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Ist Bio fit genug? Der Weg vom Klimaschutz zur Anpassung

Meldung  | 

Das Nationale Bioforschungsforum NBFF befasste sich mit Landwirtschaft und Klimawandel. Wie reagieren, war eine der Hauptfragen. Eher mit Anpassung als mit verstärktem Klimaschutz, lautete eine der Forderungen. Dabei wurden auch Lösungsmöglichkeiten präsentiert.

Adrian Müller vom FiBL gab eine Übersicht zum Stand des Klimawandels in der Schweiz. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Inputreferentin zu Klimaszenarien und deren Auswirkungen: Lin Bautze vom FiBL. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Das erste Podium am NBFF mit Moderatorin Katrin Hauser, Bettina Koster von Schweizer Hagel; Andreas Ziermann von der Bodensee Stiftung und Roman Hüppi von My Climate. Foto: FiBL Adrian Krebs

Zweites Podium am Nachmittag mit ETH Agrarökologie-Professorin Johanna Jacobi, Nicolas Barthelmé von «Du bist hier der Chef sowie Keyline-Spezialistin Katja Degonda, Gründerin von Ondaka. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Interaktion zum Auftakt: In kleinen Gruppen diskutierten die Teilnehmenden zwecks Aufwärmen und Kennenlernen zu diversen Themen. Foto: FiBL, Florine Stäublin

Das Nationale Bioforschungsforum genoss mit rund 80 Teilnehmenden guten Zuspruch. Foto: FiBL, Florine Stäublin

Ist die Biowertschöpfungskette fit für den Klimawandel? Am NBFF vom 14. Dezember widmete man sich einer grossen Frage. Rund 80 Personen aus Praxis, Forschung, Verbänden und Behörden waren nach Frick gekommen, um diese zu beantworten.

Mehr Extremereignisse
Zum Auftakt präsentierten Lin Bautze und Adrian Müller vom FiBL eine Übersicht zu Schweizer Klimaszenarien, deren Auswirkungen sowie mögliche Antworten aus Landwirtschaft- und Ernährungspraxis.

Adrian Müller, der sich im Departement Agrar- und Ernährungssystemen seit langem mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzt, fasste die Auswirkungen für die Schweizer Landwirtschaft kurz zusammen: trockenere Sommer, feuchtere Winter, weniger Schnee, mehr Extremereignisse.

Maisanbau-Eignung wird abnehmen
Müller empfahl der Runde, den Fokus nicht ausschliesslich auf den Klimaschutz, sondern auch auf die Klimaanpassung zu legen. Er gab gleich ein praktisches Beispiel: Die Eignung der Schweiz für Maisanbau werde massiv abnehmen, so Müller. Man müsse sich also schnell Gedanken machen über den Ersatz der produktiven Ackerkultur.

Zwar betrachte man die Futtermaisfläche aus Biosicht sowieso als zu hoch. Aber das Grünland werde in den zunehmenden Trockenperioden ebenfalls weniger liefern, der Ersatz wird also komplex, zumal ja unterdessen die Fütterungsrichtlinien für Biotiere stark verschärft worden sind.

Dort lernen, wo schon unser Wetter der Zukunft ist
Wo kann man lernen, wie man mit solchen Schwierigkeiten umgeht, fragte Müller abschliessend in die Runde: «Dort, wo das Wetter schon heute so ist, wie hier im Jahr 2070», antwortete er sich gleich selber.

Ein Landwirt oder eine Landwirtin in Frick müsste sich deshalb heute beispielsweise an der Landwirtschaft südlich von Genf orientieren. Dort herrschten aktuell die Bedingungen, mit denen in rund einem halben Jahrhundert am Standort des FiBL zu rechnen ist.

Risiko teilen
Müllers Kollegin Lin Bautze, die in der FiBL Gruppe für Bodenfruchtbarkeit und Klima tätig ist, beschäftigte sich mit den Antworten auf die Frage «Was kann ich auf meinem Betrieb machen?»

Damit der Klimawandel für die Betriebe finanziell tragbar bleibe, müsse das Risiko geteilt werden, unter anderem mit Hilfe von Versicherungen.

Das für den Biolandbau typische starke Augenmerk auf die Bodenqualität sei auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel extrem wichtig, sagte die Forscherin. Gerade bei Extremereignissen – sowohl Trockenheit wie auch zuviel Nässe – zeige sich deutlicher denn je, ob ein Boden eine gute Struktur und damit die nötige Wasserspeicherfähigkeit aufweise.

Diversifikation sorgt für Resilienz
Ein anderes Rezept für Wohlergehen trotz Klimawandel sieht Bautze in der Diversifikation des Betriebs: «Je diverser das System, desto stabiler und resilienter ist es», sagte sie. Die Vielseitigkeit der Betriebe gilt vielerorts schon lange auch ökonomisch als Erfolgsrezept, da sie hilft, die Abhängigkeit von Preisschwankungen am Markt zu reduzieren.

