stark
Golden Delicious mittel
Gala mittel
Iduna mittel
Meran mittel
Arlette gering
Cox Orange gering
Retina gering
Resi gering
Vanda gering
Boskoop keine
Braeburn keine
Evelina keine
Fiesta keine
Goldparmäne keine
Gravensteiner keine
Idared keine
Jonica keine
Maigold keine
Ottawa keine
Pinowa keine

Aufgrund seiner Formulierung haftet Armicarb gut an den Blättern und wird somit nicht leicht abgewaschen. Seine Wirkung gegen die Russflecken- und die Fliegenschmutzkrankheit ist auf die im Produkt enthaltenen Seifen zurückzuführen.
Bikarbonat sollte vorzugsweise angewandt werden, wenn ein mittleres bis geringes Infektionsrisiko besteht, insbesondere während der Sekundärinfektionen, und im Sommer und Herbst, um von seiner Wirkung gegen die Russfleckenkrankheit zu profitieren. Was die Vorbereitung der Spritzbrühe betrifft, gilt dieselbe Vorgehensweise wie für Mico-Syn.

Vitisan besteht aus purem Bikarbonat. Sein Wirkungsprinzip ähnelt dem von Armicarb. Die zwei Produkte weisen also eine vergleichbare Wirksamkeit gegen Schorf und Echten Mehltau auf. Da Vitisan jedoch nicht formuliert ist, wird es, wenn es alleine verwendet wird, schneller abgewaschen und wirkt somit nicht gegen die Russfleckenkrankheit. Ferner wurden bei diesem Bikarbonat weniger durch Phytotoxizität verursachte Schäden beobachtet. Nichtsdestotrotz besteht auch für Vitisan im Falle einer Anreicherung das Risiko, dass sich Nekrosen bilden.
Zur Bekämpfung der Russfleckenkrankheit sowie zur Verbesserung der Haftfähigkeit von Vitisan kann Biofa Cocana (Kokosseife) zugegeben werden.

Schwefelkalk

Curatio ist ein Kontaktfungizid auf der Basis von Schwefelkalk. Das Produkt wird eher als kurative Behandlung direkt nach Regen auf das noch feuchte Laub appliziert und hat nach dem Antrocknen eine vorbeugende Wirkung. Das Mittel sollte vorzugsweise während der Primärinfektionen verwendet werden, es wirkt aber auch gegen die Russfleckenkrankheit und Marssonina. Achtung: Curatio darf mit keinem anderen Produkt gemischt werden; sämtliches Spritzmaterial muss unmittelbar nach der Behandlung gut gespült und gereinigt werden.

Prophylaxe im Herbst und Winter

Es wird empfohlen, nach dem Blattfall der Apfel- und Birnbäume die Streu zwischen den Reihen zu zerkleinern. Dadurch wird die Zersetzung des Laubes beschleunigt. Zudem kann das Laub, das sich unter den Baumreihen befindet und nicht zerkleinert wurde, angehäuft und mit Erde bedeckt werden. Das Laub kann auch zusammengetragen und aus der Obstanlage entfernt werden, wofür allerdings mehr Zeit und geeignetes Material erforderlich ist.

Auf diese Weise kann die geschlechtliche Fortpflanzung der saprophytischen Pilze, die während des Winters im auf den Boden gefallenen abgestorbenen Laub stattfindet, eingeschränkt und das Infektionspotenzial für das Folgejahr reduziert werden.

Weitere Informationen

Betriebsmittelliste (FiBL Downloads & Shop)
Krankheiten und Schädlinge im Biokernobst (Rubrik auf dieser Webseite)

Autorinnen und Autoren: Lucius Tamm, Andi Häseli, Hans-Jakob Schärer und Flore Lebleu, FiBL

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 12.01.2021

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