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«Wir stellen vernünftige Forderungen»

Meldung  | 

Ursin Gustin ist Vertreter der Junglandwirte (JULA) im Vorstand des Schweizer Bauernverbands und Biolandwirt. Das Bioaktuell Magazin hat mit ihm über die Perspektiven junger Menschen in der Landwirtschaft gesprochen.

Vertreter der Junglandwirt*innen und Biobauer: Ursin Gustin auf seinem Hof in Donat GR. Foto: zvg

Die Junglandwirte verteilen sich auf kantonale und regionale Organisationen, die jeweils eine Vertretung in die JULA-Fachkommission entsendet. Diese umfasst 16 Mitglieder und bestimmt wiederum einen Vertreter in den Vorstand des Schweizer Bauernverbands. Die JULA wurde 2006 gegründet, um die Interessen der jungen Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz zu vertreten. Mitglieder können bis zum Alter von 35 Jahren in der JULA aktiv sein. Anders als in Deutschland, Frankreich oder Österreich, gibt es in der Schweiz keinen Zusammenschluss junger Menschen aus der Biolandwirtschaft.

Die JULA ist neben der Landjugend die einzige junge landwirtschaftliche Interessensvertretung in der Schweiz. Wie gut deckt sie die Interessen aller landwirtschaftlichen Berufsgruppen und Strömungen in nur einer Organisation ab? 

Ursin Gustin: In der JULA finden sich Vertreter fast aller Betriebszweige und aus allen Regionen. Über die kantonalen Organisationen sind unsere Mitglieder gut vernetzt und dadurch auch in der JULA-Fachkommission sowie im Vorstand des Schweizer Bauernverbands vertreten. Ich selber wurde in die Fachkommission von den Mitgliedern der JULA Graubünden-Glarus gewählt. Alle Kommissionsmitglieder machen die Meinungsbildung innerhalb ihrer kantonalen Organisation. Dort kann man sich einbringen. Deshalb bilden wir relativ gut alle Meinungen ab.

Anders als in Deutschland, Frankreich und Österreich gibt es in der Schweiz keine junge Interessenvertretung im Biolandbau. Vertritt die JULA die Interessen junger Biolandwirtinnen und Landwirte so umfassend, dass es keine eigene Vertretung braucht?

In der JULA-Fachkommission sind vier von 16 Mitgliedern Biolandwirtinnen und Biolandwirte – das entspricht 25 Prozent. Ihr Anteil ist damit höher als derjenige der Biolandwirtschaft in der Schweiz. Biospezifische Themen sind immer wieder ein Thema – etwa bei der Revision der landwirtschaftlichen Grundausbildung. Als JULA wollen wir uns gemeinsam weiterentwickeln, alle können ihre Meinung einbringen.

Sie führen selbst einen Biobetrieb. Gab oder gibt es Themen, bei denen Ihrer Meinung nach die Perspektive junger Biolandwirt*innen stärker hätte einfliessen müssen?

Ich weiss nicht, ob es extra eine eigene Organisation braucht. Über die Delegiertenversammlung bei Bio Suisse können sich junge Landwirtinnen und Landwirte einbringen, wenn sie sich von den kantonalen Verbänden als Delegierte wählen lassen. Da haben sie vermutlich mehr Spielraum als die Mitglieder in den Bioverbänden unserer Nachbarländer.

Das Positionspapier «Weitblick» der JULA entwirft eine Vision für die Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2050. Darin wünscht man sich Betriebe, die unternehmerisch und marktorientiert handeln. Ausserdem soll der administrative Aufwand «sehr tief» ausfallen. Sind das auch für den Biolandbau Prioritäten?

Wenn man schaut, woher das Geld in der Landwirtschaft kommt, sieht man, dass 80 Prozent über den Markt erwirtschaftet werden. Viele stellen nicht zuletzt aus Marktgründen auf Bio um. Für uns steht das Einkommen aus dem Erlös unserer Produkte im Vordergrund. Solange Bio noch eine Nische ist, ist es für uns klar, dass Biobetriebe für gewisse Leistungen Direktzahlungsbeiträge erhalten sollen – Leistungen, die über den Markt nicht zu entschädigen sind. Beim Tierwohl ist das so sowie bei Umwelt- oder Biodiversitätsleistungen. Das Anreizsystem der Direktzahlungen soll dabei helfen, die Umweltziele zu erreichen.

Bund und Kantone sollen gemäss «Weitblick» zudem mittels Investitionen in neue Technologien dabei helfen, Emissionen zu minimieren, Belastung der Böden zu senken, fruchtbare Böden zu erhalten oder die Energiewende zu sichern. Da sind Biobetriebe teilweise heute schon weiter, ganz ohne Investitionshilfen in Technologien.

Was die Investitionshilfen für neue Technologien angeht, bin ich persönlich eher vorsichtig. Ich bevorzuge den Abbau bürokratischer Barrieren für den Einsatz von Technologien. Meiner Meinung nach funktioniert es am besten, wenn wir in der Landwirtschaft unsere Überzeugungen selbstverantwortlich und aus Eigeninitiative umsetzen können. Gerade durch die Raumplanung oder die administrativen Anforderungen entstehen oft Hürden, die den technologischen Fortschritt verlangsamen.

Die Zahl der Betriebe und der Beschäftigten in der Landwirtschaft nimmt stetig ab. Was tut die JULA für Interessierte, die keine Aussicht auf eine innerfamiliäre Betriebsübernahme haben?

