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Ernährungsinitiative als Chance für den Biolandbau?

Meldung  | 

Kürzlich ist die Initiative «Für eine sichere Ernährung» zustande gekommen. Für den Vorstoss engagiert sich teils auch der Biolandbau mit dem Ziel, die Land- und Ernährungswirtschaft nachhaltiger zu machen.

Franziska Herren steht hinter mehreren Initativen zur Schweizer Lebensmittelproduktion. Foto: zVg Franziska Herren

Franziska Herren, die bereits die Trinkwasserinitiative lanciert und an die Urne gebracht hatte, ist erneut die treibende Kraft hinter dem Begehren. Es ist kürzlich mit 112 736 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Der Bundesrat hat bereits Stellung bezogen. Er lehnte die Initiative im November 2024 ab und wird auch keinen Gegenvorschlag erarbeiten. Denkbar sei aber, so Franziska Herren, dass das Parlament einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten wird.

Deutlich höherer Selbstversorgungsgrad

«In den beiden Kammern wird sich zeigen, ob die Politik ihren Auftrag wahrnimmt, die Ernährungssicherheit der Bevölkerung sicherzustellen und die Initiative befürwortet», sagt Franziska Herren. Das Parlament weise eine grosse Nähe zum Bauernverband (SBV) auf, der schon heute Nein zu der Initiative sagt. «Dabei wäre eine Annahme der Initiative gerade für die Landwirtschaft zentral», sagt Franziska Herren.

Die Initiative sehe vor, dass neu ein Netto-Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent (bisher 50 Prozent) angestrebt wird. Und sie verlange, dass als Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion nebst dem Kulturland auch Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und Saatgut sicherstellt würden. «Ein höherer Selbstversorgungsgrad bringt den Bauernfamilien mehr Produktions- und Abnahmesicherheit für ihre Ernten und damit ein sicheres Einkommen. Gesunde Böden und die Biodiversität sind also die Existenzgrundlage der Bauernfamilien und der Gesellschaft.»

Zu viel Nutztierhaltung mit Importfutter

Und wie sieht die Stimmung speziell bei den Biobauern und -bäuerinnen aus? Franziska Herren meint, die ganze Landwirtschaft sei durch die Initiative angesprochen, unabhängig vom Anbausystem. Um Ernährungssicherheit herzustellen, müssten die Produktionsgrundlagen gesichert werden. Dafür gelte es, insbesondere die seit 2008 bestehenden Umweltziele der Landwirtschaft einzuhalten, etwa die Höchstwerte für Dünger. Besonders kritisch sei die übermässige Nutztierhaltung auf der Basis von importierten Futtermitteln.

Franziska Herren erläutert: «Zu viel Gülle und Ammoniak überdüngen flächendeckend die Böden, Gewässer und das Trinkwasser. Diese Stoffe zerstören die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität.» Problematisch sei auch der Phosphor, der aus der Gülle in die Gewässer gelangt und neuerdings auch beim Zugersee eine künstliche Belüftung nötig macht. Zudem sei der Grundsatz «Feed no Food» einzuhalten: Das Gras- und Weideland dient der Ernährung der Tiere, das Ackerland prioritär dem Anbau von Lebensmitteln für den Menschen.

«Vegi-Initiative» und «Zwängerei»

Widerstand gegen die Initiative «Für eine sichere Ernährung» kommt wie erwähnt vom Bauernverband. Der SBV betitelt Herrens Vorstoss als «Vegi-Initiative» und spricht von «Zwängerei». Das Volk habe in den letzten Jahren die Trinkwasser-, die Pestizid- und die Massentierhaltungsinitiative abgelehnt. Angenommen wurde hingegen im September 2017 die Verankerung der Ernährungssicherheit in der Verfassung.

Hier knüpft die Initiative «Für eine sichere Ernährung» an, indem sie Ergänzungen zum entsprechenden Verfassungsartikel fordert. Dieser gibt dem Bund den Auftrag, die Schweizer Landwirtschaft und deren Kulturland als Grundlagen der Ernährungssicherheit zu respektieren. Insgesamt wird eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion angepeilt.

