Spermasexing – Sollen die Biobauern das Geschlecht bestimmen?
Spätestens 2016 werden die Bio Suisse Delegierten über eine Zulassung von Spermasexing in der Rindviehzucht zu entscheiden haben. Mit dem Antrag will die Nordwestschweizer Sektion die Zahl der überzähligen Kälber reduzieren. Das Ansinnen ist umstritten.
«Schlussendlich geht’s um die Kälber», sagt Biomilchproduzent Stefan Hueter aus Biezwil SO, der wie geschätzte zwei Drittel seiner Kollegen auf intensive Milchrassen züchtet. Mit dem Einsatz von gesexten Samendosen will er die Zahl der männlichen Kälber von Milchrassenstieren reduzieren, da sich diese wegen schwacher Mastleistungen kaum vermarkten lassen. Hueters Vorstoss, bei Bio Suisse einen An- trag für die Zulassung von Spermasexing zu stellen, stimmte die GV der Nordwest- schweizer Biobauern kürzlich mit 25 Ja zu 19 Nein bei 11 Enthaltungen zu. Da die Eingabefrist für die Frühlings-DV verstrichen ist und in der Herbst-DV keine Richt- liniengeschäfte behandelt werden, dürften die Delegierten frühestens 2016 über den Antrag befinden, es sei denn, der Vorstand traktandiere ihn ausnahmsweise auf den Herbst. Es bleibt nun also mindestens ein halbes Jahr Zeit, um die Vor- und Nachteile des Verfahrens zu erörtern, das auch in den Versammlungen in Luzern, Schwyz und der Ostschweiz bereits behandelt wurde, allerdings ohne Beschlussfassung.
In der Bioverordnung ist Sexing nicht verboten
Eine gute Diskussionsgrundlage bildet eine Stellungnahme des FiBL zum Thema. Darin werden zunächst die rechtlichen Grundlagen aufgelistet. Anders als in den Richtlinien von Bio Suisse ist das Sexing in der Bioverordnung des Bundes nicht untersagt, während Knospe-Betriebe, die unerlaubterweise gesextes Sperma einsetzen, als Sanktion 10 Punkte erhalten, die im Wiederholungsfall verdoppelt werden. Anet Spengler, die Hauptautorin des FiBL-Papiers, geht davon aus, dass etwa ein Drittel der Biomilchbauern bei rund einem Viertel ihrer Herde gesexten Samen einsetzen würden, also bei etwa acht Prozent der Biomilchkühe. Damit könnte das Problem der überzähligen männlichen Milchrassenkälber zwar nicht generell gelöst werden, aber die Neuerung würde einen Beitrag dazu leisten, weil ein grosser Teil der übrigen Kühe dann mit Mastrassenstieren belegt werden könnte. Kälber, deren Vater ein Mastrassenstier ist, haben einen viel höheren Wert als Milchrassenkälber.
FiBL empfiehlt stattdessen, die Zuchtstrategie anzupassen
Was ethische Aspekte angeht, sieht das FiBL-Papier durch Spermasexing keine stärkere Belastung der Tiere als bei herkömmlicher künstlicher Besamung (KB). Das Verfahren könne deshalb im Biolandbau nicht grundsätzlich abgelehnt werden, so- lange KB zugelassen ist. Allerdings stünden erst von sechs mit dem Kleeblatt- oder Weidelabel ausgezeichneten Stieren gesexte Samendosen zur Verfügung. Obwohl es aus praktischer Sicht keine schwerwiegenden Einwände gegen Spermasexing gibt, empfiehlt das FiBL eine andere Lösungsstrategie, um zu verhindern, dass männliche Kälber zu «unerwünschten Nebenprodukten» werden:
- Statt mit gesextem Sperma milchbetonte Rassen weiter zu fördern, soll der Bio- landbau die Zuchtstrategie überdenken und vermehrt zweinutzungsbetonte Kühe anstreben, die robuster sind und sich besser grundfutterbetont füttern lassen.
- Männliche Kälber, die heute meist in den konventionellen Kanal gehen, sollen auf den Biobetrieben bleiben können, indem geschlossene Kreisläufe auch in der Tierhaltung angestrebt werden, wobei mehrere Betriebe involviert sein können. Auch dafür lohne sich die Zweinutzungszucht, da sich die Kälber hier mit Biofutter besser mästen lassen. Eine Möglichkeit sieht das FiBL in der Mast mit Ammen.
- Es soll früh in der Brunst besamt werden, um den Anteil Kuhkälber zu erhöhen. Weibliche Spermien sind langsamer, überleben aber länger, deshalb erhöht sich die Chance für weibliche Nachkommen, wenn früh besamt wird.
Adrian Krebs
Weitere Artikel zu diesem Thema finden Sie in der neuesten Ausgabe im Magazin Bioaktuell.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 14.04.2015
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