Ich sehe zwei Seiten: Für die ausserfamiliäre Nachfolge wird die Hofübernahme zunehmend schwieriger, da die Betriebe immer grösser und teurer werden. Das macht es schwer, Höfe zu kaufen oder zu pachten. Gleichzeitig gestaltet sich auch die Übergabe an Ausserfamiliäre schwieriger. Wenn das Geschäftsvermögen des Betriebes bei einer Übergabe ausserhalb der Familie in Privatvermögen umgewandelt wird, entstehen für die Eigentümer oft hohe finanzielle Belastungen. Viele sind überrascht, welche steuerlichen Folgen eine Hofabgabe haben kann. Momentan läuft die Teilrevision des bäuerlichen Bodenrechts – hier setzen wir uns für bessere Unterstützung sowohl der antretenden als auch der abtretenden Generation ein.

Das Leben vieler Familien in der Landwirtschaft ist von hoher Arbeitsbelastung und finanziellem Druck geprägt. Die Suizidalität ist nach wie vor hoch. Wäre es bis 2050 nicht an der Zeit, über rein familiengeführte Betriebe hinaus zu denken?

Für die JULA-Fachkommission ist es wichtig, dass der familiengeführte Betrieb zentral bleibt. Wir fragen uns aber, wie wir uns als Familienbetriebe in Zukunft positionieren können. Es ist klar, dass wir als Selbstständige mehr arbeiten müssen als andere. Aber auch als Familien müssen wir sicherstellen, dass wir weiterhin überleben können. In der Landwirtschaft fliesst Geld zunächst in den Betrieb, während Dinge wie Familienferien oder soziale Absicherung oft zu kurz kommen. Der Betrieb soll so aufgestellt sein, dass eine gute Work-Life-Balance möglich ist, die Rechnungen bezahlt und Investitionen getätigt werden können. Wir wollen, dass ein Familienbetrieb idealerweise eine zweite Familie ernähren kann und sich so eine Ablösung realisieren lässt. Es kann nicht sein, dass wir zusätzlich einem Nebenerwerb nachgehen müssen, um den Landwirtschaftsbetrieb finanzieren zu können. Wir wollen auch nicht, dass die Höfe irgendwann den grossen Detailhändlern oder Industriekonzernen gehören und wir nur noch für sie arbeiten müssen.

Neben dem Generationenwechsel ist die Digitalisierung ein wichtiges Thema. Wie steht ihr dazu?

Wo möglich, bringen wir uns diesbezüglich in Arbeitsgruppen beim Bund, den Kantonen und bei Organisationen ein. Beim Digitalisierungsworkshop der Agrarpolitik 2030+ sind wir mit vertreten. Wir sehen viel Potenzial, etwa beim administrativen Aufwand bei Kontrollen. Ein Beispiel: Ich mache ein Foto und lade es in die Bioinspecta-App hoch. Dabei müssen wir jedoch sicherstellen, dass die Digitalisierung nicht dazu führt, dass die Dokumentationspflichten noch weiter steigen. Zentral ist für uns auch die Datenhoheit. Momentan ist dieses Thema noch zu wenig präsent. Oft weiss man nicht, wohin die Daten schlussendlich gehen. Für Landwirtinnen und Landwirte ist es wichtig, dass sie nicht mit einer Vielzahl von Apps arbeiten müssen, sondern dass sie wissen, wer Zugriff auf ihre Daten hat. Dort sehen wir Potenzial für Vereinfachung. Glaubwürdigkeit ist uns wichtig.

Die Auswirkungen des Klimawandels dürften die Landwirtschaft mit dem Scheitern der Klimaziele weitaus stärker treffen, als bisher angenommen. Wie stellt ihr euch als JULA darauf ein?

Besonders, wenn wir naturnah produzieren und den Pflanzenschutz zurückfahren wollen. Der Boden ist unser zentrales Element, dem wir Sorge tragen müssen. Bei den Tieren kommen wohl vermehrt Seuchen auf uns zu, auch bei Pflanzen steigt der Krankheitsdruck. Wir denken auch, dass wir künftig vermehrt ressourcenschonender produzieren müssen. Doch der Spagat besteht darin, weiter in der Lage zu sein, Menschen als Unternehmen ernähren zu können. Angesichts dieser steigenden Schwierigkeiten benötigt es Landwirtinnen und Landwirte, die möglichst flexibel darauf reagieren können. Dafür braucht es unternehmerische Freiheiten, damit wir umwelt- oder naturverträglich arbeiten können.

Aber was ist mit Extensivierung der Produktion? Standortangepassten Sorten? Resilienten Anbausystemen? Weniger Fleischkonsum?

Sortenzüchtungen etwa sind bei uns ein grosses Thema. Bei diesen Fragen befinden wir uns aber immer noch in der Meinungsbildungsphase. In Bezug auf die Klimaziele muss die Schweiz ihren Teil dazu beitragen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht – aber jede und jeder muss einen Beitrag leisten. Wichtig ist, dass wir als Landwirtinnen und Landwirte unseren Teil dazu beisteuern. Wir diskutieren, ob es einen Systemwechsel braucht, aber das müsste eben auch weltweit stattfinden. Musterlösungen gibt es nicht und Lösungsansätze müssen finanziell tragbar sein. Zwar weiss man nicht was die Zukunft bringt, aber man sollte sich möglichst gut darauf vorbereiten können.

Worin sehen Sie die grössten Erfolge der JULA in den vergangenen Jahren?

Wir werden als intakte Organisation wahrgenommen. Wir werden in Arbeitsgruppen eingeladen und können bei den dringenden Themen mitreden. Bei einigen Punkten könnten wir durchaus auch deutlicher auftreten. Allerdings sehe ich es so, dass wir durch eine vernünftige Forderungskraft uns eben an so vielen Stellen einbringen dürfen.

Jeremias Lütold, FiBL

Weiterführende Informationen

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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