Präsident Urs Brändli begrüsste die Delegierten mit Aristoteles: «Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel anders setzen». Damit spielte er auf die aktuelle Weltlage einerseits und auf die strategischen Weichenstellungen andererseits an. Die Segel zu setzen allein genüge aber nicht, so Brändli: «Wir müssen auch die Anker lichten, damit sich das Schiff Bio Suisse in Bewegung setzt». Diesem Kahn dürfe man viel Vertrauen schenken, er habe ja gar manchen Sturm schon überstanden. Die Gefahren solle man aber nicht vernachlässigen: «Die grössten Gefahren drohen dann, wenn wir unsere Kräfte über- und die Entwicklungen um uns herum unterschätzen», so der Präsident in schon fast poetischer Manier.
Erster DV-Auftritt des neuen Co-Geschäftsführers
Die Anker gelichtet hat auch das sogenannte «Topsharing» (Spitzenteilung) in der Geschäftsführung. Seit Anfang März 2025 teilt sich Balz Strasser seinen Job mit Rolf Bernhard. Beide zeigten sich erfreut über den Auftakt zur Zusammenarbeit. Bernhard, ein ehemaliger Migros-Manager, bringt nicht nur Detailhandelserfahrung mit, sondern auch den nötigen Dreck an den Stiefeln; er bewirtschaftet in Teilzeit einen Betrieb in der bernischen Heimat.
Balz Strasser informierte im Geschäftsbericht 2024 über eine ganze Reihe von Ereignissen aus dem Vorjahr. Als bedeutsam hob er unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Detailhandel hervor. So gibt es etwa ein Projekt mit Coop, bei dem innerhalb der nächsten zwei Jahre 2100 Knospe-Hoftafeln verteilt werden sollen. In Sachen Migros zeigte sich Strasser zum wiederholten Mal erfreut, dass die Detailhändlerin im Inland weiterhin auf die Knospe setzt, während sie bei Importen seit einer Weile darauf verzichtet.
Gewinn von 5,5 Mio Fr., budgetiert waren 13'100 Fr.
Die Rechnung präsentierte ausnahmsweise ebenfalls der Co-Geschäftsführer, da die Finanzchefin Nicole Strebel noch nicht hat ersetzt werden können. Hier konnte Balz Strasser einen ausserordentlich hohen Ertragsüberschuss von 5,507 Mio Fr. präsentieren. Budgetiert waren 13'100 Fr. Aufgrund der ab 2025 gültigen Steuerpflicht von Bio Suisse, sind 2024 relativ spontan Rückstellungen im Umfang von 3,835 Mio Fr. aufgelöst worden. Damit kam man einer allfälligen Versteuerung zuvor. Gemäss Strasser beläuft sich die steuerliche Einsparung auf gut 400'000 Fr.
Deutlich höher als budgetiert fielen mit 17,833 Mio Fr. auch die Einnahmen aus Lizenz- und Markennutzungsgebühren aus. Dies unterstreiche die Robustheit des Labels, sagte Strasser. Ungeachtet des positiven Jahresabschlusses bleibe die Liquidität eine Achillesferse, so der Co-Geschäftsführer. Mit rund 1,3 Mio Fr. habe man lediglich genug Flüssiges zur Hand, um die Durchschnittsausgaben von zwei Wochen zu begleichen. Die Delegierten genehmigten die Rechnung klar und praktisch diskussionsfrei, einzig die überschrittenen Kosten für Informatikprojekte sorgten für leichtes Murren.
Neue Strategie 2030 wird nach Ergänzung gutgeheissen
Mit der neue Verbandstrategie 2030 soll Anfang 2026 die bisherige «Avanti 2025» abgelöst werden. Zu diesem Zweck wurde in einem aufwändigen, partizipativen und verbandsübergreifenden Verfahren, in das über 400 Personen involviert waren, 20 Strategische Ziele und Ambitionen für Bio Suisse bis 2030 resp. 2040 entwickelt.
