Jürn Sanders Vorsitzender der Geschäftsleitung (GL), Leiter des Departements für Agrar- und Ernährungssysteme (Nachfolge für die Departementsleitung wird gesucht)
In den letzten Jahren hat es stark gerumpelt in der Chefetage, war das ein reinigendes Gewitter oder gibt es am FiBL ein chronisches Führungsproblem?
Jürn Sanders: Weder noch. Nüchtern betrachtet ist es nicht ungewöhnlich, dass es nach dreissig Jahren mit Urs Niggli zu weiteren Veränderungen kommt und dies auch die Führung betrifft, zumal es ja jeweils auch persönliche Gründe waren, die mitspielten.
Was ist der grösste Unterschied zum letzten Führungstrio?
Markantester Unterschied ist, dass wir keine Direktion mehr haben, sondern eine Geschäftsleitung (GL) mit einem Geschäftsleitungsausschuss (GLA). Die GL ist gestärkt worden. Sie berät und entscheidet im Rahmen der vom Stiftungsrat vorgegebenen Stossrichtung über strategische Geschäfte. Der GLA wiederum hat die operative Leitung des Instituts.
Was nimmt der GLA führungstechnisch als «Lernblätz» mit?
Entscheidend ist das Engagement und die hohe Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Subsidiäre Strukturen sind deshalb sehr zentral. Gleichzeitig müssen wir uns neu positionieren. Dafür brauchts einen klaren Kompass. Das FiBL ist stark gewachsen.
Ihr Vorgänger wollte ja eher hierarchischer führen, wie würden Sie ihren Führungsstil beschreiben?
Was mir wichtig ist, ist zuzuhören, empathisch zu sein, aber auch klar zu sein. Wir brauchen am FiBL beides, eine klare Orientierung und gleichzeitig das Feuer und das Engagement der Mitarbeitenden.
Ist das Wachstum noch gesund oder braucht es einen Marschhalt?
Ich finde, dieses Wachstum haben wir bisher gut gemeistert. Die Herausforderungen sind uns bewusst und wir versuchen, diese auf verschiedenen Ebenen anzugehen. Die Expertise des FiBL ist sehr gefragt, und wir können bei der Transformation der Ernährungssysteme viel bieten. Das kann auch zu weiterem Wachstum führen. Es sollte aber kein Selbstzweck sein, sondern bewirken, dass wir noch bessere Arbeit leisten können.
Ist das Institut gut ausgerichtet, um agil auf die hohe Nachfrage zu reagieren?
Agilität ist Bestandteil der FiBL-Kultur. Je grösser wir werden, desto anspruchsvoller ist es jedoch, diese beizubehalten, Stichwort Interdisziplinarität. Dass die Leute zusammenkommen und interagieren ist absolut zentral. Gerade weil die Probleme so komplex sind, ist es wichtig, aus unterschiedlichen Perspektiven systemisch zu denken. Unsere Stärke sollte es sein, auf komplexe Fragen einfache Antworten zu geben.
Nennen Sie uns bitte drei inhaltliche Schwerpunkte, wo sich das FiBL künftig noch stärker engagieren sollte.
Über diese Frage diskutieren wir gerade intensiv, wichtige Themen sind sicherlich Ernährung und Gesundheit, Klimaresilienz und das Ertragspotenzial des Biolandbaus.
Beate Huber Vizevorsitzende der GL, Leitung des Departements für Internationale Zusammenarbeit
Die Dreierspitze hat letztes Mal nicht funktioniert, wieso hält der GLA nun trotzdem daran fest?
Beate Huber: Ich würde das umdrehen. Die Dreierspitze hat sich bewährt und dazu geführt, dass trotz Wechsel keine Führungskrise entstand. Der Weggang von Knut Schmidtke war ein schwieriger Moment, aber dort hat uns diese Führungsstruktur resilienter gemacht.
Sie sind die mit Abstand erfahrenste im FiBL-GLA, sehen Sie sich als Hüterin des Pioniergeistes?
Ich werde immer ein bisschen kribbelig, wenn ich das Wort Hüterin höre, das hat ja etwas sehr Statisches. Unsere grossen Stärken sind Transdisziplinarität, partizipative Arbeitsweise, unternehmerisches Denken und Selbstverantwortung. Vor zwanzig Jahren hat man uns dafür ausgelacht, heute versuchen alle, genau das zu machen. Trotzdem müssen wir unsere Arbeitsweise stets den neuen Herausforderungen anpassen.
Was sind die Schwächen dieses FiBL-Systems?
Das Risiko einer Überlastung der Mitarbeitenden ist höher. Es besteht auch eine hohe Eigenverantwortung, zu schauen, dass es mir in diesem System gut geht. Die grosse Schwierigkeit ist es, die Balance zu finden. Hier müssen wir mehr Fürsorge bieten als noch vor zwanzig Jahren. Es geht auch darum, mit anderen Arbeitgebern konkurrenzfähig zu bleiben, sonst haben wir keine Chance.
