Reben, eine der letzten Bastionen der Monokultur, sollen mit dem Konzept «Vitiforst» vielfältiger werden. Die Teilnehmenden sahen und hörten von Obstbäumen, Wildobst, ja sogar Hafer für eine Frühstückflockenmischung - alles mitten in den Reben.
Ein Ziel ist auch die Resilienz eines Rebberges, sei es durch Schädlingsregulierung mittels erhöhter Biodiversität und Humusaufbau oder durch ein durchdachtes Wassermanagement.
Begleitet wurden die Teilnehmenden von Alain Mallard, einem ausgewiesenen französischen Experten für naturnahe Rebberge. In Frankreich belasten teilweise ausgedehnte Dürreperioden und gelegentliche Starkniederschlägen die Reben.
Biohof Jürg und Claudia Strauss, Rickenbach
«Wieso müssen in den Rebbergen nur Reben wachsen?», stellt Jürg Strauss das Verständnis eines Winzers in Frage. Er versuche mit der Rebe zu spielen. So ersetzte er das Drahtgerüst durch Weiden, die direkt neben der Rebe gepflanzt werden. Unterbrochen wird diese Reihe zusätzlich durch Wildobst wie Vogelbeere, Wildkirsche, Maulbeere und auch Ahorn. «Ich möchte viele Übergänge schaffen, um ein gesamtheitliches Ökosystem zu erhalten», sagte er.
Das System muss gut beobachtet werden. Auch warnte Jürg Strauss davor zu dicht Bäume in die Reben zu pflanzen. «Die Reben brauchen ja doch noch genug Sonnenstunden.»
Alain Mallard wies anschliessend darauf hin, dass sich nicht jeder Baum in Kombination mit den Reben eigne und die Baumerziehung in solch einem System zusätzlich an Bedeutung gewinne. Wenn der Baum in die Höhe erzogen und regelmässig zurückgeschnitten wird, gehen auch die Wurzeln mehr in die Tiefe als in die Breite, stellte Mallard fest. Sie stören so die Rebwurzeln weniger und haben auch die Fähigkeiten Wasser aus tieferen Bodenschichten nach oben zu holen. «Alle 12 Meter ein Baum in die Rebanlage gepflanzt, kann er die ganze Fläche mit Wasser aus tiefen Schichten versorgen», erklärt er. Allgemein lohne es sich, Tiefwurzler mit den Reben zu kombinieren.
Beim Mittagessen wurde die Gruppe mit knackigem Frühlingssalat und Gerstensuppe sowie Wein vom Weingut Besson-Strasser verwöhnt. Alain Mallard erklärte zwischen Salat und Suppe vertiefter sein Verständnis vom Wasserhaushalt in den Reben, welchem er sehr viel Gewicht beimisst. Auch hier war das Keylinesystem wieder Programm. Die zusätzliche Terrassierung und Befahrbarkeit für die kleineren Rebtraktoren müsse bei der Planung ebenfalls berücksichtigt werden, erklärte Mallard.
Biohof Roland und Karin Lenz, Uesslingen
Roland Lenz zählt im Anbau seiner 27 Hektar grossen Rebfläche auf folgende drei Faktoren: fruchtbarer Boden, robuste Sorten und Diversität. So pflanzt er seit 1999 nur noch PIWI (Pilzwiderstandfähige Sorten). Dies reduziert den Pestizideinsatz auf ein Minimum, was sich auf die Fruchtbarkeit und die Lebendigkeit der Böden auswirkt. «Ein gesundes Mikrobiom muss im Boden geschaffen werden, um ein System zu erhalten, bei dem der Schädlings- und Krankheitsdruck niedrig gehalten wird», erklärte er den Exkursionsteilnehmenden.
Die Rebbgassen werden bei ihm auch gerne mal zum Haferfeld oder Gründüngungsstreifen. Auch ein vielfältiger Bewuchs in den Gassen ist ein weiteres Puzzleteil, um eine resiliente Diversität im System zu erreichen.
Aber Vitiforst heisse nicht nur Pflanzenvielfalt im Rebberg. Auch Tiere dürfen in einer vielfältigen Anlage nicht fehlen, ist Lenz überzeugt. So erfuhren die Exkursionsteilnehmenden vieles über Fledermäuse, deren Leibspeise der Traubenwickler ist. Im Rebberg von Roland Lenz befindet sich deshalb ein Tümpel, dem 100 Rebstöcke weichen mussten. Er ist so gebaut, dass die Fledermaus im Fliegen einen Schluck Wasser nehmen, um gleich anschliessend wieder Traubenwickler zu vertilgen. Viele Fledermauskästen dienen zudem als Überwinterungsquartier.
Biohof Rauspfeife, Christoph Jörg und Julia Albrecht, Herdern
Die letzte Station war der Hof Rauspfeife von Christoph Jörg und Julia Albrecht. Dort besichtigte die Gruppe eine frisch terrassierte Anlage. Christoph Jörg will mit dem System Vitiforst noch einen Schritt weiter gehen. Die Terrassen sind extra breit angelegt (drei Meter, bzw. zwei Gassen sogar fünf Meter breit). Jörg kann sich vorstellen, wärmeliebende Pflanzen wie Granatapfel, Pistazien und Mandeln in die Anlage zu pflanzen. «Ich möchte zeigen, dass man in einem Rebberg nicht nur Reben ernten kann sondern auch andere Kulturpflanzen, die die Sonnenlage mögen.»
Diese beeindruckende Vision wurde mit einem Apéro zum Schluss gefeiert. Und da war sie wieder - die entscheidende und Konventionen sprengende Frage: Wieso sollen im Rebberg nur Reben wachsen?
Jeannine van Puijenbroek
Dieser Bericht erscheint auch in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Kultur & Politik von Bio Forum Schweiz
Weiterführende Informationen
Biorebbau (Rubrik Pflanzenbau)
Agroforst (Rubrik Pflanzenbau)
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