Linnéa Hauenstein fasste den aktuellen Forschungsstand zum Thema Vitiforst wie folgt zusammen: «Wir befinden uns immer noch in einer Pionierphase und die Wissenschaft kann derzeit keine generellen Antworten auf Fragen aus der Praxis bringen.» Eine Kombination aus den Erfahrungen von Betrieben und der Beratung sowie erste Forschungsresultate geben aber Anhaltspunkte.
Reben sind Waldrandpflanzen
«Vite maritata», mit Bäumen verheiratete Reben, heissen die Reste von uralten Anbausystemen, die schon die Römer praktiziert haben. Mit eindrücklichen Bildern und Gemälden zeigte Daniel Wyss, wie dabei die Weinreben hoch in die Bäume ranken. In diesen Systemen vertragen die Reben die Konkurrenz sehr gut, aber mit unserer traditionellen Erziehung in Mitteleuropa sei der Schatten unter grossen Bäumen schnell ein Thema, führte er aus.
Delinat betreibt in der Provence in Frankreich das Forschungsweingut Château Duvivier. Wyss stellte die Aktivitäten rund um den Vitiforst in den Delinat-Reben vor: Mit Pflanzungen von rund 100 Bäumen und Sträuchern pro Hektar wollen sie den folgenden Fragen auf die Spur kommen: Kann die Klimaresilienz mit Vitiforst verbessert werden und wie müssen die Bäume gepflegt werden, damit es keine Konkurrenz gibt.
Bäume integriert oder separat
Die Bäume auf Château Duvivier stehen zum Teil in den Rebzeilen, zum Teil in Bauminseln mitten in der Parzelle oder als Hecke anstatt einer Rebzeile. Nach den Pflanzungen ist Wyss aufgefallen: «Um Maulbeerbäume herum geht es den Reben besser». Die Gründe dafür sind jedoch noch unklar.
Bei der Etablierung eines Vitiforstsystems stelle sich schnell die Frage, ob in den Rebzeilen oder ausserhalb davon gepflanzt werden soll, brachten die Referent*innen eine wichtige Frage zur Sprache. Für die Entscheidung essentiell sei dabei die Berücksichtigung der Arbeitsabläufe, erklärte Hauenstein. Ihrer Erfahrung nach präferieren viele Praktiker*innen den Anbau in der Reihe. «Wenn es aber bei den Bäumen um eine Fruchtproduktion geht, würde ich lieber auf eine separate Reihe setzen» ergänzte Wyss.
Fakten aus der Forschung
Linnéa Hauenstein stellte ein Forschungsprojekt vor, in dem das FiBL in einer bestehenden Vitiforstanlage mit 12-jährigen Kopfweidenreihen seit 2023 Daten zu Mikroklima und Wasserhaushalt sammelt. Der untersuchte Betrieb schneidet die Kopfweiden jährlich im Frühjahr zurück und verwendet die Blätter für die Herstellung von Tee.
Die Ergebnisse waren zweigeteilt: In den Ergebnissen gab es signifikante Unterschiede bei der Temperatur: Im Schatten der Kopfweiden läge die Temperatur zeitweise um knapp ein Grad tiefer als ausserhalb davon. Deutliche Unterschiede gab es vor allem in der Mittagszeit der Monate August und September, spezifizierte Hauenstein.
Allerdings konnte das Forschungsteam daraus keinen Einfluss auf die Beerenqualität ableiten. Auch bei der Wasser- und Nährstoffversorgung der Reben war kein eindeutiger Unterschied im Einflussbereich der Kopfweiden und ausserhalb davon feststellbar, erklärte Hauenstein.
Das Projekt habe sich aber nur auf ein konkretes System bezogen. So vielfältig wie die möglichen Systeme, so schwierig sei eine eindeutige Aussage, machte sie klar. Das zeigten auch die verfügbaren Studien, die zum Teil zu sehr gegensätzlichen Schlüssen kämen.
Achtung vor zu viel Schatten
Hauenstein und Wyss verschwiegen auch nicht die möglichen negativen Auswirkungen einer Bepflanzung mit Bäumen: «Wenn die Reben zu stark beschattet sind, können die Bäume einen negativen Einfluss auf die Beerenbildung haben» stellte Wyss fest. In heissen Jahren könne aber auch starker Schatten durchaus ein Vorteil sein.
«Deshalb ist es wichtig, genau zu überlegen, wie man die Bäume erzieht und kontrolliert damit man einen positiven Einfluss hat, einen negativen aber vermeidet», so Wyss.
Wenn grosse Bäume vorhanden sind und eine junge Anlage darunter gepflanzt wird, können es die jungen Reben schwer haben, ergänzte Hauenstein. Sie wies aber auch auf die Zukunftschancen hin: «Vitiforst ist eine Möglichkeit, wie wir im zukünftig heisseren Klima unsere mikroklimatischen Verhältnisse optimieren können.»
Im Herbst geht es weiter
Wieder gab es ein reges Interesse an den Vorträgen, rund 50 Personen nahmen an dem Webinar teil und diskutierten mit. Die Agroforst-Webinarreihe endet damit vorerst, eine Forstsetzung ist aber für Herbst 2025 geplant.
Diese Webinarreihe wird durch das FiBL Schweiz und die IG Agroforst organisiert, sie ist Teil der Weiterbildung im Rahmen einer neuen Agroforstanlage am FiBL in Frick. Das Projekt wird durch die Leopold Bachmann Stiftung finanziert.
Simona Moosmann, FiBL
Weiterführende Informationen
Kontakt Linnéa Hauenstein (E-Mail)
Kontakt Daniel Wyss (E-Mail)
Merkblatt Agroforst im Weinbau mit Baumliste (Delinat)
Château Duvivier (Delinat)
Alle Berichte aus der Webinarreihe (Rubrik Agroforst)
Biorebbau (Rubrik Pflanzenbau)
Vitiforst – Eine Anpassungsstrategie (FiBL Projekte)
Agroforst Lernprojekt (FiBL Projekte)