Die von Carbon Brief erstellte interaktive Karte zeigt über 100 Fälle, wo zwischen 2023 und 2024 Ernten durch Extremwetterereignisse zerstört wurden (Link siehe weiterführende Informationen). Die Online Plattform aus Grossbritannien befragte zudem Fachleute, wie sich zunehmende Wetterextreme unmittelbar wie auch langfristig auf die Landwirtschaft auswirken. Beispielsweise untersuchte die Umweltwissenschaftlerin Monica Ortiz von Universität Concepción in Chile die Folgen tropischer Wirbelstürme auf Bananen. Auf den Philippinen verursachte ein Taifun 2012 grosse Verluste. Die Branche dort habe nach dem Ernteausfall etwa fünf Jahre gebraucht, um sich davon zu erholen.
Die durch den Klimawandel zunehmenden Wetterrisiken können aber nicht nur einzeln betrachtet werden. Andy Challinor von der Universität Leeds sagt, dass die Risiken durch den Klimawandel mit anderen Risiken interagieren und sich gegenseitig verstärken. Es sei auch schwierig vorauszusehen, wie verschiedene Störungen und Extreme aufeinander wirken. Sicher sei aber, dass die Risiken für Ernten zunehmen. Das Problem: unsere Nahrungsmittelsysteme verfügen nicht über systemische Belastbarkeit.
Beschaffungsprobleme für den Schweizer Biohandel
«Für Kardamom oder Pfeffer beispielsweise schliessen wir mittlerweile in drei verschiedenen Ländern Verträge ab, damit wir die Ware sicher erhalten», sagt Peter Lendi von Erboristi Lendi aus Curio im Kanton Tessin. Das Unternehmen importiert und verarbeitet biologische Gewürze, Kräuter sowie Tee und pflegt seit über 40 Jahren ein weltweites Netzwerk kleinbäuerlicher Produzentinnen und Produzenten.
An der Biofach Messe für Biolebensmittel, die vom 11. bis 14. Februar 2025 in Nürnberg stattfand, hörte Peter Lendi von den unterschiedlichsten Herausforderungen seiner Handelspartner. Wo auch immer das Problem liegt, für Erboristi Lendi werde es grundsätzlich immer schwieriger, einen Container zu füllen und ihn rechtzeitig in die Schweiz zu bringen.
Eine Verkettung von Schwierigkeiten
In der zunehmend schwierigen Beschaffungssituation sieht Peter Lendi hauptsächlich drei Gründe: «Das Klima, die Logistik sowie ansteigender Druck durch Pilzerkrankungen». Dazu kämen aber je nach Region noch zahlreiche weitere wie Armut, Krieg oder Mangel an Arbeitskräften oder Treibstoff. Für Peter Lendi ist klar, dass Ernteausfälle alleine nicht das Problem sind. Es seien die Folgen, welche solche Ereignisse auf ohnehin schon instabile politische und ökonomische Verhältnisse in Ländern hätten.
Erboristi Lendi bezieht Kardamom unter anderem aus Sri Lanka. Dort habe der Transport eines kleinen Containers vor der Covid-19 Pandemie rund ein Drittel der heutigen Kosten verursacht. «Auch wenn die Betriebe Ernten einfahren, fehlen heute Erntehelfende oder Versorgungsketten sind unterbrochen, weil so viele der jungen Leute die Dörfer verlassen haben». Dies wegen einer Verkettung von Ereignissen: Ernteausfälle, Pandemie, politische und ökonomische Krise im Land.
Trockenheit und Kriege beeinträchtigen Transportrouten
Der Transport eines Containers ist nicht nur teurer geworden, er dauert auch länger. Nicht nur aus Sri Lanka. Es können heute beispielsweise längst nicht mehr so viele Schiffe den Panamakanal durchqueren, als noch vor ein paar Jahren. Es fehlt wegen häufiger Trockenheit schlicht das Wasser, um die Höhenunterschiede zwischen den Schleusen auszugleichen. Das verlangsamt den Schiffsverkehr.
Ebenfalls verlangsamen Konflikte wie in der Region rund um das Rote Meer den Transport, weil die internationalen Transportrouten nicht mehr durch den Suezkanal führen. Die Kriege in der Region beeinflussen aber auch die landwirtschaftliche Produktion an sich. Früher habe Peter Lendi Hibiskusblüten für Tee aus Ägypten bezogen, während dort der Grossteil des inländisch verbrauchten Hibiskus aus dem Sudan importiert wurde. «In Ägypten wird viel Hibiskustee getrunken und aus dem Sudan kommen wegen dem fürchterlichen Krieg keine Lieferungen mehr, weshalb wir aus diesem Land weniger und teurer einkaufen.».
Anpassung der Landwirtschaft und Puffer für Risiken
Carbon Brief verweist in ihrem Bericht zur interaktiven Karte der globalen Ernteausfälle darauf, dass der Ausbau der Widerstandsfähigkeit von Nahrungsmittelsystemen der Schlüssel zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktion sei. Das müsse aber über reine Bewältigungsstrategien für einzelne Extremwetterereignisse hinausgehen.
Fachleute sind sich einig, dass der Bogen weiter zu Anpassungs- und Transformationsstrategien für die Landwirtschaft gespannt werden müsse. Aber was heisst das für die oft kleinbäuerlichen Produzentinnen und Produzenten? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Anbausysteme widerstandsfähiger zu machen. Durch mehr Vielfalt in den Sorten und Kulturen, regenerative Anbaumethoden oder technische Hilfsmittel. Nur haben kleinbäuerliche Produzentinnen und Produzenten oft nicht die Zeit und das Geld, ihre Anbausysteme umzustellen und zu verändern.
Langfristige Partnerschaften mit Anbauenden
Peter Lendi versucht die Probleme vom Ende der Lieferkette anzugehen. «Wir schiessen auch mal das Geld für eine Jahresernte vor, damit Handelspartner die Kosten für die Verarbeitung unserer Produkte stemmen können». Damit der Handel weiter funktioniere, müsse er sich künftig zudem besser absichern. Handel mit kurzfristigen Zukäufen sei heute kaum mehr denkbar. Man müsse sich im Biohandel breiter abstützen, Vorräte anlegen und die Bezugsquellen diversifizieren. Trotz aller Puffer gegen die vielfältigen Handelsrisiken, steht und fällt die Beschaffung mit dem erfolgreichen Anbau. «Wir unterstützen unsere Partner dabei, so gut es geht», sagt Peter Lendi.
Jeremias Lütold, FiBL
Weiterführende Informationen
Interaktive Karte der Ernteausfälle (interactive.carbonbrief.org)
Erboristi Lendi (erboristi.ch)