Vitale Legehybridhähne in Österreich…
Konkret setzt die österreichische Biobranche auf die Rasse Sandy der Lohmann Tierzucht GmbH. Die gute Eignung für die extensive Haltung mit Grünauslauf, gute Legeleistung, Eiqualität und Eigrösse sowie eine gute Toleranz gegenüber Biofutterrezepturen hätten für die Rasse gesprochen. Speziell ist auch die Schalenfarbe: crèmefarben anstelle von braun oder weiss. Das würde die Eier für die Kunden auch ohne weitere Deklaration erkennbar machen.
Die Richtlinien für die Legehybridhähne wurden mehrheitlich von der Junghennenhaltung übernommen und im Österreichischen Codex geregelt. So werden die Junghähne in Herden zu 4‘800 Tieren sowie mit Zugang zu Aussenklimabereich und Weide gehalten. Es wird jedoch nur mit einer Stallauslastung von 95 Prozent geplant, um Überschüsse an Küken zu vermeiden, wenn der Schlupf besser ausfällt als erwartet. Die Tiere sind sehr vital und deutlich bewegungsfreudiger als jene von Mastrassen.
...aber mit geringer Fleischausbeute
Die Hähne werden mit rund neun Wochen bei zirka 1 kg Lebendgewicht geschlachtet, weil sich die Futterverwertung danach stark verschlechtert. Das Schlachtgewicht pro Tier beträgt 650 Gramm; der Fleischertrag ist mit 300 Gramm ziemlich gering. Das Aussehen von Brust und Schenkel weicht deutlich ab vom Gewohnten, wenn auch der Geschmack mit anderem Pouletfleisch mithalten kann. Die Hähne werden als ganze Schlachtkörper an die Gastronomie oder als Fleisch, das mittels Weichseparator vom Knochen getrennt wird, an Verarbeiter verkauft. Bis anhin ist der Absatz allerdings noch nicht gänzlich gesichert.
Pilotprojekte mit Jung- und Zweinutzungshähnen in der Schweiz
Mit rund 500’000 männlichen Bioküken ist der österreichische Markt nur wenig grösser als der Schweizer Markt. Auch in der Schweiz werden zurzeit Lösungen zum Ausstieg aus dem unethischen Kükentöten gesucht. Im August fand in Olten das erste Branchentreffen zum Thema statt.
Das Aviforum unterstützte die Sitzung mit einem Inputvortrag über Versuche mit Zweinutzungshuhn, Junghahnaufzucht und verlängerter Nutzungsdauer der Hennen durch die Mauser. «Die Ausmast von Legehähnen steht im Widerspruch zur Ökologie, weil damit eine sehr viel schlechtere Futterverwertung und ein entsprechend grossen Futter- bzw. Flächenbedarf einhergeht.» erklärt Andreas Gloor. Gemäss seinen Berechnungen bräuchte es rund 260 mobile 500er-Ställe zusätzlich, wollte man die Junghähne darin aufziehen. «Gleichzeitig würde ein schlecht nachgefragtes Produkt produziert.»
Beim Hahn von Zweinutzungslinien ist die Futterverwertung hingegen fast gleich gut wie bei den extensiven Pouletrassen und er findet als ganzes Poulet bei Coop seit 2014 regelmässig seinen Absatz. Aber das legt Huhn vierzig bis fünfzig Eier weniger pro Jahr, sprich: auch hier gäbe es einen ökologischen und ökonomischen Nachteil. Es müssten rund 35 zusätzliche 2000-er Ställe gebaut werden, um die rund 20 Millionen fehlenden Eier zu produzieren. Zudem ist der Anteil der Kleineier markant höher, was deren Vermarktung ab einem geringeren Mindestgewicht erfordert. Gemäss Rhea Beltrami von Coop ist dies heute ein Nischensegment. «Es gibt schlicht kein „Superhuhn“ mit bester Legeleistung und ausgezeichnetem Schlachtkörper» resümiert Andreas Gloor.
Tanja Kutzer von KAGfreiland stellte die bei der interessierten Kundschaft begehrte „Bruderhahnbox“ vor. Im Projekt von Hosberg, Gallina Bio AG und KAGfreiland werden die Hähne wesentlich älter als in Österreich. Die spezielle Selektion aus einer braunen Linie wird in Herden von bis zu 500 Tieren gehalten. Eier und Fleisch werden unter dem Label „henne & hahn“ vertrieben, wobei auch hier der gut laufende Eierverkauf die Aufzucht der Hähne mitfinanziert.
Biobranche gewillt, aber weitere Abklärungen nötig
Die an den Runden Tisch eingeladene Branche war sich einig, dass auch in der Schweiz in Zukunft keine Küken zwecklos getötet werden sollen. Coop und Migros bejahten, dass der Kunde zumindest die Wahl haben sollte, Eier aus einer Haltung kaufen zu können, bei der auch Hähne aufgezogen wurden. Coop Kunden können bereits heute in neunzig Verkaufsstellen Eier vom Zweinutzungshuhn kaufen. Jedoch stufen die Detailhändler das Ziel, bis in zweieinhalb Jahren gänzlich auf das Kükentöten zu verzichten, als zu ehrgeizig ein.
Gemäss den anwesenden Branchenvertretern braucht es noch vertiefte Abklärungen. Zudem müssen die Rahmenbedingungen für die Produktion definiert werden. Insbesondere der Aufbau von Ställen, sei es für Legehybridhähne oder Zweinutzungstiere, sowie die Schlachtungs- und Vermarktungsmöglichkeit erweisen sich als Herausforderung. Auch möchte man sich der «In-Ovo-Geschlechtsbestimmung» nicht gänzlich verschliessen, da in Deutschland und Kanada an Varianten gearbeitet wird, die sich als biotauglich erweisen könnten.
Für diejenigen, die sich für die Aufzucht von Legehybridhähnen interessieren, bedeutet dies eine gewisse Unsicherheit. «Es ist eine Gratwanderung zwischen Ethik und Nachhaltigkeit» sagte Urs Brändli, Präsident Bio Suisse schon zu Eingang des Gesprächs. Und es zeigte sich in der Diskussion, dass die Entscheidung nicht leichtherzig getroffen werden wird.
Noch zu früh für definitive Lösung
Die Biobranche konnte sich nach ihrer ersten Sitzung noch nicht auf eine definitive Lösung einigen. Bio Suisse wird im Frühjahr 2017 erneut zum Branchengespräch einladen. Bis dann sollen ein Vorschlag für Richtlinien zur Haltung von Legehybridhähnen sowie Kriterien an eine biotaugliche «In-Ovo-Geschlechtsbestimmung» vorliegen.
Parallel wird sich eine Arbeitsgruppe mit Fragen der Schlachtung und Fleischverwertung der zu erwartenden 150 Tonnen Legehennen-Hahnfleisch beschäftigen. Bis zum nächsten Treffen soll zudem nach Möglichkeiten gesucht werden, die Eintagesküken vermehrt als Tierfutter zu verwerten.
Michèle Hürner, Bio Suisse