Am Wochenende fanden in den Kantonen Genf und Baselland kleinere Demonstrationen mit Traktoren statt. Die Konvois umfassten jeweils rund 30 Fahrzeuge. Blockaden oder andere Aktionen sind aber keine registriert worden. Damit haben die Bauernproteste auch die Schweiz erreicht, allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass sie so gross werden, wie zuletzt diejenigen in Deutschland und Frankreich aber auch in anderen Ländern wie Belgien, Spanien, Ungarn, Polen und Slowenien zu verzeichnen war.
Bauernverband lanciert Petition
Der Schweizer Bauernverband (SBV) hat vergangene Woche in einer Mitteilung erklärt, dass der bäuerliche Unmut in den Nachbarländern nachvollziehbar sei und dass die Schweizer Bauern und Landwirtinnen in weiten Teilen die gleichen Probleme wie ihre europäischen Kolleginnen und Kollegen hätten und viele ihrer Forderungen teilten. «Was wir aber nicht wollen, ist, dass es zu gewalttätigen und illegalen Aktionen kommt», sagte Francis Egger, stellvertretender Direktor des SBV gegenüber dem Westschweizer Fernsehen, «das gehört nicht zu unserer Schweizer Kultur. Wir sind immer noch in einer Situation, in der man einen Dialog führen kann».
Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen hat der SBV nun eine Petition lanciert, die unter anderem verlangt, dass:
- die vielfältigen Rollen und Engagements der Landwirtschaft besser anerkannt werden.
- keine Sparprogramme auf dem Rücken der Landwirtschaft ausgetragen werden.
- die Produzentenpreise im laufenden Jahr um mindestens fünf bis zehn Prozent steigen.
- die Preisbildung umgekehrt wird, indem die Preise auf der Grundlage der Produktionskosten und der eingegangenen Risiken festgelegt werden.
- keine neuen Auflagen im Umweltbereich erlassen werden, die nicht entschädigt sind.
- die Komplexität der Agrarpolitik nicht weiter ansteigt.
Die Petition war laut SBV bis am Dienstag 6. Februar bereits von über 65'000 Personen unterzeichnet worden.
Kleinbauern fordern ganzheitliche Politik
Die Kleinbauernvereinigung, der zahlreiche Biobäuerinnen und -bauern angehören, erklärt ihrerseits in einer Mitteilung, dass sie die Forderung für bessere Produzentenpreise, die sich vor allem an den Handel richtet unterstützt. «Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft braucht es mehr Fairness in der Wertschöpfungskette und eine ganzheitliche Agrar- und Ernährungspolitik», so die Vereinigung.
Die konventionelle Landwirtschaft habe sich mit ihrer immer stärkeren Industrialisierung in eine Sackgasse manövriert. Zwar hätten Investitionen in technische Effizienzsteigerung kurzfristigen Profit gebracht. Gleichzeitig aber waren langfristig niedrigere Preise, Schulden und damit das Verschwinden eines Grossteils der bäuerlichen Betriebe die Folgen.
Zudem habe diese Entwicklung den natürlichen Ressourcen grosse Schäden zugefügt und damit auch zu einer Zerstörung der Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft geführt. Der Frust sei verständlich, weiter wie bisher jedoch keine Lösung. «Wir fordern, durch mehr Fairness und Transparenz in der Preisbildung die Ursache bei den Wurzeln zu packen», heisst es weiter.
«Petition des SBV ist Alibi-Aktion»
Die Kleinbauern-Vereinigung unterstütze deshalb die in der Westschweiz kürzlich entstandene Bewegung «Révolte agricole Suisse» und ihre Forderungen nach einem fairen Markt und geteilte Margen zwischen Produktion und Handel. Es brauche einen Wandel, weg von der aktuellen «Pflästerli»-Agrarpolitik hin zu einer ganzheitlichen und ökologischen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Dazu gehört auch eine faire Preispolitik. Solch eine Landwirtschaft bietet echte Perspektiven und ist für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet.
