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Biokartoffelbautagung 2021: Krankheitsreduzierende Anbausysteme und resistente Sorten

Ende November fand die Biokartoffelbautagung am Strickhof in Lindau ZH statt. Über sechzig interessierte Landwirte und Landwirtinnen sowie Branchenvertreter und -vertreterinnen nahmen vor Ort oder online an der Tagung teil. Neben zahlreichen informativen Vorträgen über die Situation im Kartoffelanbau und zu aktuellen Entwicklungen wurde der Anlass mit einer schmackhaften Degustation neuer Kartoffelsorten abgerundet.

2021 war ein klimatisch anspruchvolles Jahr. Der kühle und trockene Frühling bot zwar gute Saatbedingungen. Dann kamen Schnee und Regen, was zu vernässten Böden und stehendem Wasser führte. Ortsweise gab es als Zuschlag noch eine Portion Hagel obendrauf. Das vergangene Kartoffeljahr verlief alles andere als wünschenswert für die anwesenden Produzenten und Produzentinnen.

Auf Nachfrage von Andreas Rüsch vom Strickhof sei es mittelmässig bis schlecht gewesen, meinten die im Saal Anwesenden – einer ergänzte: «Einzig der warme Spätsommer und Herbst und die somit trockenen Erntebedingungen haben das Jahr etwas gerettet.» Die abrupten Wetterwechsel machten sich ebenfalls in der Qualität der Knollen bemerkbar. Gemäss Rüsch konnte man in den Versuchen vom Strickhof vermehrt Fäulnis, Hohlherzigkeit und je nach Zeitpunkt des Knollenansatzes auffallend viel Schorf, breit verteilt über alle Sorten beobachten.

Biokartoffelmarkt: starke Nachfrage

Die Bilanz lautet: Eine bescheidene Ernte und tiefe Qualität. Für Ilona Stoffel von Bio-Suisse war klar, die Nachfrage nach Biokartoffeln ist vom Detailhandel her nach wie vor sehr stark. Obwohl die Deutschschweizer und Deutschschweizerinnen bisher pro Kopf am meisten Biokartoffeln verspiesen, hat die Westschweiz nun kräftig aufgeholt. Gegenüber 2020 nahm der Absatz um 17.3 Prozent zu. Auf total 890 Hektaren bzw. acht Prozent der Gesamtanbau-Kartoffelfläche wurden 2021 Biokartoffeln angebaut

Herausforderungen im Anbau und Krautfäulebekämpfung

«Lieber die Knollen in zwei Grad Celsius kalten Boden bei perfekter Struktur legen – als in acht bis zehn Grad Celsius warmen und nassen Boden reinschmieren», war eine der Kernaussagen von Christian Landzettel von Bioland. Landwirte und Landwirtinnen, die bei optimaleren Bedingungen setzten, hatten weniger verdichtete und somit infolge der Starkniederschläge vernässte Böden. Davon profitierten wiederum die Kartoffelpflanzen punkto Gesundheit und Knollenqualität. Weitere Erkenntnisse des Anbaujahrs 2021 waren:

  • Der Einsatz von Rollhacken für die Aufhäufelung der Dämme und in Kombination mit dem Striegel zur Unkrautbekämpfung hat sich bei nassen Bodenbedingungen bewährt.
  • Bei schlechten Stellen im Feld empfiehlt es sich, vor der Ernte eine Probegrabung durchzuführen und im Zweifelsfall auf eine Rodung zu verzichten. Somit verhindert man die Einschleppung von übermässig faulen Knollen in die Lager hinein.
  • Stabile resistente Sorten und ein aufmerksames Monitoring waren dieses Jahr Match entscheidend bei der Krautfäulebekämpfung. Hier braucht es besonders Mut, Neues auszuprobieren und das Sortenportfolio jährlich zu hinterfragen, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Marktnachfrage.

Und Mut, Neues auszuprobieren, hatte Daniel Hanggartner der Firma Rathgeb. Er präsentierte einen kupferfreien Kartoffelversuch mit neuen resistenten Sorten. Angebaut wurden auf einer dreiseitig von Wald umrahmten Parzelle acht unterschiedliche Kartoffelsorten. Der Versuch zeigte die Sortenunterschiede in der Resistenz gegenüber der Krautfäule deutlich auf. Die Sorten Muse und BIM-13-678-01, vorläufig noch ohne Sortenname, überzeugten diesbezüglich am besten.

Spitzwegerich als Bodendurchwurzler und Stickstoffauffänger

Mit welchen Strategien kann die Nitratauswaschung nach erfolgter Kartoffelernte vermindert werden? Dieser Frage ging FiBL-Direktor Knut Schmidtke in seinem Vortrag nach. Er präsentierte einen Versuch mit verschiedenen in Kartoffeln angebauten Untersaaten, gefolgt von Winterweizen. Leider verminderten diese die Nitratauswaschung nicht wie erwünscht. Jene wurde lediglich zeitlich einige Monate in den Winter verschoben. Der Winterweizen vermochte im jungen Stadium den freigesetzten Stickstoff nicht zu binden.

Ein wesentlich besserer Stickstoffbinder ist zum Beispiel zwischen Kartoffeln eingesäter Spitzwegerich. Dieser wurde gemäss Schmidtke 40 bis 45 Tage nach dem Legen der Knollen, in die Dammsohle eingesät. Dort der Spitzwegerich ein überaus dichtes und tiefes Wurzelwerk aus, das einen Teil vom Stickstoff gut aufzufangen vermochte. Nach dem Befahren bei der Ernte trieb er wieder aus und bedeckte einen Teil des Bodens.

