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Welche Zukunft für Bio Suisse? DV entscheidet über die Strategie 2040

Meldung  | 

Mitte November entscheidet die Delegiertenversammlung von Bio Suisse über die künftige Strategie. Der Verband hat drei Szenarien zur Diskussion gestellt und präsentiert nun eine gemischte Variante. Anschliessend will man bis im Frühjahr 2025 die strategischen Ziele festlegen.

Es gab viel zu notieren im Strategieprozess. Hier eine Impression von der Präsident*innenkonferenz in Biel im Juni 2024. Foto: Katrin Erfurt, Bio Suisse

Vom Einkaufsverhalten bis Ressourcenverfügbarkeit: Bio-Suisse-Geschäftsführer Balz Strasser führt die Teilnehmenden an der Präsident*innenkonferenz ins Thema ein. Foto: Katrin Erfurt, Bio Suisse

Vorstandsmitglied Dora Fuhrer inmitten von engargierten Diskussionen zur Strategie 2040 von Bio Suisse. Foto: Katrin Erfurt, Bio Suisse

«Ich gehe davon aus, dass viele Menschen ihren Fleischkonsum reduzieren oder vollständig auf eine vegane Ernährung umstellen werden», sagt Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli mit einem Blick in die Zukunft, und zwar ins Jahr 2040. Ende 2025 wird die aktuelle Verbandsstrategie Avanti auslaufen. «Wir brauchen eine neue Strategie, die weit in die Zukunft des Verbands schaut», meint Dora Fuhrer vom Vorstand. In den nächsten 15 Jahren werden die Hälfte aller Betriebsleitenden in Pension gehen und in vielen Fällen ist keine Nachfolgelösung in Sicht. Dies werde Chancen, aber auch Risiken mit sich bringen, denen der Verband nicht unvorbereitet gegenüberstehen sollte, fügt Carole Nordmann, Projektleiterin des Strategieprozesses bei Bio Suisse, an.

300 Produzentinnen und Produzenten involviert

Der Verband hat vor rund einem Jahr den Strategieprozess und damit eine Zukunftsreise gestartet: Rund 350 Personen waren bislang darin involviert, darunter gut 300 Knospe-Produzentinnen und -Produzenten. Am 13. Juni 2024 wurden an der Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz (PK) in Biel BE den knapp 80 Teilnehmenden, darunter Vorsitzende der Mitgliedorganisationen, Delegierte, Lizenznehmende, Vertreterinnen und Vertreter der Verbandsgremien und einige Gäste, Ausblicke in die Schweizer Landwirtschaft und in die Ernährung im Jahr 2040 vorgestellt (siehe unten).

Die Teilnehmenden hatten die Aufgabe, sich mit diesen Ausblicken zu befassen und ihre Einschätzungen dazu zu teilen. In einem weiteren Schritt stellte Balz Strasser, Geschäftsführer von Bio Suisse, drei strategische Stossrichtungen vor, wie sich der Verband im Hinblick auf die zukünftige Landwirtschaft und die Ernährung 2040 positionieren könnte.

Diese diskutierten die Teilnehmenden anschliessend und arbeiteten mögliche Chancen und Herausforderungen aus. Die gewonnenen Erkenntnisse und Anregungen aus den Themenblöcken sowie die Stimmung der Teilnehmenden zu den einzelnen Stossrichtungen werden in den Strategieprozess aufgenommen und weiterverarbeitet.

Die Zukunftsszenarien für Land- und Ernährungswirtschaft

Wie und was essen wir in Zukunft? Die Teilnehmenden diskutierten jeweils 40 Minuten lang angeregt über mögliche Entwicklungen und Szenarien.

Ernährung, Konsum und Verarbeitung
Bis im Jahr 2040 entwickeln Konsumentinnen und Konsumenten neue Ernährungsbedürfnisse. Die persönliche Gesundheit wird an Wichtigkeit zunehmen. Lebensmittel sollen nicht nur sättigen, sondern auch ein Genusserlebnis bieten. Tierische Produkte werden weniger verzehrt, stattdessen kommen vegane Lebensmittel vermehrt auf den Tisch. Es gibt mehr hochverarbeitete Produkte und neue Verfahrenstechniken (zum Beispiel für Fleischersatz) mit Rohstoffen aus aller Welt. Konsumentinnen und Konsumenten reagieren stärker auf Preisänderungen.