Die Petition des SBV sei dagegen vor allem eine Alibi-Aktion um die Kontrolle über die Proteste zu behalten. Er solle endlich die Interessen der Bäuerinnen und Bauern vertreten und dürfe sich nicht länger vor den Karren der Konzerne spannen lassen, so die Kleinbauern-Vereinigung weiter. Deshalb müsse der SBV die Allianz mit den Wirtschaftsverbänden aufkünden.
Uniterre fordert Grenzen für Grossunternehmen
Auch die Bauerngewerkschaft Uniterre kritisiert den SBV. Die Petition genüge nicht. «Uniterre ist der Meinung, dass dies eine unzureichende Antwort ist und dass dringend Gesetze erlassen werden müssen und den grossen Unternehmen klare Grenzen gesetzt werden müssen», so die Mitteilung.
«Leider überrascht uns diese Halbherzigkeit nicht», so Uniterre weiter. Auch sie kritisiert die Allianz des SBV mit Economie Suisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband. Die Ziele dieser neuen Interessengruppe mit dem Namen Perspektive Schweiz seien Förderung des Freihandels und des freien Wettbewerbs. «Diese unheilige Allianz hindert den SBV nun daran, seiner eigentlichen Aufgabe nachzukommen, nämlich die Existenz der Landwirtinnen und Landwirte zu verteidigen», so Uniterre, «indem er ohne mit der Wimper zu zucken behauptet, die Landwirtschaft zu sein, opfert er sie auf dem Altar des Marktes».
«Kein Interessere an Transparenz»: BLW in der Kritik
An die Kasse kommen bei Uniterre auch der Handel und die Verwaltung. Die unlauteren Handelspraktiken der grossen Detailhändler seien nicht mehr zu übersehen. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) verzichte darauf, Transparenz auf den Agrarmärkten zu entwickeln und den Markt zu regulieren. Stattdessen gebe das Amt zur Bekämpfung der Folgen über die Direktzahlungen öffentliche Gelder aus. Die grossen Einzelhandelsunternehmen müssten nun zur Rechenschaft gezogen werden.
Ebenso wie der SBV fordert Uniterre eine vollständige Abgeltung der geforderten ökologischen Leistungen der Landwirte und Landwirtinnen. «Sie haben genug getan und es ist zutiefst ungerecht, dass sie allein die Kosten dafür tragen müssen», so die aufmüpfige Gruppierung. Ausserdem schlägt sie vor, «dass die wichtigsten der künftigen ökologischen Auflagen nicht willkürlich am Ende eines Kalenderjahres, sondern bei der Hofübergabe auferlegt werden». Da die Hälfte der Betriebsleitenden in den nächsten 15 Jahren in den Ruhestand gehen werde, sei es zudem dringend nötig, den Zugang der jungen Generation zu Land aktiv zu fördern.
Noch keine Stellungnahme von Bio Suisse
Vom Dachverband der Schweizer Biolandwirtschaft liegt bisher keine Stellungnahme zu den noch bescheidenen Protesten in der Schweiz vor. In Deutschland haben sich die Vertreterinnen und Vertreter der Bioverbände mehrheitlich hinter die Protestierenden gestellt. So erklärte etwa Jan Plagge, Präsident von Bioland, dass es vollkommen illusorisch sei, dass die Landwirtschaft kurzfristig auf Alternative Antriebe umsteigt. Die Proteste in Deutschland entzündeten sich daran, dass die Regierung die Zollreduktion für Treibstoffe hatte streichen wollen. Plagge verglich auch mit dem Dienstwagenprivileg für deutsche Parlamentarier und Parlamentarierinnen. «Eine Kürzung an dieser Stelle hätte einen viel größeren Einspareffekt», sagte Plagge laut der Webseite «Schrot & Korn».
Adrian Krebs, FiBL
Weiterführende Informationen
Die Mitteilung des SBV (Webseite des Verbands)
Die Petition des SBV (Webseite von Campax)
Die Mitteilung der Kleinbauern-Vereinigung (Webseite der Vereinigung)
Die Mitteilung von Uniterre (Webseite der Organisation)