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Mehr Wein ist biologisch, als das Etikett vermuten lässt

Meldung  | 

Immer mehr Weinbaubetriebe in der Schweiz produzieren nach biologischen oder biodynamischen Prinzipien – aber nicht alle machen das auf dem Etikett sichtbar. Eine aktuelle Studie der ETH Zürich zeigt: 43,5 Prozent der befragten Biowinzer*innen verzichten auf eine Biokennzeichnung ihrer Weine.

Betriebe mit mehr Einkommen aus nicht-landwirtschaftlicher Tätigkeit oder mit Rebbau im Nebenerwerb verzichten eher auf eine Zertifizierung. Foto: FiBL, Thomas Alföldi

Von den 115 biologisch wirtschaftenden Weinbaubetrieben, die für die Studie befragt wurden, vermarktet fast die Hälfte ihre Weine ohne Hinweis auf «Bio». Die Gründe dafür sind vielfältig.

Klein, vielfältig, direkt – wer auf das Label verzichtet

Die Studie zeigt: Vor allem kleinere Betriebe mit wenigen Angestellten oder mit einem hohen Anteil an ausserlandwirtschaftlichem Einkommen verzichten auf eine Zertifizierung. Auch Winzer*innen, die nur einen kleinen Teil ihres landwirtschaftlichen Einkommens mit Wein erzielen, lassen den Biohinweis auf der Flasche häufiger weg. Ebenso zeigen Betriebe, die alternative Strategien zur Auslobung ihrer Produkte haben, beispielsweise durch Hinweise auf pilzwiderstandsfähige Sorten (Piwi), tendenziell seltener Label wie die Knospe oder Demeter auf ihrem Etikett.

Die Studienautor*innen vermuten, dass insbesondere kleinere Betriebe die administrativen und finanziellen Hürden der Zertifizierung scheuen. Kommt mehr Einkommen aus nicht-landwirtschaftlicher Tätigkeit oder ist der Rebbau ein Nebenerwerb, scheinen die Kosten und administrativen Hürden zu hoch für die Nutzung der Label.

Mehr Bio als gedacht

Auch Angela Deppeler, Produktmanagerin Wein und Kräuter bei Bio Suisse, bestätigt: Das Ausmass des biologischen Weinbaus wird häufig unterschätzt. Aktuell wird rund ein Fünftel der Schweizer Rebflächen biologisch bewirtschaftet. Deppeler schätzt, dass etwa 25 bis 30 Prozent der Betriebe nach der Schweizer Bioverordnung arbeiten, aber nicht bei Bio Suisse zertifiziert sind – also keine Knospe tragen.

Wie viel Knospe-Wein tatsächlich verkauft wird, kann laut Bio Suisse nicht erhoben werden. «Die Lizenzen werden auf Umsatzbasis berechnet, aber wir haben keine Zahlen über die nicht-lizenzierte Menge», so Deppeler.

Was bringt das Label und für wen lohnt es sich?

Laut Deppeler ist der Vermarktungskanal zentral für die Entscheidung, ob ein Label genutzt wird. In kleineren und mittleren Betrieben sei der Anteil der Direktvermarktung sehr hoch – dort werde der Mehrwert eines Labels häufig nicht erkannt. Anders bei grösseren Absatzkanälen: «In den Grossverteilern ist die Knospe matchentscheidend», sagt sie. Bemerkenswert: Die Studie selbst konnte keinen statistischen Zusammenhang zwischen Vermarktungskanal und Biozertifizierung finden.

Ein Label bringe Glaubwürdigkeit gegenüber den Konsument*innen, betont Deppeler. Doch der wirtschaftliche Nutzen sei unter Druck. «Solange Winzer*innen Knospe-Wein teurer verkaufen können, lohnt es sich. Wenn die Kundschaft nicht mehr bereit ist, einen Mehrpreis zu bezahlen, wird die biologische Bewirtschaftung nicht mehr belohnt.»

Ein Winzer wirtschaftet ohne Label

Ein Beispiel für einen Betrieb, der auf seinen Weinflaschen auf ein Biolabel verzichtet, ist der Johanniterkeller in Twann am Bielersee. Winzer Martin Hubacher bewirtschaftet dort rund sechs Hektaren nach den Vorgaben der Schweizer Bioverordnung.

«Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine Zertifizierung», sagt Hubacher, «aber das Tragen eines Labels stand bei uns nie im Zentrum. Es ging immer um die Sache». Seine Weine verkauft er mehrheitlich direkt. Fragen zur Produktionsweise beantwortet er im persönlichen Austausch. Öffentlich ausloben will er seine Arbeitsweise bisher nicht.

Hubacher bereitet aktuell die Betriebsübergabe vor. Die Entscheidung über eine Zertifizierung möchte Hubacher seinem Nachfolger überlassen. Ihn persönlich interessiere am ehesten das Label «Fair and Green».

Labels allein reichen nicht, um Bio zu fördern

Die Forschenden schliessen aus ihren Ergebnissen: Es wird möglicherweise deutlich mehr biologisch produzierter Wein verkauft, als die Verkaufsstatistiken erfassen. Wer nur zertifizierte Weine zählt, unterschätzt das tatsächliche Marktvolumen.

Gleichzeitig zeigten die Ergebnisse, dass Labels allein nicht ausreichen, um mehr Produzent*innen für die biologische Landwirtschaft zu gewinnen. Für kleine, diversifizierte Betriebe brauche es zielgerichtete Anreize, die über ein reines Marktlabel hinausgehen. Die Forschenden schlagen Direktzahlungen für ökologische Leistungen vor oder die Kennzeichnung anderer Umweltleistungen, wie beispielsweise pestizidarmer Produktionssysteme. Wichtig sei hierbei, dass solche Kennzeichnungen geregelt und kontrolliert würden.

Angela Deppeler sieht das ähnlich und mahnt zur Vorsicht. Während Bio Suisse den Anbau von resistenten Sorten aktiv fördere, hält Deppeler wenig von ungeschützten Begriffen wie «nachhaltig» oder «Naturwein»: «Da wird oft Greenwashing betrieben. Ohne klare Vorgaben wie sie beispielsweise die Association Suisse Vin Nature hat, weiss am Ende niemand, was drinsteckt.»

Bio drin ohne Bio drauf

Viele Winzer*innen arbeiten also biologisch, ohne es auf dem Etikett zu zeigen. Die Gründe reichen von finanziellem und administrativem Aufwand, über persönliche Überzeugung bis hin zur Betriebsstruktur. Wer genau hinschaut, entdeckt oft mehr Nachhaltigkeit im Glas, als die Flasche vermuten lässt.

Corinne Obrist, FiBL

Weiterführende Informationen

Studie (iopscience.iop.org, nur auf Englisch)
Biowein (Rubrik Markt)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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