Peter Haldemann bewirtschaftet einen Biobetrieb in Raperswilen im Kanton Thurgau. Der Ackerbauer und Schweinehalter ist Vorstandsmitglied des Verbands Thurgauer Landwirtschaft und engagiert sich für die SVP im Thurgauer Kantonsparlament sowie im Gemeinderat seines Wohnorts, wo er unter anderem für die Wasserversorgung zuständig ist. Wir haben ihm einige Fragen zum Thema Biodiversität gestellt, hier finden Sie die ungekürzte Fassung des Interviews.
Peter Haldemann, bist du ein vorbildlicher Landwirt in Sachen Biodiversität?
Peter Haldemann: Das kommt darauf an wen du fragst, letztes Jahr habe ich an der Leguminosenmeisterschaft mitgemacht und da hat mir Toni Kappeler von ProNatura ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Was sind die biodiversen Highlights auf deinem Betrieb?
- Dass unser Betrieb von drei Seiten vom eigenen Wald umgeben ist, aber das zählt ja nicht bei der Biodiversitäts-Bewertung.
- Die Hecke, die wir schon im 2004 gepflanzt haben.
- Unser alter Obstgarten, den wir laufend erweitern und von dem die Hecke eine Verbindung zum Wald bildet.
- Unsere Flurstrassen-Allee, die wir am Aufbauen sind.
- Unsere alten Kastanienbäume, die im und um den Hof sehr viel Biodiversität beherbergen und dies seit über hundert Jahren, aber als nicht einheimische Bäume gelten und somit kein Recht auf Biodiversität haben.
- Unsere extensive Weide rings um den Hof am Waldrand, die für mein Biodiversitätsverständnis zusammen mit einem gestuften Waldrand einen optimalen Übergang zwischen Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität und Wald bildet.
Gibt es Wildtiere oder -pflanzen auf deinem Betrieb über deren Präsenz du besonders stolz bist?
Stolz ist nicht das richtige Wort, aber ich freue mich über:
- Eine grosse Vogelvielfallt und ihr unglaubliches Konzert an einem lauen Sommerabend, leider oft gestört durch Fluglärm.
- Drei bis vier Rehfamilien, diverse Fuchsbauten und Besuche des Meistermäusefängers, sowie über Wiesel, Mauswiesel die auch die Maus auf ihrem Speiseplan haben, Mäusebussarde, Waldbussarde sowie Rot- und Schwarzmilanen schaue ich bei ihrem Flug sehr gerne zu.
- Eine Gämse, die wir vom Stubenfenster aus beobachten können, fasziniert mich auch jedes Mal aufs Neue.
- Ebenfalls finde ich die Blindschleichen, die ich wieder regelmässig sehe, sehr spannend.
Nicht so Freude, aber die gehören halt auch dazu, haben wir an Wildschweinen, Dachs, Luchs sowie wahrscheinlich auch bald Wolf. Nichtsdestotrotz sind sie auch faszinierend, aber sie können halt auch existenzbedrohenden Schaden anrichten.
Reagierst du auf die Motivationsversuche der Behörden oder agierst du in Sachen Biodiversitätsförderung eigenständig?
Eigentlich sehr eigenständig. Aber wenn ich halt muss, schicke ich mich da rein. Sonst finde ich die letzten Initiativen eher kontraproduktiv. Im Jahr 2004, als wir unsere Hecke gepflanzt haben, machten wir das auch mit Freude für unseren Betrieb und nicht weil wir Punkte holen mussten. Danach kam die Bestimmung, dass die Hecke zweireihig sein muss, und unsere Hecke erfüllt deshalb Qualitätsstufe II nicht. Obstbäume machen mir auch Freude und wenn dann ProNatura noch sagt, komm wir fördern noch alte Sorten und zahlen einen Teil an die Jungbäume, kann ich die setzen, wo und wie ich will, rücksichtnehmend auf meine Betriebsabläufe und meine Schlag- und Feldgrenzen. Mittlerweile ist es ja auch in der Wissenschaft angekommen, dass zum Beispiel gelegentliches Befahren bei einem Vorhaupt, das mit einer Ökofläche angelegt ist, der Biodiversität dienlich ist. Wir würden dafür aber bestraft werden.
Du hast dich kritisch geäussert über die Biodiversitätsinitiative, was hat dich am Volksbegehren gestört?
