Boden und Bildung als Basis für gute Biofrüchte
Die jährliche Obstbautagung am FiBL zeigte auch 2023 neuste Forschungen zur Bodengesundheit in Fruchtkulturen. Für die Produzentinnen und Produzenten bedeutet das ständige Weiterbildung – auch in Sachen Pflanzenschutz, Sortenwahl und Marktanalyse.
Die süssesten Äpfel hängen hoch – dieses Sprichwort hat im Obstbau eine doppelte Bedeutung. Wer auch die besonders sonnenverwöhnten Früchte zuoberst in den Kronen ernten will, muss in der Regel etwas Mehraufwand betreiben. Also auf eine Leiter steigen oder sonst eine Pflückhilfe einsetzen. Das gilt auch für die Obstkultur als Ganzes. Nur wer es schafft, die Bedingungen von der ersten Blüte im Frühjahr bis zum Winterschnitt nach der Ernte zu optimieren, kann Bioobst über einen längeren Zeitraum nachhaltig produzieren.
Weiterbildung ist essentiell
Das bedeutet Aufwand, schon nur in Bezug auf die Aktualisierung des eigenen Wissens. So, wie sich die Schädlingspopulationen und Pflanzenkrankheiten ständig wandeln, müssen sich auch die Obstbäuerinnen und –bauern permanent weiterbilden. Eine gute Gelegenheit dafür war die Bioobstbautagung 2023, die Ende Januar am FiBL in Frick stattfand, geleitet von Thierry Suard, Berater für Obst- und Beerenanbau.
Gesunde Böden als Grundlage
Weil ohne gesunde Böden keine nachhaltige Produktion möglich ist, spielt der Untergrund der Obstkulturen eine massgebende Rolle. Die Tagung ging den Fragen nach, wie die mikroorganischen Nahrungsketten im Boden funktionieren und welche Interaktionen sich mit den Wurzeln ergeben.
«Wie kann ich als Obstproduzent meinen Boden nachhaltig verbessern, damit die Bäume optimal versorgt werden», fragte Thierry Suard in die Runde mit den zirka 90 Teilnehmenden aus Produktion, Forschung und Fachverbänden.
Antworten darauf kamen unter anderem von Franco Weibel, der die Obstfachstelle im basellandschaftlichen Ebenrain leitet. In seinem Referat verglich er den Boden mit einem Hochhaus. Anschaulich stellte er dar, wie viel Potential verloren geht, wenn nur das Dach und das oberste Stockwerk Wasser, Luft und Nährstoffe erhalten, die tiefer gelegenen Etagen aber bloss aus kleinen, verdichteten Zimmern bestehen, wo sich praktisch keine Wurzeln ausbreiten und keine Bodenlebewesen aktivieren können.
Bodenprofil bei jeder Neupflanzung
«Im Unterschied zum Baum, der augenfällig zeige, wie gesund er ist, brauche es für die Bodengesundheit Vorstellungskraft. Daher sollte vor jeder Neupflanzung ein Bodenprofil von mindestens 50 Zentimeter Tiefe erstellt werden. Das Bodenleben ist ein energiegetriebener Stoffkreislauf, den wir für die Produktion nutzen können», so Franco Weibel.
Schlüssig erklärte er die Kreisläufe zwischen Wurzeln, Nährstoffen, Bodenlebewesen und machte den Produzierenden Mut, auf die eigenen Beobachtungen zu vertrauen: «Die wichtigsten Diagnose-Punkte im Boden kann ich als Landwirtin und Landwirt leicht selber erkennen.» Wer Mängel feststelle, solle aber nicht mit der Düngerkeule auffahren, sondern «clever an den kritischen Stellschrauben drehen». Denn: «Wunderprodukte gibt es keine», stellte Franco Weibel fest.
Helfende Mikroorganismen
Nützliche Tipps kamen auch von Dominique Ruggli, Obstfachstellenleiter des Kantons Freiburg. Sein Referat thematisierte die Frage: «Bodenleben mit Komposttee unterhalten, ein Ansatz gegen Bodenmüdigkeit?» Versuche zeigten, dass bereits ein Rückgang der Bodenlebewesen von rund einem Drittel massive Auswirkungen habe. So würden sich die Produktivität der Pflanzen und die strukturelle Stabilität des Bodens halbieren, die Überlebensfähigkeit von Pathogenen jedoch verfünffachen. Die Mineralisierung der organischen Substanz wiederum gehe um zwei Fünftel zurück.
Alle Pflanzen, auch die Obstbäume, produzierten Wurzelausscheidungen, welche wertvolle Bakterien und Pilze anziehen und ernähren. Im Gegenzug liefern diese wiederum Nährstoffe für die Pflanzen – es entsteht «ein Nahrungsnetz», wie Dominique Ruggli sagte. Dieses Netz im Boden könne vor Pflanzenkrankheiten schützen und die Vitalität der Kulturen steigern. «Eine erhöhte Biodiversität der Bodenmikroorganismen bedeutet eine bessere Effizienz der Düngung. Diese Biodiversität muss man fördern.»
