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Milchviehkälber in der Biolandwirtschaft halten

Der Verkauf von Biomilchkälbern in den konventionellen Markt wird kontrovers diskutiert. Beim FiBL Kurs «Kälberaufzucht auf dem Geburtsbetrieb» stellten die Referenten ein alternatives System vor: Das Abtränken der Kälber auf dem Geburtsbetrieb und die Mast auf einem regionalen Partnerbetrieb. Für die meisten Biobetriebe ist das noch ein optionales Modell. Demeter-Betriebe dagegen müssen ihre Kälber zukünftig für mindestens 120 Tage auf dem Geburtsbetrieb halten.

Die Abgabe von Biokälbern an konventionelle Mastbetriebe birgt ein hohes Gesundheitsrisiko für die Tiere. Der Betriebswechsel in sehr jungem Alter bedeutet eine hohe Stressbelastung. Mit ihrem erst schwach ausgebildeten Immunsystem sind die Kälber ausserdem neuen Keimbelastungen ausgesetzt.

Rund ein Viertel der in der Landwirtschaft eingesetzten Antibiotika werden an Kälber verabreicht. Die Aufzucht auf dem Geburtsbetrieb unterstützt dagegen das Wohlbefinden und die Gesundheit der Kälber und kann den Einsatz von Antibiotika deutlich reduzieren.

Positiver Beitrag zum Betriebsergebnis
Die Aufzucht auf dem Geburtsbetrieb entspricht der Kreislaufwirtschaft, die Biomilchvieh-Stiere erfahren so deutlich mehr Wertschätzung. Auch zur Wertschöpfung können sie durchaus beitragen: Die Berner Fachhochschule hat die betriebswirtschaftlichen Daten auf dem Beispielbetrieb in Sempach unter die Lupe genommen. Auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Arbeitsaufwandes konnten die Fachleute eine positive Gewinnbilanz ziehen.

Kooperation mit einem Partnerbetrieb
Christof Widmer referierte zu dem Abkalbungs- und Aufzuchtsystem auf seinem Hof. Er bewirtschaftet zusammen mit seiner Familie einen Biobetrieb mit Milchkühen in Sempach, Kanton Luzern. Widmer ist mit seinem Betrieb in ein Projekt zur Milchkälber-Aufzucht von Bio Luzern eingestiegen. Er hält seine Kälber für 90 bis 100 Tage auf dem Betrieb, bevor er sie an einen Biopartner zur Mast abgibt. Durch die Zusammenarbeit mit dem Partnerbetrieb können sie den Verkauf flexibler gestalten und besser auf die jeweiligen Marktpreise ausrichten, berichtete er.

Fleischviehrassen und Milchviehrassen kombinieren
Auf dem Betrieb wird die Hälfte der Kühe von einem Angus-Stier gedeckt. So kann Widmer neben den Milchvieh-Stieren auch leistungsstärkere Angus-Stiere verkaufen. Die Kälber wachsen ohne Kraftfutterzugaben auf und sind dabei sehr gesund. Dass Kälber zwingend Kraftfutterzugaben benötigen, sei ein Irrglaube, bestätigten auch die FiBL Fachleute Franz Josef Steiner und Pamela Staehli beim Kurs – bis auf wenige Rassen benötigen Kälber ausschliesslich Raufutter und Milch.

Ein echter Vorteil ist aus Widmers Sicht die saisonale Abkalbung, die er auf seinem Betrieb praktiziert. Die Kälber kommen im Frühjahr zur Welt, wenn die Futtersituation sehr gut ist.  Durch die lange Pause zwischen dem Abkalben sei auch die Keimbelastung niedriger. Insgesamt könne er die Kälber effektiv managen und in Gruppen mit Ammenkühen halten.

Effiziente Mutterkuhhaltung durch zusätzliche Kälber
Der Biohof Wolfgrube von Jeremias Niggli und Laura Iten war Gastgeberhof der Veranstaltung. Niggli führte die Teilnehmenden am Nachmittag durch den Biohof Wolfgrube. Niggli und Iten haben den Betrieb 2022 als Gemischtbetrieb mit Mutterkuhhaltung und Ackerbau übernommen, mit dabei war auch die Mutterkuhherde mit Schweizer Fleckvieh.

Niggli kauft neben den eigenen Kälbern zusätzlich Ammenkälber zu, welche durch seine ehemaligen Milchkühe meistens problemlos adoptiert werden. So kann die Effizienz verbessert werden und gleichzeitig bleiben die Vorteile der Mutterkuhhaltung erhalten, wie zum Beispiel die stabile Hierarchie innerhalb der Herde. Die Mastremonten mästet Niggli zum Teil selber aus oder verkauft sie an Partnerbetriebe weiter. Den Sommer verbringt ein grosser Teil der Tiere auf einer Alp im Tessin. So bleibt ein grösserer Teil der Ackerflächen zur Produktion von Lebensmitteln erhalten. Niggli und Iten verkaufen einen Teil des Fleisches aus der Rindviehhaltung direkt ab Hof.

Weitere Betriebe dringend gesucht
Für das Projekt «Zuhause gross werden – Kälber auf Geburtsbetrieben abtränken» werden weitere Biobetriebe gesucht. Das Projekt von Bio Luzern wird finanziell durch die Albert Koechlin Stiftung und Bio Suisse unterstützt und bietet Förderbeiträge für neue Infrastrukturmassnahmen sowie kostenlose Beratungen an. Das Ziel ist, die Kälber möglichst lange auf den Geburtsbetrieben zu halten und auf regionalen Partnerbetrieben zu mästen. Im Rahmen des Projekts können auch Partnerbetriebe zur anschliessenden Aufzucht vermittelt werden.

Simona Moosmann und Lauren Dietemann, FiBL

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 23.12.2022

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