Zentral sei es auch, mit Berufskolleginnen und -kollegen sowie zugewandten Orten am Markt, in der Forschung und in der Politik in den Austausch und ins Gespräch kommen, um voneinander zu lernen, sagte Bautze; und das über die Region hinaus.

«Wir sammeln vom FiBL aus die Möglichkeiten zur Klimaanpassung auf den Betrieben», sagte sie. Es gibt bereits mehr als 130 Tools, mit denen man die Klimaeffekte messen könne, für die Klimaanpassung gibt es kaum etwas. Sie verwies auch auf das europäische Grossprojekt Climate Farm Demo, das mit der Beteiligung des FiBL und von weiteren Schweizer Institutionen hier versucht Lücken zu schliessen (s. untenstehenden Link).

Man kann auch Mist bauen
In der anschliessenden Diskussion fragte Moderatorin Katrin Hauser, ob man auch Mist bauen könne mit Klimaanpassungsmassnahmen? Ja das gibt es, meinte Bautze. Eine solche «Maladaptation» liege etwa dann von, wenn ein Betrieb wegen Bewässerung einer neuen Kultur plötzlich mehr Wasser brauche oder gar mehr CO2 produziere.

«Wir müssen Produktionsgrundlagen erhalten, für immer», rief Adrian Müller den Teilnehmenden in Erinnerung. Dabei hätten Klimaschutz und Klimaanpassung eines gemeinsam: «Wir müssen aus unserer Komfortzone raustreten», so Bautze, «deshalb ist der Austausch wie hier so wichtig».

Möglichkeiten der Abfederung
In einem ersten Podiumsgespräch äusserten sich im Anschluss drei Referierende zu «Möglichkeiten der Abfederung klimawandelbedingter Risiken und der Finanzierung von Massnahmen zur Anpassung und Steigerung der Resilienz».

Bettina Koster von der Hagel Schweiz – der wichtigsten Ernteversicherung im Land – ergriff als erste das Wort. Hagelschaden sei traditionell der grösste Kostenpunkt und gleichzeitig die wichtigste Einnahmequelle der Versicherung. 70 Prozent der Schweizer Ackerfläche sei versichert, sagte sie, davon etwa 20 Prozent auch gegen Trockenheit.

Trockenheit ist schwierig für Versicherung
Trockenheit werde aber an Bedeutung gewinnen, ist Koster überzeugt. Hier sieht sie gewisse Schwierigkeiten auf die Versicherung zukommen: Der Hagel schlage meistens nur punktuell zu, also bei einem kleinen Teil der Versicherungsnehmenden. Bei der Trockenheit sei dies aber anders, hier handle es sich meist um breitflächige Angelegenheit.

Für Koster braucht es in der Landwirtschaft viel Beratung, zum Beispiel in Richtung Agroforst, also für Systeme, die Extremereignisse abzumildern vermögen. «Was Ihr tut wie Gesundheitsförderung durch Krankenkassen», meinte Moderatorin Katrin Hauser als Reaktion auf diese Aussagen.

Sensiblisierung ist zentral
Andreas Ziermann von der Bodensee Stiftung sagte, es sei extrem schwierig, sich auf Extremereignisse vorzubereiten, deshalb seien diese massive Kostentreiber. Wie zuvor Lin Bautze plädierte er für Diversifizierung, hier sei Bio schon gut aufgestellt.

Er betonte ebenfalls, wie wichtig Sensibilisierung für Klimaanpassung sei. Dabei gelte es aufzuzeigen, dass viele Massnahmen mit geringen Kosten verbunden seien. Als Beispiel nannte er die Verlängerung der Bodenbedeckung mit Zwischenfrüchten «Wenn wir das nicht tun, knipsen wir mitten im Sommer die Solaranlage aus, sagte er mit Blick auf die Photosynthese. Mit Zwischenfrüchten würden zudem unterschiedliche Wurzelhorizonte werden bespielt.

«Wir müssen jetzt handeln, denn es wird immer schwieriger, die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern», sagte Ziermann. Häufig fehlten auf den Betrieben noch Bewusstsein und Wissen. Zudem fehlten auf Durchschnittsbetrieben mit schwacher Rentabilität oft auch der finanzielle Anreiz, um hier zu investieren.

Interessanter Rückbindungsmarkt
Als dritter im Bunde sprach Roman Hüppi von My Climate: Auch er sprach von der Schwierigkeit, die Landwirte davon zu überzeugen, die Durstrecke zu überwinden, bis sich Klimaanpassungs-Projekte auf dem Betrieb auszahlen, das sei der grösste Knackpunkt. Dabei gehe es häufig auch ums Zwischenmenschliche: «Man zerfleischt sich genüsslich in der eigenen Szene, das ist beim Biolandbau nicht anders als bei der Klimafrage», sagte Hüppi.

Als besonders interessant bezeichnete er den «Rückbindungs-Markt». Dieser Sektor mit Bindung von CO2 in diversen Formen beginne zu wachsen, da könne die Landwirtschaft mitmachen. Er erwähnte dabei Agroforst-Projekte und die Bindung von Kohlenstoff im Boden, beide Bereiche seien sehr interessant.