Einkaufen, Marken und Handel
Die Schweizer Bevölkerung nimmt sich 2040 weniger Zeit für die Ernährung. Der Einkauf wird einerseits schneller, andererseits aber auch erlebnisreicher gestaltet, wobei Online- und Offlineangebote ergänzend genutzt werden. Der Trend hin zu Convenience-Produkten nimmt zu, während der Gegentrend hin zu gesunden und regionalen Produkten weiterhin wichtig bleibt. Die Einkommensungleichheit wächst und zeigt sich in unterschiedlicher Kaufkraft. Die Verfügbarkeit von Ressourcen dürfte zunehmend infrage gestellt sein, insbesondere in Krisenzeiten.

Landwirtschaftliche Produktion
Um die Produktivität zu erhalten und zu steigern, setzen Betriebe verstärkt auf Spezialisierung und/oder auf Wachstum und Grösse. Einige Höfe sehen sich gezwungen, den maschinellen Aufwand wegen erhöhter Kosten, etwa bei der Energie, zu reduzieren. Diese konzentrieren sich vermehrt auf die Erfüllung spezifischer Kundenbedürfnisse und die Produktion von Nischenprodukten. Nutztiere werden in der biologischen wie auch konventionellen Landwirtschaft weiterhin von zentraler Bedeutung sein und der Bestand kaum reduziert werden. Dies gilt insbesondere für Wiederkäuer, die für die optimale Landnutzung und den Nährstoffkreislauf unentbehrlich sind.

Die Rolle des Bauernhofs
Landwirtschaftliche Betriebe werden in 15 Jahren weiterhin die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen und eine zentrale Rolle in der Kulturlandpflege spielen. Die Produktion von erneuerbaren Energien gewinnt für viele Höfe an Bedeutung. Der gesellschaftliche Druck auf das Budget des Bundes zugunsten der Landwirtschaft nimmt zu. Die steigenden Kosten für Technologisierung erfordern Fremdkapital und hochqualifizierte Arbeitskräfte, möglicherweise auch aus dem Ausland. Zusätzliche Einnahmequellen, zum Beispiel durch Agrotourismus, werden für bestimmte Höfe notwendig sein.

Umwelt und Nachhaltigkeit
Im Jahr 2040 sind die Auswirkungen der Umweltkrisen in der Landwirtschaft noch deutlicher spürbar als heute und die Unsicherheiten in der Nahrungsmittelproduktion werden weiter zugenommen haben. Die Agrarpolitik wird Entscheidungen und Vorgaben stärker auf eine nachhaltigere Landwirtschaft ausrichten, wenn auch mit beschränkten Ambitionen. Ebenso sucht der Markt verschiedene Lösungen, die teilweise über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, aber nach selbstdefinierten Regeln ausgestaltet werden.

Drei mögliche Stossrichtungen für Bio Suisse

1. Ursprüngliches wird weiterentwickelt:
Die Grundsätze der Knospe werden verstärkt, die Richtlinien und die Anforderungen an das Tierwohl sind gleich streng oder strenger. Bio Suisse differenziert sich als Premiummarke klar von anderen Biomarken. Neue Technologien sowie ausländische Betriebe werden gleich oder strenger beurteilt.

2. Unterschiedliche Bioqualitäten anbieten:
Die Grundsätze bleiben erhalten, die Richtlinien sowie das Tierwohl werden differenziert angepasst und vereinfacht. Es gibt verschiedene Bioqualitäten zu unterschiedlichen Preisen. Wo sinnvoll, wird technologischer Fortschritt zugelassen. Ausländische Waren sollen konsequent aus «Bio Suisse Organic»-Produktion stammen.