Etwa das gleiche wie bei der Umweltverantwortungsinitiative auch. Die Forderungen werden immer unrealistischer und sind nicht zu Ende gedacht. Respektive, die Landwirtschaft soll alles richten. Wir sollen die Kohlen für die Gesellschaft aus dem Feuer holen, da ist es einfach den 3 Prozent der Bevölkerung, die wir noch sind, die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wenn ich mir überlege was all die Amtsstellen kosten, die die Massnahmen und Kontrolle in der Landwirtschaft ausbrüten… Der Landwirt aber, der dann alles umsetzen soll, wird für das Saatgut und ein bisschen für seine Arbeit entschädigt und mehr nicht. Liebe Leute, wenn wir für 97 Prozent der Bevölkerung Biodiversität machen und die Verantwortung der Gesellschaft dafür übernehmen sollen, dann kostet das einfach so viel, dass der Landwirt nicht mit 17 Franken und auch nicht mit 25 Franken Stundenlohn entschädigt wird, sondern mit 50 Franken. Sucht euch einen Bauer, sagt ihm was er machen soll, entschädigt ihn wie einen Verwaltungsrat und wir werden sehr gerne alle Forderungen umsetzen. Solange wir aber sehen, dass nur Forderungen gestellt werden und selber fliegt man dann in die Ferien, weil man ja kein Fleisch isst, finde ich das krank. Unsere Kreisläufe müssen endlich als regionale Kreisläufe gesehen werden. Beispiel Quinoa, ein Superfood aus den Anden, genau auf die Region angepasst. Wir reissen den da aus dem Kreislauf, die Bauern gelangen kurzfristig zu Wohlstand, weil sie exportieren, können sie sich etwas kaufen, müssen aber plötzlich Dünger zukaufen, weil sie zu viel exportieren usw. Wir haben hier den Hafer, der wurde auch gehypt, aber da von der ganzen Welt Superfood angekarrt wird, bleibt er links liegen, der Preis fällt wieder in den Keller, der Bauer steht mit leeren Händen, oder gar Schulden da.
Ich möchte noch ein Beispiel geben: Das Gesundheitswesen, wieviel Ressourcen werden da verbraucht, man denke nur einmal, wie viele Plastik-Handschuhe da pro Tag anfallen. Dann kommen Medikamente, Maschinen, Chemikalien und vieles mehr dazu. Aber da will niemand etwas einsparen, weil sobald es um die eigene Existenz geht, sind wir nicht mehr bereit, die Konsequenzen zu tragen. Es wird immer behauptet die Welt könne 10 Milliarden Menschen ernähren. Das mag sein, aber sie verträgt es nicht. Deshalb kommt auch keine Initiative in diese Richtung. Dabei wäre das doch konsequent, bei einer Abschaffung des Gesundheitswesens weltweit, wären wir innerhalb von 10 Jahren wieder bei einer Weltbevölkerung, die unsere Erde erträgt. Genauso utopisch und extrem war die Initiative vom letzten Sonntag. Was ich mit diesen Beispielen sagen will: Biodiversität miteinander ist unbedingt zwingend, sobald aber nur die anderen sollen, sorry da sind wir jetzt einfach mal nicht mehr einverstanden.
Ebenfalls gescheitert sind die 3,5 Prozent BFF auf dem Acker, zurecht aus deiner Sicht?
Ja, vieles von oben gilt hier auch. Dazu kommt, dass wir vor Jahren einen Blühstreifen-Versuch gemacht haben. Seither habe ich Kamille in meinen Felder, die je nach Hauptkultur zum massiven Problem werden und die ich fast nicht mehr wegbringe. Das kann dir vorher niemand garantieren, niemand kommt dir helfen, der Verdienst sinkt und die Arbeitsstunden steigen ins unermessliche, da gehst Du auf die Knie und heulst nur noch.
Das Verhältnis stimmt auch nicht mehr. In unserer kleinräumigen Schweiz wo die durchschnittliche Schlaggrösse zischen 1.5 und 2.5 ha ist, sollen wir da einen genau definierten Streifen drein säen, nicht quer, nicht schmäler nicht breiter usw. In den Nachbarländern ist nichts auf 100 ha. Nochmals, alle verdienen und profitieren von solchen Vorschriften, nur der Bauer der fällt irgendwann um. Die 3.5 Prozent sind ein gutes Beispiel dafür, wie der Bauer ausgenützt und geködert wird. Biodiversität liegt mir als Bauer am Herzen, ich finden einen blühenden Streifen in dem es nur so wimmelt von Insekten auch etwas Wunderbares und gehe gern darin auf Entdeckungsreise, aber im nächsten Jahr, wenn wir dann in der Folgekultur jäten müssen, stellt es allen ab, und der Blühstreifen wird nicht mehr angesät.
Nun sind Biodiversitätsinitiative und die 3,5 Prozent klar abgelehnt worden, wie sollte es aus deiner Sicht weitergehen in Sachen Biodiversität? Wie bisher oder braucht es Anpassungen?
Wenn wir eine Steigerung der Biodiversität wollen, muss mehr mit der Praxis zusammengearbeitet werden und zwar nicht nur ein Jahr, sondern mit Langzeitmassnahmen und nicht nur mit Biobauern, sondern auch mit konventionellen, IP, regenerativen usw. Die Initiativen haben so viel kaputt gemacht, dass nur schon beim Wort Biodiversität alle auf Rot schalten. Jetzt braucht es Aufklärung, Betreuung und Förderung, sowie eine der Wichtigkeit angepasste Bezahlung. Dies muss unsere Gesellschaft verstehen.
Interview (schriftlich): Adrian Krebs, FiBL