Mit neuen Konturen gegen Starkregen
«Gemeinschaftliche und ganzheitliche Lösungsansätze für eine klimaveränderte Ernährungs- und Landwirtschaft» lautete das ambitiöse Motto des zweiten Podiumsgesprächs im Laufe des Nachmittags.

Die Zürcher Umweltnaturwissenschafterin Katja Degonda hat sich auf Keyline Design spezialisiert und dafür die Firma Ondaka gegründet. Keyline Design ist eine landschaftsangepasste Anbauform zur Reduktion von Wasserverlusten und Schäden durch Extremregen (siehe auch Dezemberausgabe von Bio Aktuell).

«Ich bin ein wenig ungeduldig»
«Ich bin ein wenig ungeduldig», sagte die Jungunternehmerin, «ich wünsche mir einen grösseren und stärkeren Wandel in Richtung von einem System, das auf die Zukunft ausgerichtet ist». Es brauche wie bei einem schwer kranken Patienten eine Operation statt kleine Pflaster drauf.

Es brauche stärkere Eingriffe ins System, also zum Beispiel eine klimaangepasste Neustrukturierung der Flächen statt «Bodenpflästerli». Es nütze ja nichts, den Boden in jahrelangem Einsatz zu verbessern, wenn er dann beim ersten Starkregen weggespült werde.

Verantwortung ungleich verteilt
Ungeduldig ist auch Johanna Jacobi, Professorin für Agrarökologische Transitionen an der ETH in Zürich. Sie forschte und lebte länger auf der Südhalbkugel und beschrieb die Probleme im globalen Süden als unglaublich existenziell. Hier auf der Nordhalbkugel heisse es zu ihrem Ärger derweil: «Wir machen alles schon richtig oder die Konsumenten und Konsumentinnen wollen das so».

Die ganze Verantwortung für den aktuellen «Ökozid» werde verteilt auf Landwirtschaftsbetriebe und die Konsumierenden. Derweil hielten sich die wenigen grossen Akteure dazwischen sich unschädlich. «Wir brauchen bessere Prozesse und eine Rechenschaftspflicht für die Grossunternehmen», forderte Jacobi. «Diejenigen, welche es anders machen, tun dies nicht wegen, sondern trotz der Politik», sagte sie, um ihrer Unzufriedenheit mit dem politischen und behördlichen Vorgehen zu unterstreichen.

«Detailhandel benützen»
Mit Grossunternehmen befasst sich auch Nicolas Barthelmé. Er ist Gründer von «Du bist hier der Chef – Die Verbrauchermarke». Diese Initiative lässt die die Kundschaft mittels Umfrage darüber entscheiden, was sie für Produkte wollen. «Diese verkaufen wir im ganz normalen Handel», erläuterte der gebürtige Franzose. Damit werde der ganze Druck nach weiter hinten in die Wertschöpfungskette gegeben.

«Eigentlich wollen wir Verbraucher und Verbraucherinnen gar nicht, dass das System ausbeuterisch ist», sagte Barthelmé. «Indem man die Leute entscheiden lässt, kommen wir zu einem guten Produkt». Dabei definieren die Konsumierenden nicht nur die Anforderungen ans Produkt, sondern auch gleich noch den Verkaufspreis.

«Auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren»
«Wenn auch ein Konsument oder eine Konsumentin am Tisch ist mit Detailhandel, Handel und der Landwirtschaft, ist das Gespräch ein ganz anderes», hat Barthelmé beobachtet. Er sprach vom «Dreamteam ganze Wertschöpfungskette» und warnte davor, die Grossverteiler zu verteufeln. Man müsse sie eher benützen, denn in Disziplinen wie Präsentation, Logistik und Marketing seien sie extrem stark.

Einig mit ihm geht Sepp Bircher, Landwirt und Vorstandsmitglied von Bio Suisse. Er erklärte, seinerseits, man sei schon gut unterwegs mit dem Detailhandel. Er sei mit Namen auf der Eierpackung, sowohl im Aldi wie auch bei der Migros auch. «Wichtig ist, dass wir dank unseres Verbands auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren können, ohne Zwischenstation», betonte er.

Mehr Fragen als zu Beginn
«Wir sind mit mehr Fragen rausgegangen aus dem Podium, als wir reingegangen sind», fasste Moderatorin Katrin Hauser nach dem Podium zusammen. Dasselbe gilt auch für die gesamte Veranstaltung, aber die im intensiv gepflegte Austausch entstandenen Fragen tragen hoffentlich mit zu einer noch klimafitteren Biowertschöpfungskette bei.

Adrian Krebs, FiBL

Weiterführende Informationen

NBFF (Rubrik Grundlagen)
Projekt Climate Farm Demo (Website des Projekts)
Dezemberausgabe von Bio Aktuell
«Du bist hier der Chef» (Website des Projekts)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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