3. Bio offener denken (Bio für möglichst alle):
Die Grundsätze werden teils angepasst und die Richtlinien auf das Nötigste reduziert. Das Tierwohl bleibt wichtig, wird aber pragmatisch umgesetzt. Die Lücke zwischen Knospe-Vorgaben und jenen der Schweizer Bioverordnung wird durch Bio Suisse geschlossen. Bio Suisse etabliert sich zum Branchenleader und ist offen für die Prüfung neuer Technologien. Bei der ausländischen Ware wird auf Partnerschaften mit ausländischen Bioverbänden gesetzt.

Von den drei Stossrichtungen schätzten die PK-Teilnehmenden Nummer eins und zwei am erfolgversprechendsten ein. Nummer drei würde für eine Mehrheit zu viele Unsicherheiten mit sich bringen. Laut einem Bericht in der jüngsten Ausgabe des Magazins Bioaktuell haben an der PK die Stossrichtungen eins und zwei je rund 45 Prozent der Stimmen auf sich vereint, Variante drei kam auf lediglich 10 Prozent.

Der DV wird ein Mix präsentiert

Am 13. November wird der Vorstand den Delegierten nicht eine der ursprünglichen drei Stossrichtungen, sondern einen Mix vorstellen. Diese kombinierte Variante ist aufgrund der ausführlichen Vernehmlassung erarbeitet worden, wie Präsident Urs Brändli auf Anfrage sagt. Beteiligt waren neben Vorstand und Geschäftsleitung auch ein sogenanntes Sounding board und die oben beschrieben PK.  Zu einzelnen Passagen will der Vorstand an der Herbst-DV «Stimmungsbilder» abholen und deshalb konsultative Abstimmungen durchführen.

Das Resultat seien «konkrete Massnahmen und Ziele», sagt Brändli. Es gehe zunächst aber vor allem darum, die Richtung festzulegen: «Wo hat die Knospe ihren Platz 2040, welche Ziele und Aufgaben gibt es auf diesem Weg für Bio Suisse», umschreibt der Präsident die Fragen, die am 13. November beantwortet werden sollen.

Die Details erarbeiten die bisherigen Beteiligten dann in einer zweiten Runde bei der Festlegung der strategischen Ziele. Viel Zeit bleibt der Rennleitung dabei nicht: Die Resultate der Zielfestlegung sollen den Delegierten im Frühjahr 2025 vorgelegt werden. Da die Unterlagen bereits am 7. März auf die Post gehen, muss der Prozess bis dann abgeschlossen sein, so Brändli.

Was wurde erreicht mit der letzten Strategie?

Wenn neue Strategien beschlossen werden, ist es auch immer interessant, auf die vergangene zurückzublicken. Das war bei Bio Suisse «Avanti 2025». Diese hat unter anderem angepeilt, den Anteil der Biobetriebe bis 2025 auf über 25 Prozent und diejenige der Lizenznehmenden auf über 1000 zu erhöhen. Angestrebt war auch ein Marktanteil von 15 Prozent.

Das erste Ziel dürfte klar verfehlt werden. Ende 2023 lag die Zahl der Biobetriebe bei 7556, das waren 17,9 Prozent der Betriebe, Tendenz stagnierend. Kaum zu erreichen sind auch die angepeilten 15 Prozent Marktanteil der Knospe-Bioprodukte am Schweizer Lebensmittelmarkt. Zu Jahresbeginn lag man hier bei 11,6 Prozent (rund 2,9 Mrd Fr. Bioumsatz).  Im Bereich Lizenznehmende hingegen war man erfolgreich. Mit 1356 Betrieben Ende vergangenen Jahres konnte man hier das Ziel klar übertreffen.  

Katrin Erfurt, Bio Suisse (Artikel aus Bioaktuell 6/24), aktualisiert durch Adrian Krebs, FiBL (Zitate von Urs Brändli und Rückblick auf die letzte Strategie Avanti 2025)

Weiterführende Informationen

Strategie Avanti 2025 (bio-suisse.ch)
Bio in Zahlen 2023 (bio-suisse.ch)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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