Komposttee fördert Triebwachstum
Weil in Obstplantagen die Fruchtfolge fehlt, kann es zu Bodenmüdigkeit kommen. Mit mehreren Studien wollten die Obstexperten herausfinden, ob die Ausbringung von belüftetem Komposttee mit oder ohne Zugabe eines Bioaktivators den Boden vitalisieren und Krankheiten wie Schorf reduzieren kann. Getestet wurden Apfel- und Kirschbäume, die Behandlungen fanden von März bis Juli statt und umfassten Gaben direkt auf die Blätter wie auch in die Böden.
Die Resultate sind ermutigend, wenn auch nicht sensationell. «Die Anwendung von Komposttee bei Apfel auf Böden mit Nachbauproblemen beeinflusst das Triebwachstum positiv. Der Zusatz von einem Bioaktivator verstärkt die Wirkung», heisst es in der Synthese. Weniger eindeutig sind die Resultate bezüglich des Pflanzenschutzes. Wurde Komposttee auf die Blätter ausgebracht, konnte kein positiver Effekt verzeichnet werden, «weder auf Blatt noch auf Frucht».
Pflanzenschutz ist notwendig
Dieser Befund bestätigt, wie wichtig Pflanzenschutz im Obstbau ist. Schorf ist dabei nur eines von vielen (altbekannten) Phänomen; die Kirschessigfliege oder Marssonina sind Herausforderungen neueren Datums. Wie sich Produzentinnen und Produzenten dagegen wappnen können, zeigte Hansjakob Schärer, Leiter der Gruppe Pflanzenschutz und Phytopathologie am FiBL. Seit vielen Jahren erforschen er und sein Team die Mechanismen des Krankheitsbefalls bei Kern- und Steinobst.
Wie Franco Weibel (Ebenrain) für den Boden darlegte, gibt es auch bei Pflanzen und Früchten «keine Wunderprodukte». Thierry Suard stellte zwar in Aussicht, dass ein neuer Nützling (Ganaspis brasiliensis) in Frankreich, Italien und den USA zugelassen sei. Diese Schlupfwespe soll die Bestände der Kirschessigfliege auf natürliche Weise regulieren. Für die Schweiz stehe die Genehmigung noch aus, sie sei im Sommer zu erwarten.
Umgang mit Schädlingen lernen
Doch den Schädling ganz zum Verschwinden bringen könne auch dieser Nützling nicht. Dieser habe sich wie der Schorf etabliert, man müsse mit ihm umgehen lernen. Hansjakob Schärer ermunterte die Tagungsgäste, rechtzeitig und sorgfältig gegen Krankheiten und Schädlinge vorzugehen. So ist die Anlage nach Ernteabschluss vor befallenen Blättern und mumifizierten Äpfeln zu reinigen.
Bereits im April können erste Krankheitssporen in der Luft sein, was dank der modernen Prognosetools rechtzeitig angekündigt werde. Die Blüten und Früchte sollten präventiv behandelt werden, bei andauerndem Regen auch kurativ. Dabei ist eine möglichst optimale Anwendungstechnik essenziell, um Wirkung zu erzielen. Nicht zuletzt spielt auch die Sortenwahl eine Rolle, wie Hansjakob Schärer meinte: «Resistente Sorten bieten einen gewissen Schutz, vor allem in der Ascosporen-Phase.»
Resistente Sorten schmälern den Krankheitsdruck – aber schmecken sie auch und werden vom Markt aufgenommen? Hinweise auf diese Fragen lieferte der Apfelsortentest, den das FiBL bei jeder Ausgabe seiner Obstbautagung durchführt. Unter den 15 Sorten gab es bekannte wie Gala, Topaz, Bonita, Rustica, aber auch weniger geläufige wie Kalei oder Swing sowie Neuheiten noch ohne Namen.
Birnen sind gesucht, Kirschen weniger
Zum Auftakt der Tagung präsentierten Sabine Haller, Produktmanagerin für Obst bei Bio Suisse, und Hans Oppikofer, Vorsitzender Fachkommission Obst von Bio Suisse sowie Obstproduzent aus Steinebrunn TG, Einblicke in die aktuelle Marktsituation. Die Zahlen fürs Jahr 2022 lägen erst im Frühling vor, schränkte Sabine Haller ein. Es zeichne sich aber ein gutes Ergebnis ab, die Umstellerflächen stiegen stetig an.
Grösser als das Angebot sei die Nachfrage vor allem bei den Birnen, wogegen der Kirschenmarkt eher gesättigt sei. Hans Oppikofer stellte die Eckpfeiler der «Vision & Mission Bio-Obst 2023-26» vor. Diese Strategie soll der Branche helfen, sich weiterzuentwickeln und gegen Billigkonkurrenz durchzusetzen. Preissenkungen für Bioobst seien keine Alternative, um Wachstum zu erzielen, sagte Hans Oppikofer. Schliesslich sei Bioobst keine Nische mehr, sondern weise heute einen Marktanteil von 12 bis 15 Prozent auf.
Internationale Infoplattform
Michael Friedli, Leiter der Obstbaugruppe am FiBL, präsentierte das praxisnah aufgebaute Onlineprojekt biofruitnet.eu. Es ist ein europäisches Projekt und versammelt wissenschaftliches und praktisches Wissen zum biologischen Anbau von Kern- und Steinobst. Nutzerorientiert und niederschwellig ist dieses Wissen in verschiedenen Formaten abrufbar; die Palette reicht von Faktenblättern und Videos bis zu Online-Kursen und Podcasts.
Beat Grossrieder, FiBL
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 13.02.2023