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«Waldweide ist ein Urzustand»

Meldung  | 

Bei einem Webinar zum Thema Waldweide schlugen die Referenten einen gelungenen Bogen von frühen erdgeschichtlichen Zeitaltern über die historische Landbewirtschaftung in Mitteleuropa bis hin zu konkreten Waldweideprojekten in der Schweiz und Deutschland. Ihr Fazit: Waldweiden sind ökologische Hotspots und bieten echte Zukunftschancen für die Biodiversität.

Durch die vielzähligen Strukturen und den Wechsel von Licht und Schatten bieten Waldweiden unzähligen Arten einen Lebensraum. Foto: Wilde Weiden Schweiz, Simon Lehnert

Alte, breite Baumstümpfe oder grosse auslandende Bäume in ansonstem jungem Wald zeugen noch von alten Waldweidesystemen, wie hier in Rumänien. Foto: Wilde Weiden Schweiz, Simon Lehnert

Die Waldgrenze heute ist in Mitteleuropa meist geprägt durch einen sehr scharfen Wechsel von Licht und Schatten. Foto: Wilde Weiden Schweiz, Simon Lehnert

Auf den Waldweideflächen im Aargau sind Waldflächen und Offenlandflächen kombiniert, die Übergänge sind fliessend. Foto: Rolf Treier

Die Schottischen Hochlandrinder von Rolf Treier fressen ausgesprochen gerne am Gehölz. Foto: Rolf Treier

Weidetiere können zur Waldrandgestaltung eingesetzt werden. Sie sorgen sehr effizient für einen stufigen Übergang. Foto: Wilde Weiden Schweiz, Simon Lehnert

Anfang Februar teilten gleich drei Referenten ihr Wissen zum Thema Waldweide. Anlass war der vierte Teil einer Agroforst-Webinarreihe von FiBL und IG Agroforst. Die Blickwinkel der Vorträge waren durch ihre unterschiedlichen Hintergründe sehr divers, dafür lagen die Erkenntnisse der Referenten sehr nah beieinander.

Waldweide bringt Biodiversität

Mattias Rupp, Professor für Landschaftsökologie an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg in Deutschland, zog ein Fazit, das hängen bleibt: «Wenn wir dem Verlust der Biodiversität entgegensteuern wollen, brauchen wir auch mehr Waldweideflächen».

Den Grundstein für Waldweidelandschaften legten grosse Pflanzenfresser bereits vor vielen Millionen Jahren. Entgegen der lang verbreiteten Theorie vom dichten Wald in Mitteleuropa sorgten sie zwischen den Eiszeiten für überwiegend lichte Waldlandschaften in Mitteleuropa. «Drei Fünftel der Fläche in Mitteleuropa war von lichtem Wald bedeckt. Die Schlüsselfunktion von Weidetieren ist immer noch unersetzlich», so Rupp.

Simon Lehnert, Co-Geschäftsführer vom Verein Wilde Weiden Schweiz, ging in der Geschichte einen Schritt weiter: «Waldweiden waren in unserer Kulturlandschaft vielerorts vorherrschend und die Hauptnutzung im Wald. Die Waldweide hat erst durch behördliche Verbote Anfang des 19. Jahrhunderts ein Ende genommen».

Heute sehen unsere Landschaften ganz anders aus: «Typische Wälder in der Schweiz sind heute dunkel und geschlossen» so Lehnert. Dabei könnten die unterschiedlichen Lichtverhältnisse am Boden von Waldweiden auch eine Vielzahl an Arten fördern: Orchideen, Insekten, Vögel, Fledermäuse, Käfer und viele mehr.

Chancen statt Gefahren sehen

Viele, oft stark kritisierte Effekte einer Waldweide, entpuppten sich in den Vorträgen als unproblematisch oder im Gegenteil förderlich für die Biodiversität. Rolf Treier, Leiter des Forstbetriebs Homberg-Schenkenberg und Landwirt im Aargau, sprach in diesem Zusammenhang von «Trittchancen statt Trittschäden». Trittsiegel könnten daran angepassten Arten eine Möglichkeit zum Keimen geben und so die Artenvielfalt erhöhen.

Landschaftsökologe Rupp führte das Thema weiter aus: Nicht nur Trittsiegel schafften ein vielseitiges Landschaftsmosaik, sondern auch Rohbodenstellen, die beim Scharren und Wühlen entstehen, stark und weniger stark abgeweidete Bereiche, Dung- und Kotstellen, abgefressene Gehölze mit breiten, buschigen Wuchsformen und durch Tiere gestaltete Gewässer. «Weidetiere bringen durch ihre Lebensweise ein unglaublich hohes Maß an Standortvielfalt in die Fläche», fasste Rupp diese Effekte zusammen.

Lehnert brachte einen weiteren Vorteil ein: Weidetiere können auch Arbeiten durchführen, die ansonsten in aufwendiger Handarbeit umgesetzt werden müssten: «Eine aufwendige Waldrandgestaltung setzten Weidetiere für umsonst um».

Forschung liefert Beweise

Wissenschaftliche Untersuchungen aus Südwestdeutschland belegen die positiven Effekte von Waldweiden eindrücklich. Rupp stellte die Ergebnisse einer Studie vor, welche die Anzahl verschiedener Artengruppen vor und nach Einführungen einer Waldweide untersuchte: Die Anzahl der vorkommenden Insektenarten stieg deutlich an, ebenso die Anzahl von Kräuterarten (plus 17 und mehr), Grasarten (plus 10) und die Anzahl der Gehölzarten (plus 7).

Warum eigentlich nicht?

Die vielen positiven Effekte stehen mancherorts im Gegensatz zu der behördlichen Einordnung einer Waldweide. Im Kanton Aargau zum Beispiel sei die Waldweide per gesetzlicher Definition eine nachteilige Nutzung für den Wald, erläuterte Treier. «Das ist ein relativ grosses Prozedere, bis man eine Bewilligung hat». Auf seinen eigenen Waldweideflächen hat Treier eine Bewilligung für sechs Jahre bekommen, jedes Jahr muss er einen Bericht einreichen und erhält dafür eine separate Weidefreigabe.

Das «Wie» ist entscheidend

Je nach Weidemanagement können Waldweiden sehr unterschiedlich aussehen, so Treier. Teilweise sei die Vorsicht auch berechtigt, mit einer falschen Bewirtschaftung könnte der Einfluss von Frass und Tritt überhandnehmen, so dass die Flächen darunter leiden, waren sich die Referenten einig. Mit dem richtigen Management wären aber auch auf kleinen Flächen Waldweiden durchaus möglich und nützlich. Grosse Flächen böten dagegen weit mehr Chancen durch eine weitläufige Strukturvielfalt und ausreichend Lebensraum für grosse Populationen seltener Arten. In der Diskussion sprachen sich alle Beteiligten dafür aus, zukünftig mehr über das «wie» und «wo» einer Waldweide zu diskutieren, als das «ob».  

Simona Moosmann, FiBL

Weiterführende Informationen

Mattias Rupp (e-Mail) 
Simon Lehnert (e-Mail)
Rolf Treier (e-Mail)

Betriebsportrait Rolf Treier  (Rubrik Agroforst) 
Agroforst Webinarreihe (Rubrik Agroforst)
Nächster Webinartermin am 6.3. zum Thema Vitiforst (Agenda) 

Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung (research gate) 
Waldweide-Konzept Baden Württemberg (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt FVA)
Merkblatt Waldweide (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt FVA)

 

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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