Subventionierte Tierhaltung setzt falsche Anreize

Das Ziel sei es, so Franziska Herren,  «dass die Landwirtschaft trotz den Herausforderungen des Klimawandels, knapper werdenden Ressourcen wie Wasser und dem stetigen Bevölkerungswachstum die Ernährungssicherheit der Gesellschaft gewährleisten kann». Dazu sieht die Initiative auch Grenzschutz gegenüber ausländischen Erzeugnissen und Nachhaltigkeitskriterien für Importe vor. «Doch diese Forderungen wurden bis heute nicht umgesetzt, obschon die Ernährungssicherheitsinitiative keine Übergangsfrist hat», kritisiert sie.

Eine Biobäuerin, die sich für die hängige Initiative «Für eine sichere Ernährung» einsetzt, ist Gertrud Häseli, die auch bei den Grünen aktiv ist (u.a. im Grossrat AG). Sie ist überzeugt, die Initiative vereine die wichtigsten Forderungen für eine nachhaltige Landwirtschaft und für eine sichere Ernährung. «Heute produziert die Landwirtschaft auf 60 Prozent unserer Ackerflächen Futter für Nutztiere, zum Beispiel Mais. Mit dem Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln könnten viel mehr Kalorien für die Menschen produziert werden.» Dieses Missverhältnis sei auf die aktuelle Agrarpolitik zurückzuführen. Die Produktion von tierischen Lebensmitteln erhalte fünfmal mehr Steuergelder als die pflanzliche Produktion.

Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit

Warum verlangt die Initiative neben einem höheren Selbstversorgungsgrad auch die Sicherstellung der Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit? «Gesunde Böden mit hoher Bodenfruchtbarkeit sorgen für hohe und stabile Ernten und sauberes Trinkwasser. Sie sichern damit unsere Existenz und die Existenz unserer Bauernfamilien», sagt Franziska Herren. «In Monokulturen mit einem hohen Einsatz von Pestiziden und Dünger werden die Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität auf unseren Äckern zerstört. Das führt zu Ernteverlusten. Nachhaltige Anbaumethoden dagegen wie Mischkulturen, Agroforst oder regenerative Landwirtschaft erwirtschaften mit hoher Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit gute und stabile Erträge. Sie sorgen für natürlichen Pflanzenschutz und natürliche Düngung, ersetzen Pestizide und Kunstdünger und sorgen so für sauberes Trinkwasser.»

Die Initiative schreibe den Produzierenden nicht im Detail vor, was sie anzupflanzen hätten, so Gertrud Häseli. Sie schaffe aber die Rahmenbedingungen für die Produktion von mehr pflanzlichen Nahrungsmitteln auf unseren Ackerflächen statt Futter für Nutztiere. «Landwirte und Bäuerinnen pflanzen an, was am Markt nachgefragt ist und was fair bezahlt wird», so Gertrud Häseli. Durch einen höheren Selbstversorgungsgrad verbessern sich Produktions- und Abnahmesicherheit. Gertrud Häseli präzisiert: «Die einseitigen Verkaufsförderungsmassnahmen für die tierischen Eiweisse wie Fleisch, Milch, Eier müssen sofort abgeschafft werden. Für eine gesunde und nachhaltige Ernährung braucht es Fördermassnahmen im Bereich Gemüse, Früchte, Getreide und Hülsenfrüchte.»  

Doch damit eine neue, ausgewogene Balance zwischen der Produktion von tierischen und pflanzlichen Lebensmittel Realität werden kann, brauche es Aufklärung, sagt Franziska Herren: «Wir wollen die Bevölkerung mit Informationen und Argumenten von den Anliegen unserer Initiative überzeugen.»

Beat Grossrieder, FiBL

Neuere Volksinitiativen zu Agrarthemen

  • Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!», 2016 abgelehnt
  • Bundesbeschluss vom 14. März 2017 über die Ernährungssicherheit (Gegenentwurf zur zurückgezogenen Volksinitiative «Für Ernährungssicherheit»), 2017, zugestimmt
  • Volksinitiative «Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)», 2018 abgelehnt
  • Volksinitiative «Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle», 2018 abgelehnt
  • Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)», 2018 abgelehnt
  • Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung», 2019 abgelehnt
  • Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz», 2021 abgelehnt
  • Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», 2021 abgelehnt
  • Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)», 2022 abgelehnt
  • Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)», 2024 abgelehnt

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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