Der 16. Oktober wird global als Welternährungstag begangen. Am 16. Oktober 1945 wurde die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UNO) gegründet, die Food and Agriculture Organization (FAO). Seit 1979 wird am 16. Oktober mit dem Welternährungstag (World Food Day) auf das noch immer ungelöste internationale Hungerproblem aufmerksam gemacht. Das Motto des Welternährungstags 2024 lautet: «Recht auf Lebensmittel für ein besseres Leben und eine bessere Zukunft».
Dass der Hunger weltweit noch immer ein gravierendes Problem darstellt, zeigt der im Juli 2024 veröffentlichte Bericht der FAO. 2023 waren weltweit rund 733 Millionen Menschen von Hunger betroffen, rund jeder elfte Mensch auf der Erde. Dabei waren die Zahlen der Hungernden bis 2014 kontinuierlich gesunken. Vor allem aufgrund der Corona-Pandemie wuchs deren Anteil in den letzten Jahren aber wieder stark an.
In Afrika hungert jede fünfte Person
Wie der FAO-Bericht ausführt, gibt es grosse regionale Unterschiede bei der Verteilung der Hungerleidenden. Am prekärsten ist die Situation in Afrika, wo sich die Ernährungssicherheit laufend verschlechtert. Mit 20,4 Prozent von Hunger betroffenen Menschen bleibt Afrika die Weltregion mit dem grössten Anteil Betroffener an der Gesamtbevölkerung. Fortschritte beobachtet die FAO in Lateinamerika und in der Karibik, wo der Anteil Hungernder etwa 6,2 Prozent beträgt. In Asien sind etwa 8,1 Prozent der Bevölkerung von Hunger betroffen.
Entwickelt sich der Hunger weltweit in den bisherigen Bahnen, werden laut FAO im Jahr 2030 immer noch etwa 582 Millionen Menschen chronisch unterernährt sein. Das Ziel der UNO aus dem Jahr 2015, das ein Ende des Hungers vorsieht, wird sich mit den bisherigen Massnahmen nicht erreichen lassen.
Weniger Fleisch, weniger Nahrungsabfälle
Wirkungsvolle Massnahmen, um das Hungerproblem deutlich zu entschärfen, kommen aus der Biolandwirtschaft. So hat das FiBL 2017 gemeinsam mit der FAO, den Universitäten Aberdeen und Klagenfurt sowie der ETH Zürich eine entsprechende Studie publiziert. Deren Fazit lautet: «Bio kann einen wichtigen Beitrag zur Welternährung leisten.» Adrian Müller vom FiBL Departement für Agrar- und Ernährungssysteme bilanziert: «Eine weltweite Umstellung auf biologischen Landbau kann zu einem umfassend nachhaltigen Ernährungssystem beitragen, wenn sie mit weiteren Massnahmen kombiniert wird.» Insbesondere sei es nötig, den hohen Konsum tierischer Produkte zu reduzieren und möglichst wenig Kraftfutter in der Tierhaltung einzusetzen. Ein weiterer gewichtiger Hebel gegen den Hunger ist es, Nahrungsmittelabfälle (Food Loss und Food Waste) zu vermeiden. Wird der Biolandbau mit diesen Massnahmen kombiniert, hat das positive Auswirkungen auf wichtige Umweltaspekte wie Treibhausgasemissionen, Überdüngung und Pestizidverbrauch – und führt nicht zu einem höheren Landverbrauch..
Verschiedene Szenarien zeigen auf, dass die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt bis ins Jahr 2050 weiter drastisch zunehmen, sollten sich die Prognosen der FAO bewahrheiten. Diese geht bis 2050 von einer Bevölkerung von über 9 Milliarden Menschen aus. Ausserdem ist mit einer Zunahme von Ernährungsgewohnheiten zu rechnen, die viele Ressourcen wie Wasser, Energie und Land verbrauchen. Stark ins Gewicht fällt hier der wachsende Fleischkonsum.
Mehr Bio und weniger tierische Produkte
Die Umstellung auf biologischen Landbau mit seinem schonenderen Umgang mit Umwelt und Ressourcen wird deshalb oft als Lösungsweg vorgeschlagen. Andererseits betonen Kritiker, dass diese Umstellung zu viel höherem Landverbrauch führen würde, weil die Erträge im Biolandbau etwas geringer seien als im konventionellen Anbau. Bio sei deshalb keine gangbare Alternative, heisst es immer wieder.
Die FiBL Studie von 2017 zeigt aber, dass der Biolandbau in Kombination mit dem Verzicht auf Kraftfutter, einer entsprechenden Reduktion des Konsums tierischer Produkte und der Nahrungsmittelabfälle in einem nachhaltigen Ernährungssystem eine wichtige Rolle spielen kann. «Dabei wäre die Ernährung der Weltbevölkerung auch bei über 9 Milliarden im Jahre 2050 gesichert», heisst es in der Studie. Der Landverbrauch würde nicht zunehmen, die Treibhausgasemissionen würden vermindert. Zudem liessen sich die negativen Auswirkungen des heutigen intensiven Ernährungssystems reduzieren, etwa die Stickstoffüberschüsse und die hohe Pestizidbelastung.
Bio allein ist also nicht die Losung der Stunde, wie die FiBL Studie relativiert: «Die Umstellung auf Biolandbau bei sonst gleichbleibenden Konsummustern würde zu einem erhöhten Flächenverbrauch führen.» Auch die nachhaltige Ernährungssicherung verursache Zielkonflikte, gerade beim Landverbrauch. Aber: «Der Biolandbau hat grosse Vorteile betreffend vieler zentraler Umweltwirkungen, wie der Stickstoff- und Pestizidproblematik», so die Studie. Die Vorteile kraftfutterfreier graslandbasierter Tierproduktion läge darin, dass Weideflächen, die nicht für den Anbau von Kulturen geeignet sind, zur Ernährungssicherung genutzt werden. Andererseits würden diese Vorteile «mit erhöhten Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Fleisch und Milch erkauft».
Kombination verschiedener Strategien
Die FiBL Studie zeigt, wie mit solchen Zielkonflikten umzugehen ist. Adrian Müller erläutert: «Selbst wenn man die Landwirtschaft zu 60 Prozent auf Bio umstellen würde, und die Kraftfuttergaben und den Abfall um die Hälfte reduzierte, dann würde dies schon ein Ernährungssystem mit signifikant geringeren Umweltwirkungen und kaum erhöhtem Landverbrauch bedeuten.» Ein solches Ernährungssystem wäre auch klimafreundlich, da es insbesondere die totalen Treibhausgasemissionen verringert. Der Konsum tierischer Produkte würde dabei um gut ein Drittel zurückgehen, weil weniger Futtermittel zur Verfügung stünden. Die Studie kommt zum Fazit: «Nachhaltige Landwirtschaft ist demnach nur möglich, wenn sie in Kombination mit dem Konsum gedacht wird – dann aber eröffnen sich vielversprechende Möglichkeiten. Der biologische Landbau kann da eine zentrale Rolle spielen.»
Beat Grossrieder, FiBL