Das markante Goetheanum im solothurnischen Dornach wird dieser Tage zum Treffpunkt der biodynamischen Agrikultur. Gegen 900 Besuchende aus rund 50 Ländern besuchen im Durchschnitt diesen Anlass. Er findet seit 1999 zum 27. Mal statt. Die Teilnehmenden kommen aus der Schweiz und den europäischen Staaten, aber auch aus Afrika, Ägypten, Argentinien, Indien, Indonesien, Mexiko oder sogar Neuseeland.
Weltweite landwirtschaftliche Praxis mit Geschichte
Die biodynamische Landwirtschaft, die letztes Jahr ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert hat, ist in vielen Weltgegenden verbreitet. Allein in der Schweiz bestellen rund 400 Demeter-Betriebe über 8000 Hektaren Fläche. Weltweit zählt die Demeter-Landwirtschaft mehr als 230 000 Hektaren in 65 Ländern. Hinzu kommen rund 170 Herstellungs- und Verarbeitungsbetriebe sowie Partner aus dem Biogrosshandel.
Auf ihrer Webseite umschreibt Demeter Schweiz die Prinzipien ihrer Produktionsweise wie folgt: «In der biodynamischen Landwirtschaft geht es immer um die Stärkung des Ganzen. Boden, Pflanze, Tier und Mensch werden als Teil eines grossen Kreislaufes gesehen, in dem alle aufeinander angewiesen sind und sich gegenseitig unterstützen. Für die Produzent*innen ist es wichtig, eine fruchtbare Beziehung zu Boden, Pflanzen und Tieren aufzubauen.»
Sieben universelle Prozesse nach Steiner
Diese Beziehung zwischen Mensch und Natur steht im Zentrum der diesjährigen Dornacher Tagung. Das Tagungsprogramm fordert dazu auf, die Erde als Lebewesen zu erfassen. Dazu sei es hilfreich, sich den sieben Lebensprozessen nach Rudolf Steiner bewusst zu werden: «Atmen, Wärmen, Ernähren, Individualisieren, Erhalten, Wachsen und Fortpflanzen». An der Tagung wird aufgezeigt, wie «diese universellen Prozesse in Verbindung mit den zwölf Sinnen unser Verständnis der Erde als lebendiges Wesen prägen».
Im Verständnis der Anthroposophie sind die zwölf Sinne, mit denen der Mensch die Umgebung wahrnimmt, erstens die üblichen fünf: Tasten, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken. Diesen fügt Rudolf Steiner sieben weitere hinzu: Wärmesinn, Gleichgewichtsinn, Bewegungssinn, Wortesinn, Gedankensinn, Lebenssinn und Ich-Sinn.
Auf Wahrnehmung folgt Handlung
Die Landwirtschaftliche Tagung nimmt den Michaelbrief «Michaels Aufgabe in der Ahriman-Sphäre» als Grundlage, um die Erde durch verschiedene Perspektiven und mit allen Sinnen zu erfahren. An der Tagung erkunden die Referentinnen und Referenten gemeinsam mit den Teilnehmenden die Emotionen, mit denen wir uns mit der Erde verbinden und sie als lebendiges Wesen begreifen können.
Ist dieses Begreifen erfolgt, kann zum Handeln übergegangen werden. Einer der vielen Inputs zeigt auf, «wie wir aktiv zur positiven Entwicklung der Erde beitragen können». Für die Umsetzung der Erkenntnisse der Tagung in die Praxis protokolliert die Tagungsleitung die wichtigsten Erkenntnisse und erstellt zum Schluss eine Zusammenfassung. So entstünden aus dem viertägigen Austausch «konkrete Ansätze, wie gesunde Lebensräume für Pflanzen, Tiere und Menschen gestaltet werden können».
Naturverbundenheit aus indigener Sicht
Ergänzt werden die Vorträge mit Paneldiskussionen (mit Livestreams), auch kommen zahlreiche Beispiele aus der internationalen biodynamischen Community zur Sprache. Die Inputs veranschaulichen, wie sich die Biodynamik in Ägypten, Argentinien, Indien oder Neuseeland präsentiert.
Eine Gesprächsrunde thematisiert die Bedeutung der Verbundenheit zwischen Mensch und Natur in Afrika, Indien und Mexiko aus indigener Perspektive. Diese Statements «veranschaulichen, wie die Verbindung zur Erde in indigenen Kulturen bewahrt wird und eine tiefere Wertschätzung der Erde als lebendiges Wesen fördert», schreibt die Sektion Landwirtschaft im Tagungsprogramm.
Beat Grossrieder, FiBL
Weiterführende Informationen
Tagungsprogramm (agriculture-conference.org)
Interview zur Tagung 2025 mit Ueli Hurter und Eduardo Rincón, Co-Leiter der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum (dasgoetheanum.com)