Gemäss den Erläuterungen von Urs Brändli seien die Ziele ambitioniert, messbar und innert der gesetzten Frist erreichbar. Sie umfassen die fünf Teilbereiche Produzent*innen, Marktpartner*innen, Konsument*innen, Landwirtschafts- und Ernährungssystem und Verband und Geschäftsstelle. Es sollen nach Annahme durch die DV umsetzbare und kontrollierbare Massnahmen von der Geschäftsstelle und weiteren Gremien erarbeitet werden.
Ein neues Instrument zum Prüfen der Zielerreichung
In der Diskussion äusserten verschiedene Delegierte Bedenken, was die Überprüfbarkeit der strategischen Ziele betrifft. Co-Geschäftsführer Balz Strasser ergänzte dazu, ein Controlling Tool für diesen Zweck sei in Planung. Ein Vertreter der Schweizer Bergheimat gab weiter zu bedenken, dass das angestrebte Wachstum der Branche nicht auf Kosten der Anzahl Betriebe gehen dürfe und sich der Verein explizit mehr bzw. kleinere Biobetriebe wünsche. Weiter stellte er die Frage, ob die Thematik Gentechnik nicht in der Strategie verankert werden solle. Urs Brändli verwies diesbezüglich auf die bereits deutlich wahrnehmbare Positionierung und das Engagement von Bio Suisse.
Für angeregte Debatten sorgte ein Antrag der Mitgliedorganisation Biofarm. Hintergrund des Antrags ist der wachsende Umsatz mit Bio Produkten in der Schweiz, der aber hauptsächlich auf Importprodukte zurückzuführen sei. Aus Sicht der Genossenschaft ist dies besorgniserregend, weshalb sie für die Strategie eine Sicherung des Absatzes für Schweizer Knospe-Betriebe forderte. Diese Idee fand in der Versammlung grossen Anklang und wurde nach mehreren Wortmeldungen mit deutlichem Mehr angenommen. Die Delegierten stellten sich nach Ergänzung dieses Antrags schliesslich bei neun Gegenstimmen und sechs Enthaltungen mit grossem Mehr deutlich hinter die neue Verbandsstrategie.
Kein Verbot von fossilen Brennstoffen
Im Weiteren fasste die DV folgende Beschlüsse (Details zu allen Geschäften finden sich in den DV-Unterlagen, siehe Link unten):
- Im Kapitel Pflanzengesundheit der Richtlinien (Teil II, 2.6) wird eine Grundsatzänderung vorgenommen. Die Methoden werden nicht mehr in den Richtlinien, sondern neu in einer Weisung geregelt. Diese liegt zwar vor, kommt aber erst im Sommer in die Vernehmlassung. Es geht primär um die Zulassung von physikalischen Methoden zur Beikrautregulierung. Neu ist die Weisung als Positivliste gestaltet. Zugelassen sind nun Laser- und (mit Einschränkungen) Heisswasser-basierte Methoden. Solche mit Anwendung von Elektrizität allerdings nicht, da deren Auswirkungen auf das Bodenleben noch nicht ganz klar sind. Hier sei man aber dran mit Abklärungen, sagte Vorstandsmitglied Rahel Beglinger.
- Eine Grundsatzänderung im Bereich Importprodukte ist nach rund halbstündiger Diskussion mit klarem Mehr auf den Herbst vertagt worden. Es gab zu viele Unklarheiten bezüglich der Formulierung des Textes, den die Biofarm mit einem Antrag anpassen wollte. Zudem äusserten verschiedene Delegierte Ängste, dass man mit einer harten Import-Regelung beim Detailhandel die Treue zur Knospe schwächen könnte.
- Klar gescheitert ist ein Antrag der Bergheimat, bis 2040 aus der Nutzung fossiler Energie auszusteigen. Dieser erhielt lediglich 7 Stimmen. Der Bergheimat-Delegierte Jonas Lichtenberger versuchte vergebens, die Kolleg*innen davon zu überzeugen, «wieder einmal einen visionären Schritt zu machen». Er betonte auch, dass es nicht um Traktoren gehe, sondern um stationäre Anlagen. Der Vorstand hatte erfolgreich von einem Verbot gewarnt und will stattdessen den Klimacheck pushen.
