Dass es für Glyphosat gesundheitliche Bedenken gebe, daran glaubt Alexandra Brand von Syngenta nicht. «Die Diskussion um Glyphosat zeigt aber das grosse Unbehagen der Gesellschaft darüber, wie Landwirtschaft heute zum Teil betrieben wird», stellt sie fest. Aufgrund des gesellschaftlichen Druckes werde es immer schwieriger, die Zulassung für Produkte zu erlangen. «Im heutigen Umfeld ist es politisch schwierig, ein neues Totalherbizid zuzulassen, unabhängig von wissenschaftlichen Studien zu deren Sicherheit.»
Seit einigen Jahren investiert Syngenta im Bereich Biopflanzenschutz, hauptsächlich durch Firmenübernahmen. Aber man hat bis jetzt noch nicht ausreichend in die Forschung investiert – das Marktsegment Bio ist schlichtweg zu klein, als dass sich die Zulassungskosten von 70 Millionen Dollar pro Produkt lohnen würden. Nur durch neue Allianzen liesse sich diese Hürde wirklich nehmen. Und nach wie vor ist das Ziel des 1.2 Milliarden Dollar schweren Forschungsetats von Syngenta in erster Linie auf die Steigerung der Produktivität ausgerichtet, wie Alexandra Brand klarstellt. «Ich setzte mich aber dafür ein, dass in Zukunft ein Teil des Forschungsetats in bessere Lösungen für eine integrierte und nachhaltigere Landwirtschaft fliesst.»
Schweiz könnte zum Vorbild für Europa werden
Im Gegensatz zu Syngenta arbeitet die Schweizer Firma Andermatt Biocontrol ausschliesslich im Bereich der biologischen Pflanzenschutzlösungen. Doch auch für Andermatt ist das Nadelöhr für neue Produkte der Zulassungsprozess. «Wir werden regelrecht vom aktuellen System ausgebremst», sagt Martin Günter, Beratungsleiter bei Andermatt. «Der Zulassungsprozess ist auf chemische Substanzen ausgerichtet, was für unsere Wirkstoffe mit erwiesenermassen geringem Risiko einen unverhältnismässigen und kostspieligen Aufwand bedeutet.» Die grosse Chance der Schweiz sei aber, dass sie im Prinzip von der EU unabhängig ist. «Wir könnten einen Schritt voraus machen und unsere eigene Zulassungsstrategie machen.» Es bestehe nämlich eine grosse Lücke im Markt für Biopflanzenschutzmittel, denn immer mehr chemische Mittel werden verboten. Auch seitens der Beratung sieht Martin Günter einen grossen Mangel. «Denn ein chemisch-synthetisches Mittel kann nicht immer eins zu eins mit Biocontrol ersetzt werden – es muss stärker im Systemansatz gedacht und gehandelt werden. Dafür braucht es viel kompetente Beratung.»
Chemie ist einfach, Biopflanzenschutz unbequem
Wie komplex biologischer Pflanzenschutz sein kann, zeigte an der NBFF-Tagung die Wissenschaftlerin Claudia Daniel vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL auf. Ihr Team legte 2006 eine Apfelanlage an, die mustergültig mit allem ausgestattet ist, was Schädlinge auf natürliche Art in Schach halten kann: Nistkästen für Wildbienen und Fledermäuse, Blühstreifen, Buntbrachen und weite Pflanzabstände. In dieser Versuchsanlage im aargauischen Frick wurde rein gar nichts gespritzt. Die Anlage wurde von den Forschenden genau überwacht und fast jedes Insekt in der Anlage gezählt. Es zeigte sich, dass mit einer solchen Biodiversität die Mehlige Apfelblattlaus unter der Schadschwelle gehalten werden konnte – gänzlich ohne Insektizide. Als es im sechsten Versuchsjahr am Standort Frick zu einem flächendeckenden Schorfdurchbruch kam, entschloss man sich nach gründlichen Diskussionen auch in der Versuchsanlage Tonerde, Schwefel und Kaliumbicarbonat zu spritzen. Diesen Entscheid sieht Forscherin Claudia Daniel im Nachhinein als Glücksfall: «Was dann geschah, war sehr interessant zu beobachten. Die Dynamik der Apfelanlage änderte sich komplett.» Die Artenzusammensetzung, die zuvor einer extensiven Hochstammobstwiese glich, veränderte sich gänzlich. Sie wandelte sich nach den Spritzungen in diejenige einer intensiven Obstanlage. Durch das Wissen über solche Zusammenhänge kann Claudia Daniel auch Tipps für die Praxis geben: «Die Massenvermehrung der Blutlaus tritt oft auf, nachdem Spinosad gegen den Apfelwickler eingesetzt wurde. Deshalb ist es besser, den Granulosevirus und Verwirrungstechniken einzusetzen. Diese sind nur dann teurer, wenn man die Folgekosten, die mit der Blutlaus auftreten können, nicht einrechnet.»
Das zeigt: Pflanzenschutz im Bioanbau ist unbequem und braucht viel Hintergrundwissen über Zusammenhänge. Produkte zu verkaufen ist leicht, Wissen zu verkaufen jedoch schwierig – für alle Beteiligten. Franziska Hämmerli, FiBL
Weiterführende Informationen
Pgrogramm, Poster, Präsentationen zur NBFF-Tagung vom 23.11.2018 (Downloads Bioforschungsforum; Rubrik Aktuall)
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