Und sind wir das?
Wir sind das, auch wenn wir bezüglich Löhne nicht auf ETH- oder Kantonslevel sind. Aber das merkt in der Schweiz auch die Industrie. Wir gehören nicht zu denen, die die höchsten Löhne zahlen, aber ich hoffe, wir gehören zu denjenigen, welche die besten Arbeitsbedingungen bieten.
Der Biolandbau wächst international weiter. Welche Verdienste haben das FiBL und seine Tätigkeit daran?
Wir sind ein wichtiger Player international. Wir waren von Anbeginn weg sehr engagiert für die Weltbewegung, und das haben wir beibehalten. So hat das FiBL den ersten IFOAM-Weltkongress organisiert. Es gibt auch Bioentwicklungen in Ländern wie der Ukraine, die wir intensiv begleiten durften. Ein anderes schönes Beispiel ist die Weltbiostatistik World of Organic Agriculture. Die Sichtbarmachung der Zahlen hat sicher stark beigetragen zur internationalen Entwicklung.
Wo sehen Sie die Schwerpunkte der internationalen Aktivitäten in der Zukunft?
Für uns ist es wichtig, hier Flexibilität zu wahren. Die internationalen Aktivitäten sind von der Grundfinanzierung durch den Bund ausgenommen. Wir folgen der Nachfrage und ein stückweit auch den Finanzierungsmöglichkeiten. Wir können keinen Schwerpunkt setzen, wo keiner der Geldgeber rein will. Afrika wird als Kontinent, der am stärksten unter dem Klimawandel leidet und massive Probleme mit degradierten Böden hat, sicher ein Schwerpunkt bleiben. Hier kann der Biolandbau sehr viel zu einer positiven Entwicklung beitragen.
Michel Keppler Vizevorsitzender der GL, Leitung des Departements für Finanzen, Ressourcen & Administration
Könnten Sie uns bitte einen kurzen Überblick geben, wie sich das FiBL heute finanziert?
Michel Keppler: Hauptsächlich über unsere Forschungsprojekte in der Schweiz, in der EU und darüber hinaus. Dazu kommen der wichtige Beitrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) sowie viele weitere nationale und internationale Organisationen, Stiftungen oder Privatpersonen, die uns unterstützen.
Finanziell balancierte das FiBL jahrzehntelang am Rande des Abgrunds. Ist mit dem Bundesgeld nun alles besser?
Die Unterstützung des BLW ist für uns essenziell und wird eingesetzt, um unsere Overhead-Kosten zu bezahlen; andererseits um Projekte, die sich nicht selber finanzieren, zu decken. Ohne den BLW-Beitrag müssten wir auf viele Projekte verzichten und viel mehr auf profitable Forschung setzen.
Wie sicher ist denn dieser Beitrag?
Die Vereinbarung mit dem BLW sichert uns den Beitrag bis 2025 in definierter Höhe zu. Bald steigen wir wieder in Verhandlungen ein, um den Betrag für die nächste Periode ab 2026 zu sichern.
Wo sehen Sie noch Potenzial für die Erschliessung neuer Finanzierungsquellen?
Die Akquise ist wichtig, aber es geht nicht nur um die Erschliessung neuer Finanzierungsmöglichkeiten, sondern auch um die Effizienz bei der Nutzung bestehender Mittel: Wo können wir Kosten optimieren? Wo können wir Prozesse verbessern? Werden die Mittel am richtigen Ort eingesetzt?
Welche Schwachpunkte muss das FiBL überwinden, um noch besser an die besten Talente heranzukommen?
In Forschung und Beratung haben wir einen sehr guten Ruf, auch international. Deshalb haben wir teilweise auch einen Run auf Praktikumsplätze und Doktorandenstellen. Da sind wir sehr stark. Aber grundsätzlich sind wir natürlich auch dem Talentwettbewerb ausgesetzt. Es geht darum, dass wir uns als Arbeitgeber noch besser positionieren und auch vermarkten.
Das FiBL hat weitgefächerte Aktivitäten, wie schwierig ist es, die Übersicht zu behalten?
Das ist sicher herausfordernd. Wir haben am FiBL Schweiz 800 Projekte und 350 Mitarbeitende. Aber wir haben eine sehr gute Truppe mit viel Fachwissen. Zudem bewährt sich auch die neue Struktur mit einer gestärkten Geschäftsleitung, die viel zu mehr Übersicht beiträgt.
Interviews: Adrian Krebs
Dieser Artikel ist leicht gekürzt im Bioaktuell Magazin 2/2024 erschienen.