- Stéphanie Pugin, Landwirtin und Ökonomin aus Le Châtelard im Kanton Freiburg, ist zum neuen Mitglied der dreiköpfigen Geschäftsprüfungskommission gewählt worden. Sie ersetzt Laurent Godel, der mit Applaus verabschiedet wurde. Die Bisherigen Toni von Grünigen, Turbach BE und Herbert Volken, Visp VS wurden klar bestätigt.
- Die fünfköpfige unabhängige Rekursstelle erhält zwei neue Mitglieder. Albert Hess, Wald ZH, und Sepp Sennhauser, Rossrütti SG, wurden einstimmig gewählt. Sie ersetzen Simon Bucheli, der aus gesundheitlichen Gründen per sofort zurücktreten musste sowie Barbara Oppliger. Die Bisherige Lucienne Gaillard übernimmt interimistisch das Präsidium. Weiter an Bord bleiben Hansjörg Schneebeli und Bettina Springer.
Orientierungshilfe für den agrarpolitischen Dschungel
Zum Abschluss gab die Bio Suisse-Co-Politverantwortliche Laura Spring – sie bekleidet das Amt gemeinsam mit Barbara Küttel – ein bisschen Orientierungshilfe für den agrarpolitischen Dschungel. Die aktuelle Gemengelage sei «wahnsinnig komplex». Bio Suisse suche den Dialog und den Konsens mit allerhand anderen Organisationen und Institutionen, bis zum Schweizer Bauernverband und zum Detailhandel. «Wenn ich alleine die Biofahne hochhalte, wird es schnell einsam», meinte sie.
Es sind drei Schwerpunkte, welche Spring hauptsächlich beschäftigen: Stabile Direktzahlungen, positive Marktdynamik in Richtung nachhaltiges Ernährungssystem und Einbezug der ganzen Wertschöpfungskette.
Keine Direktzahlungs-Kürzungen im Berggebiet
Im Bereich Direktzahlungen werde viel diskutiert über Ressourceneffizienz und ein dazugehöriges finanzielles Anreizsystem sowie die umstrittenen Indikatoren. Besonderes Augenmerk richtet Bio Suisse auf das Berggebiet: Es dürfe hier keine Kürzungen der Direktzahlungen geben, so Spring. Zudem solle die Sömmerung der Milchkühe gestärkt werden.
Übergeordnet wolle man eine Stärkung der standortangepassten gesamtbetrieblichen Ansätze statt viele komplizierte Anreizsysteme, fasste Spring zusammen. Gemeinwirtschaftliche Leistungen, die am Markt nicht abgegolten werden können, sollen über das DZ-System entschädigt werden.
Plädoyer für Aufrechterhaltung des Grenzschutzes
Im Bereich Markt plädierte Spring für die Beibehaltung von Grenzschutz und Marktstützung. Die Massnahmen sollen zudem im Bereich Eiweisspflanzen / Nischenkulturen wo möglich ausgebaut werden. Zusätzlich wolle Bio Suisse die Marktbeobachtung stärken und die Preise genau beobachten sowie mit Vollkostenrechnungen zu besserer Transparenz beitragen.
Bezüglich Ernährungssystem arbeitet Bio Suisse an Zielvereinbarungen mit dem Detailhandel zwecks Stärkung der Inlandprodukte und weiterer Erhöhung des Labelanteils unter anderem mit der Förderung robuster Sorten. Weiter arbeite man laut Spring an Anreizsystemen beim Konsum. So denke Bio Suisse etwas über eine Forderung zur Senkung der Mehrwertsteuer für Bioprodukte nach.
Stephanie Hoch, Adrian Krebs, FiBL
Weiterführende Informationen
Unterlagen zur DV (bio-suisse.ch)