In der Hybridzüchtung für Gemüsesorten wird häufig die natürlich vorkommende cytoplasmatische männliche Sterilität (CMS) genutzt, um eine Selbstbefruchtung der Pflanzen zu verhindern. Allerdings wurde bei Kohlarten und verschiedenen Zichoriumarten wie zum Beispiel Chicorée oder Zuckerhut bisher keine natürliche CMS beobachtet; aus diesem Grund wird CMS seit den 70er-Jahren mit Hilfe der Zellfusion auch auf diese Pflanzenarten übertragen und somit ein höherer Hybridisierungsgrad in der Saatgutproduktion erreicht.
Einer der Grundsätze des Biolandbaus ist jedoch, die Integrität von Pflanzen zu bewahren und Kreuzungsbarrieren in der Züchtung zu respektieren. Auf Bio Suisse-Betrieben dürfen darum seit 2014 keine Gemüsesorten aus Zellfusionszüchtung angebaut werden, und auch andere Bioverbände in Deutschland und Österreich lehnen diese Züchtungsmethode ab. Um einen Marktnachteil der Schweizer Bioproduzentinnen und -produzenten zu vermeiden und die Anbausicherheit von Kohl- und Zichoriumsorten zu gewährleisten, gibt es eine Ausnahme für die fünf Kulturen Brokkoli, Blumenkohl, Weisskohl, Wirz und Chicorée.
Positivliste schafft Klarheit
Um Klarheit zu schaffen, welche Sorten auf Bio Suisse-Betrieben eingesetzt werden dürfen und welche nicht, publiziert das FiBL zusammen mit den deutschsprachigen Bioverbänden der Nachbarländer jedes Jahr die «Positivliste für zellfusionsfreies Biogemüse». Die Liste führt alle zur Verfügung stehenden zellfusionsfreien Sorten von Kohl- und Zichorienarten auf.
Im vergangenen Winter 2020/2021 ist nun jedoch mit «Arctica F1» die erste Wurzelpetersiliensorte aus Zellfusionszüchtung auf dem Markt erschienen. Damit ist die Zellfusionstechnik in einer komplett neuen Pflanzenfamilie angekommen. Folglich werden bei der nächsten Aktualisierung diesen Herbst nebst Kohl- und Zichorienarten neu auch die verschiedenen Petersiliensorten in die Positivliste aufgenommen. Vorerst besteht allerdings keine Gefahr, dass WuPe-Sorten aus Zellfusionszüchtung auf Biobetrieben eingesetzt werden, weil es ausser der neuen Zellfusions-Hybridsorte von Bejo bis jetzt schlicht keine anderen Hybridsorten gibt. Bejo weist die neue Sorte ausserdem sehr vorbildlich und offen als Zellfusionssorte aus und bietet sie nur gebeizt an, womit sie kaum in den Biokanal gelangen wird.
Anja Vieweger, FiBL
Weiterführende Informationen
Zur Liste "Zellfusionsfreie Sorten im Gemüsebau"
Sorten, Jungpflanzen (Rubrik Gemüsebau)