Transfermulch: Erkenntnisse aus Versuchen und aus der Praxis

Eine dauerhafte Bodenbedeckung bietet das Transfermulchsystem, das der online zugeschaltete Stephan Junge der Uni Kassel vorstellte. Bei diesem System wird von einer Donorfläche (Gründüngung, Kunstwiese etc.) etwa vierzig bis sechzig Tonnen Frischmasse pro Hektare auf eine Akzeptorfläche (den Kartoffelacker) transferiert. Der Boden wird also mit organischer Substanz (Mulch) bedeckt, Unkräuter werden so an der Keimung gehindert und der Boden von äusseren Einflüssen wie Wind und Regen geschützt. Die Ergebnisse, die aus dem Versuch resultierten, konnte der Praktiker Heinz Brauchli aus Diessenhofen TG bestätigen. Konkret sind das:

  • Besserer Schutz vom Boden, höhere Stabilität bei Niederschlägen, höhere Aggregatsstabilität und Bodenfeuchtigkeit, grössere Regenwurmpopulationen gegenüber nicht mit Mulch bedeckten Feldern, kurz: ein vitalerer und lebendigerer Boden.
  • Daraus resultierten gesündere Kartoffelstauden mit einer grösseren Wiederstandskraft gegenüber der Krautfäule und gegenüber dem Kartoffelkäfer. Die Knollen aus diesem System verfügen gemäss Brauchli über eine deutlich bessere Keimruhe.

Nachteile des Transfermulchsystems sind:

  • Es wird zusätzlich Fläche benötigt; gemäss Heinz Brauchli braucht es für eine Hektare Mulchkartoffeln drei Hektaren Donorfläche (Gründüngung, Kunstwiese, etc.), die auch über ausreichend Mulch verfügen muss.
  • Der hohe Aufwand bei der Mulchbereitung und Ausbringung. Es werden Maschinen zum Häckseln, für den Transport und zur Ausbringung und Verteilung (Mistzetter) benötigt, die gerade bei der Verteilung ein hohes Gewicht aufweisen.
  • Je nach Streuweite des Zetters müssen alle zwölf Meter Fahrgassen gezogen werden. Das Mulchmaterial muss zudem genug feucht sein, so dass es auch genügend breit verteilt wird.

Austausch zur Kartoffelkäferregulierung – mögliche Alternativen zu Novodor

Tobias Gelencsér, FiBL Kartoffelbauberater und Mitorganisator der Tagung, diskutierte anschliessend mit den Landwirten und Landwirtinnen, welches die Erfahrungen in der Kartoffelkäferregulierung bei Novodorverzicht seien. Neben gut versorgten und fitten Pflanzen fängt die Prävention bei der Bodenstruktur und somit beim Saatzeitpunkt an. Der Einsatz von Neem-Azal soll ausserdem möglichst früh auf die noch sehr jungen Kartoffelkäferlarven erfolgen. Match entscheidend ist hier ebenfalls wieder die Feldüberwachung.

Krautvernichtung mittels Staudenziehen und Crop.zone

Neue Möglichkeiten in der Krautvernichtung wurden von Landwirt und HAFL-Bachelor-Absolvent Julian Schneuwly mit dem Staudenziehen und von Lorenz Büchel der Agroline mit dem elektrischen Verfahren Crop.zone vorgestellt. Bei diesem Gerät wird vorne am Traktor ein Tank mit einem Sprühgerät befestigt und eine Leitflüssigkeit appliziert. Die Abtötung der Pflanze erfolgt dann mittels Elektrizität, welche mit einem hinten auf der Maschine befestigtem Generator erzeugt wird.
Beim vom Schneuwly durchgeführten Versuch wurde das Staudenziehen mit der Crop.zone-Methode und einem konventionellem Mittel (Spotlight Plus) verglichen. Vierzig Tage nach der Anwendung wiesen alle Verfahren dieselbe Effektivität auf.

Sortenwahl Biokartoffeln – neue resistentere Sorten

Offizieller Abschluss bildete das Referat von Tobias Gelencsér zu den aktuellen Sortenprüfungsresultaten vom FiBL. Wie bereits von den Vorrednern erwähnt, war 2021 ein besonders günstiges Jahr, um krautfäuletolerante respektive resistente Sorten zu testen. Das FiBL baute zu diesem Zweck vier resistentere Sorten (Muse, Emanuelle, Simonetta und Camelia) zusammen mit der Referenzsorte Erika an. Mit den Resultaten war Gelencsér sehr zufrieden. Bei der Krankheitsbonitur verfügten die resistenteren Sorten über deutlich gesündere Blätter, was sich schliesslich in auch in höheren Erträgen spiegelte.

Degustation der Sorten – die Siegerin heisst…

Ein schönes Blattwerk und ein hoher Ertrag sind zwar schön, die Kartoffel muss aber auch vom Endverbraucher, der Endverbraucherin akzeptiert werden. Die Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen konnten zu diesem Zweck zum Schluss zehn neue sowie bereits auf der Sortenliste vorkommende Kartoffelsorten degustieren und anonym via Handy bewerten. Das Testresultat stand schnell fest. Siegerin war die Vitabella, die 2021 somit nicht nur auf dem Feld, sondern auch auf dem Teller brillierte.

Viktor Dubsky, Strickhof

Dieser Beitrag erschien auch im Zürcher Bauer sowie auf der Strickhof-Website.

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 03.12.2021

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